In Deutschland wird das 75. Bestehen des Grundgesetz gefeiert. Natürlich wird den Bürgern vermittelt, dass es sich bei diesem Gesetz um einen Glücksfall der Demokratie handelt. Wenn man den Politikern Glauben schenken darf, dann bestand 1989 der Wunsch der ehemaligen Bürger der DDR, schnell im Rahmen eines Beitritts die Wiedervereinigung Deutschlands umzusetzen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland besteht nur insoweit 75 Jahre, als es für die alten Bundesländer gegolten hat. Für die dann der Bundesrepublik beigetretenen Länder der ehemaligen DDR trifft dies nicht zu. Es ist richtig, dass 1989 die Sorge bestand, dass die Wiedervereinigung Deutschlands noch scheitern könnte. Denn, was heute entweder vergessen oder von vielen Bürgern auch gar nicht wahrgenommen wurde, ist die Tatsache, dass die westlichen Alliierten keinesfalls von einer Vereinigung Deutschlands begeistert waren. Insbesondere Frankreich und Großbritannien hätten einen solchen Zusammenschluss gern verhindert. Die USA, die sich seinerzeit schnell zu der Wiedervereinigung Deutschlands bekannte, weil sie sehr schnell feststellte, dass eine solche gar nicht mehr zu verhindern gewesen war, verband ihre Zustimmung allerdings mit der Forderung, dass das wiedervereinigte Deutschland in der Nato verbleiben mußte. Frankreich hat der Wiedervereinigung nur unter der Bedingung zugestimmt, dass Deutschland seine eigene Währung aufgibt und in eine zukünftige Europäische Organisation – damals existierte noch die EWG – integriert wird.
Der Verfasser dieser Zeilen hat seinerzeit das Ende der DDR und den dann erfolgten Zusammenschluss beider deutschen Staaten nicht zuletzt auch beruflich bedingt, intensiv persönlich erlebt. Es gab in der Bevölkerung Deutschlands sehr starke Kräfte, die darauf hinwiesen, dass die Chance der Wiedervereinigung auch dazu genutzt werden sollte, sich aus den politischen Blöcken des Warschauer Pakts einerseits und der Nato anderseits zu lösen, um Deutschland als neutralen Staat zwischen dem Osten (gemeint war die ehemalige Sowjetunion) und dem Westen (hier die USA-dominierte Nato) zu befreien.
Dass sich der Westen unter der Dominanz der USA sehr schnell durchsetzte und die Regeln für die Wiedervereinigung bestimmte, war der Schwäche der sich im Untergang befindlichen Sowjetunion zuzuschreiben. So kam es dann auch dazu, dass die Streitkräfte der Sowjetunion Deutschland verließen, während die USA einen solchen Schritt nicht vornahm und noch heute in Deutschland mit einem großen Aufgebot von Streitkräften und sonstigen amerikanischen Dienststellen vertreten ist. Besonders bei der Militärbasis Ramstein darf man sich fragen, wie die rechtliche Konstruktion dieser US-Basis in einem angeblich souveränen Land begründet wird.
Kommen wir zurück zu dem „Geburtstag“ des Grundgesetzes. Das Grundgesetz sollte als Provisorium gelten, bis sich das Volk beider (ehemaligen) deutschen Staaten eine gemeinsame Verfassung gibt. In Artikel 146 GG heißt es:
Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Zu dieser vom Grundgesetz verlangten Regelung kam es nicht, weil die damalig handelnden Politiker zu der Überzeugung kamen, dass die Vereinigung beider deutscher Staaten am schnellsten erfolgt, wenn die damalige gewählte DDR-Regierung, die es nach dem Zusammenbruch der SED-DDDR für einige Monate gegeben hatte, den Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland erklärt. Grundsätzlich war dies logisch und entsprach der damaligen Befürchtung, dass ein längeres Verfahren zu einem Scheitern der Wiedervereinigung geführt hätte.
Allerdings war der Preis für dieses Verfahren sehr hoch und bedeutete, dass wieder einmal nicht die Deutschen selbst über ihr eigenes Schicksal voll umfänglich entscheiden konnten, sondern dass – wie bereits erwähnt – die westlichen Alliierten ihre Bedingungen durchgesetzt haben. Die Frage der Neutralität Deutschlands wurde gar nicht weiter diskutiert. Die versprochene DM wurde den neuen Bundesbürgern gegeben, ohne ihnen gleich zu sagen, dass die DM zugunsten einer von Frankreich dominierten Währung kurzfristig entfallen wird. Die politische Einbindung des neuen Deutschlands wurde in die westlichen Bündnisse so festgezurrt, dass hier keine Veränderungen mehr möglich waren und bis heute auch nicht mehr sind. Mit einem Wort, der Westen hat das erreicht, was er immer wollte- sein Einfluss gebietsmäßig weiter in Richtung Osten erweitert und Deutschland so in westliche Strukturen eingebunden, dass es langfristig im westlichen Verbund verbleiben muss.
Der ehemalige letzte demokratisch gewählte Außenminister der ehemaligen DDR, Markus Meckel, erklärte jetzt, dass man den Artikel 146 des Grundgesetzes ersatzlos streichen sollte und das Grundgesetz zur endgültigen Verfassung Deutschlands erklären sollte. Viele seiner damaligen Mitstreiter, die für die Freiheit aller Deutschen eingetreten sind, werden sich über eine solche Auffassung nur verwundert die Augen reiben und sich fragen, für was man seinerzeit auf die Straße gegangen war.
Aktuell wäre es noch heute möglich, allerdings nur dann, wenn man den Souverän nicht vollends nur noch als politische Staffage ansehen sollte, den Auftrag des Grundgesetzes zu folgen. Gemäß Artikel 146 müsste ein Verfassungskonvent eingerichtet werden, der eine gemeinsame deutsche Verfassung formuliert. Dies ist dann allen deutschen Staatsbürgern zur Abstimmung vorzulegen.
Erst wenn dieser Schritt vollzogen wurde, kann man eine neue Zeitrechnung für eine gemeinsame Verfassung, die wirklich vom deutschen Volk beschlossen worden ist, beginnen. Aktuell sieht es so aus, dass man die Vorstellungen des Volkes als bedrohlich ansieht, weil die Gefahr besteht, dass die einseitige und bedingungslose westliche Einbindung Deutschlands von den Bürgern gar nicht gewollt ist. Wenn der Bürger der Souverän ist, dann kann auch nur der Souverän darüber entscheiden, ob endlich der Artikel 146 GG mit Leben erfüllt wird. Das beste Erkennungsmerkmal für den Zustand der Souveränität eines Volkes ist der Inhalt und der Geist seiner selbst gegebenen Verfassung.
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