Ausgangssituation:

Im Rahmen der COVID-19-Pandemie ist eine bundesweite Debatte über das “Freitesten” als Zugangsvoraussetzung zu sozialen Ereignissen oder Lokalitäten entstanden (Türöffner-Testung). Diese Debatte wird nicht evidenzbasiert geführt. Zusätzlich wird das große Potenzial einer breiten und regelmäßigen Testung der Bevölkerung (Public-Health-Screening), die das Ziel verfolgt, möglichst viele ansteckende Personen frühzeitig zu erkennen und zu isolieren, weitestgehend außer Acht gelassen.

Die unabhängige wissenschaftliche Initiative RapidTests schlägt eine Schnelltest-Strategie mit Public-Health-Fokus vor, die schnellstmöglich ein zentraler Baustein der Pandemieeindämmung werden sollte.

Quelle: Modifiziert nach Mina et al. (NEJM 2020)

Obwohl sowohl die Bundesregierung als auch die Ministerpräsident:innen Antigen-Schnelltests positiv bewerten und nutzen wollen, wurde bis heute keine Schnelltest-Strategie vorgelegt. Die Bundesregierung hat viele Monate Zeit gehabt, eine solche Strategie zu entwickeln. Es ist nicht absehbar, ob und, falls ja, wann sie eine Teststrategie vorlegen wird, die auch die Eindämmung der Pandemie zum Ziel hat und nicht nur die Begleitung von Öffnungen. RapidTests hat im Laufe der Zeit immer wieder Vorschläge vorgelegt, die mit Verzögerung aufgegriffen wurden, darunter die Freigabe von Selbsttests. RapidTests appelliert an die Bundesregierung und die Regierungen der Bundesländer, die folgenden Vorschläge der wissenschaftlichen Initiative sofort umzusetzen. Diese können die Fallzahlen senken und Lockdowns abwenden bzw. verkürzen. Es ist mit Blick auf B.1.1.7 unverständlich, wieso die seit langem und oft zitierten Modellierungen der Universität Harvard und ähnliche nicht ausreichend Beachtung in der politischen Debatte finden. Wir stehen am Beginn einer dritten Welle und dürfen nicht erneut unnötig Zeit verlieren.

Unser Ziel ist die Verkürzung des bevorstehenden bzw. Abwendung weiterer Lockdowns mit geeigneten teststrategischen Maßnahmen.

Oberste Priorität hat dafür das Erreichen einer Testquote von >40% der Bevölkerung mit mindestens 2 Tests/Woche in allen Landkreisen mit einer 7-Tage-Inzidenz über 35/100.000 Einwohner:innen.

RapidTests schlägt folgende Punkte vor:

1.) Beteiligung aller Arbeitgeber:innen: Verpflichtung der öffentlichen und privaten Arbeitgeber:innen, ihren Präsenzbeschäftigten mindestens 2 freiwillige Tests pro Woche anzubieten, wahlweise im Betrieb mit Bescheinigung oder als Selbsttest zu Hause. Zudem ab einer 7-Tage-Inzidenz von 50/100.000 als Notfallmaßnahme Testpflicht zur Senkung der Inzidenz mit mindestens 2 Tests pro Woche inkl. Protokollierungspflicht. Die Homeoffice-Nutzung sollte, soweit möglich, ausgebaut werden und bleibt von der Testregelung unberührt. Aufgrund des hohen Nutzens für die öffentliche Gesundheit (Public Health) sind die Kosten für die Tests vom Staat zu tragen. Die Organisation erfolgt über die Betriebe.

2.) Testangebot für alle Schulen und Kitas: Allen Lehrer:innen, Erzieher:innen, Schüler:innen und Kita-Kindern werden mind. 2 Selbsttests pro Woche für zu Hause kostenlos bereitgestellt, um sich niederschwellig testen zu können. Ein detailliertes Umsetzungskonzept für diesen Bereich liegt bereits vor (Konzeptpapier TRACE).

3.) Schnellstmögliche Umsetzung der subventionierten Abgabe von Selbsttests: Der Abgabepreis sollte nicht mehr als 1 € betragen, ggf. sind zu Beginn Stückzahlbegrenzungen notwendig. Kostenfrei sollte die Abgabe von 10 Tests pro Monat an Transferleistungsbezieher:innen und Bewohner:innen von Gemeinschaftsunterkünften sein.

4.) Fortlaufende Informations-/Mobilisierungs-Kampagnen, z.B. durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), über alle Kanäle (Social Media, TV zur Primetime, Plakat an Bushaltestellen, Multiplikator:innen). Vorrangiges Ziel ist es, die regelmäßige Test- und Isolationsbereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen. Deutlicher Personalausbau der Hotline unter 116117 als zentrale Anlaufstelle für Privatpersonen, um Schnelltest-Ergebnisse rund um die Uhr besprechen und eine Beratung erhalten zu können.

5.) Türöffner-Tests (jenseits vom medizinischen und pflegerischen Bereich) können als Anreiz zum Public-Health-Screening dienen, müssen jedoch mit ausreichend kurzer Gültigkeitsdauer verbunden werden und dürfen als niedrigste Priorität der Testungen nur insoweit für Lockerungen genutzt werden, als die Tests für die vorgenannten Punkte verfügbar sind.

6.) Unterstützung der Isolation: Entschädigungsleistung nach §56 IfSG oder alternativ telefonische Krankschreibung bis zum Ergebnis der PCR-Überprüfung eines positiven Schnell- und Selbsttests. Dieses sollte innerhalb von 24 Stunden vorliegen. Generell: Schnelle, unbürokratische Alltagshilfen für Alleinstehende und -erziehende.

Mit diesen Maßnahmen können die Fallzahlen in wenigen Wochen drastisch gesenkt und die hohen gesundheitlichen wie wirtschaftlichen Kosten minimiert werden. Allein die direkten Kosten für Wirtschaftshilfen im Lockdown liegen bei über 11 Milliarden Euro pro Monat, gegenüber etwa 1-2 Milliarden Euro/Monat für die Tests.

Die genannten Punkte sind wertvolle zusätzliche Bausteine und sollten daher umgehend in die nationale Teststrategie integriert werden.

Verfasser:innen: Das RapidTests-Team, namentlich Alexander Beisenherz, Dr. Cathleen Pfefferkorn, Carsten Pfeiffer, Christian Erdmann, Dr. Franziska Briest, Dr. Jonas Binding, Marc Bota, Nikolaus Kolb