Buchrezension

Im Frühjahr 2021 legte Josef Franz sein gleichnamiges Buch über den „blutigen April in Pancevo – Hintergründe zur Erschießung und Erhängung von 36 Zivilisten im April 1941“ vor. Der Autor seziert in mühevoller Recherche die Berichte und Dokumente zu den Ereignissen im April 1941.

Die Chronologie der historischen Daten – der Pakt zwischen Hitler und dem jugoslawischen Ministerpräsidenten Cvetkovic am 25.3.'41 über den Beitritt Jugoslawiens zum Dreimächtepakt – der Putsch gegen den Beitrittspakt 'bolje rat nego pakt' (besser Krieg als Pakt) zwei Tage später – der Einmarsch der deutschen Truppen am 6.4.'41 – liest sich mit einigen wenigen Erläuterungen wie eine Kausalitätskette, die als Ouvertüre einer Spirale der Grausamkeiten steht und in eben jenen Ereignissen im April 1941 ihren eigentlichen Anfang nahm.

Im Verlauf folgten auf den „blutigen April“ das Massaker in Kragujevac am 21. Oktober 1941, die Vernichtung der Juden im „Judenlager Semlin“, bzw. im Gaswagen der Marke Saurer, der Partisanenkampf, die Gründung der SS-Division Prinz Eugen. Dazwischen noch die Gründung des faschistischen Staates Kroatien unter Ante Pavelic.

Und doch wurde in Pancevo im April 1941 ein später als „Sühnemaßnahmen“ bekannt gewordenes, mörderisches Prinzip angewandt. Das Leben eines deutschen Soldaten, eines Volksdeutschen sollte mit dem Leben von mehreren Serben, Juden oder „Zigeunern“ gerächt werden. Am 10. Oktober 1941 präzisierte der kommandierende General Franz Böhme das Prinzip der „Sühnemaßnahmen“. Für einen toten Deutschen – egal ob Soldat oder Angehöriger der deutschen Minderheiten in Jugoslawien – sollten 100 Geiseln und für einen verwundeten Deutschen 50 Geiseln erschossen werden.

Die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung vor etwa 20 Jahren zeigte, die Geschichte bestand aus einigen bis dato unbekannten Details.

Unklar blieb dennoch wann wer wieviele. Zu kompliziert und aufwendig gestalten sich Recherchen über Staatsgrenzen hinweg. Aber auch Systemgrenzen sind zu überwinden. Serbien steht verwaltungstechnisch noch heute auf dem Boden des sozialistischen Zentralismus.

Weil auch Tito Schuld auf sich geladen hat und jede Vertreibung Unrecht ist, öffneten sich etwa die Archive in Serbien erst nach dem Abtreten Slobodan Milosevics.

Dr. Michael Portmann kann als der erste bezeichnet werden, der für seine Dissertation mit dem Titel „Die Revolution in der Vojvodina“ eine intensive Archivrecherche in Serbien betrieb.

Dr. Dragoljub Zivkovic allerdings wies darauf hin, dass ihm als dem Leiter der Serbischen Enquetekommission zur Aufklärung von Kriegsverbrechen eine verschlossene Kiste mit Dokumenten zum Vernichtungslager Knicanin zwar gezeigt worden war. Aber eben verschlossen. Die darin aufbewahrten Dokumente bekam nicht einmal er, der im Auftrag des Parlaments in Novi Sad forschte, ausgehändigt. Das bedeutet, Serbien ist zwar auf dem Weg der Aufarbeitung, dennoch ist Serbien noch nicht am Ziel.

Mit all diesen Themen müsste sich niemand beschäftigen, hätte sich nicht die Wehrmacht mit einem Massaker im „Blutigen April“ 1941 mit einer Härte und einer empathielosen Gnadenlosigkeit in Serbien eingeführt.

Die Ereignisse jähren sich in dieser Woche zum 80. Male. Josef Frank publiziert in seinem Buch „Blutiger April in Pancevo“ die „Hintergründe zur Erschießung und Erhängung von 36 Zivilisten im April 1941.

Mir selbst war zwar diese erste und ab Oktober 1941 auch als solche bezeichnete Sühnemaßnahme bekannt. Die vielen lange offenen Fragen führten zu einem Gewirr aus weiteren Fragen. Warum wurde ein Teil der Zivilisten erschossen? Warum wurde ein anderer Teil erhängt? Wie sollte ich auf die Namen und Biographien der Opfer kommen? Ohne Sprachkenntnisse in einem Land, das nur spärlich seine Archive zu öffnen bereit war.

Josef Frank hat sämtliche Berichte aller Verantwortlicher, Zeitungsartikel, Zeugenaussagen in Serbien und Deutschland, sowie Untersuchungsberichte ausgewertet, gesichtet und häufig im Originalformat als Foto oder Kopie in sein Buch aufgenommen. Dort wo ein Text im Original auf Serbisch dokumentiert wird, liegt eine deutsche Übersetzung vor. Insofern ist die vorliegende Arbeit von Josef Frank in der Kette derjenigen, die sich als Historiker, Hobbyforscher und als Journalisten mit den Gräueltaten im Zweiten Weltkrieg und dessen Folge beschäftigen, eine nötige Fortschreibung der Geschichte.

Für jeden, der sich mit dem Zweiten Weltkrieg in Jugoslawien heute beschäftigen möchte, Fragen hat, muss Josef Franks Buch „Blutiger April in Pancevo“ lesen und in seine oder ihre Überlegungen und Schlussfolgerungen aufnehmen.

Frank kommt zum Ergebnis, dass 'Pancevo seit ca. 1932 Zentrum und Speerspitze des Nationalsozialismus innerhalb der deutschen Volksgruppe im Banat/Jugoslawien' war.

Hier hatten sich die Exponenten der so genannten 'Erneuerer' um Dr. Jakob Awender, Michael Reiser und Gustav Halwax versammelt. Reiser und Halwax gehörten ab 1939/40 bereits der reichsdeutschen Waffen-SS an.

Quelle: www.dhm.de

Die Verhaftungen und Verhöre folgten auf die Feiern zu Hitlers Geburtstag am 20. April 1941 in den Tagen danach. Auf Verhaftung und Verhör wegen der Attentate auf 9 Deutsche folgten die Erschießungen und das Erhängen der insgesamt 36 willkürlich ausgewählten Zivilisten. Ein Unrecht und ein Kriegsverbrechen, das Rachegefühle auslöste, ohne die viele offene Fragen, die auch Josef Frank anspricht, nie beantwortet werden können.

So bittet Josef Frank um Hinweise um weitere Verbrechen und Details aufklären zu können.

Auch andere Verbrechen, wie die Exekution von 100 königstreuen Soldaten der Jugoslawischen Armee in Alibunar einige Tage vor dem 21./22. April warten auf ihre Aufarbeitung. In Mramorak, einem Dorf in der Nähe zu Pancevo kam es bereits am 16.4.1941 zur Exekution von 4 Serben im Beisein von 15 serbischen Zeugen.

Abschließend lässt sich also festhalten, dass es offenkundig nie zu einer wirklich alle Fragen beantwortenden Arbeit kommen kann. Die oben genannten Gründe Sprachbarriere, Reste jugoslawischer Bürokratie, aber auch die hier und da schwierige Auswertung von Dokumenten, die im zeitlichen Kontext beurteilt werden müssen, was bedeutet, Anteile von Propagandaabsichten erkennen zu können und diese im Abgleich etwa zu Aussagen von Zeitzeugen herauszurechnen, verkompliziert die historische Aufarbeitung auch über die akribische und wirklich hervorragende Arbeit Josef Franks hinaus.

Angaben zum Buch:

Autor: Josef Frank

Titel: Blutiger April in Pancevo. Hintergründe zur Erschießung und Erhängung von 36 Zivilisten im April 1941

Buch: Paperback, DIN A4, 204 Seiten mit 36, zum Teil bisher unveröffentlichten Fotos.

Preis: 19,90,- € zuzgl. Versandkosten (ca. 2,80 € im Inland, ca. 7,00 € für Ausland)

Hinweis:         Das Buch wird vom Autor selbst herausgegeben.

E-Mail: [email protected]

Das Format DIN A4 wurde gewählt, weil dadurch Details in den Fotos besser erkennbar sind.

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