Phantasiebrief an eine Pharmazie-Firma im Abmahn-Rausch

Eine Firma, die unter anderem Homöopathie produziert, versucht Wissenschaftler, Journalisten und Ärzte abzumahnen, weil die darüber aufklären, dass es sich bei Homöopathie um ein Scheinmedikament handelt, dessen Wirkung nicht über Kontexteffekte hinaus geht. Die folgenden Zeilen sind ein polemischer Phantasie-Brief an diese Firma.

What the actual f#ck? Ihr fühlt euch als Davids, die den Goliaths der bösen Kritik die Stirn bieten müssen? Da seid ihr schon mal ganz falsch verortet. Ihr seid es doch, die sich offensichtlich aus Sorge um das Klingeln der Groschen in euren Kassen auf den Kriegspfad begebt. Fast schon niedlich, wie ihr euch aufgestört fühlt im selbstlaufenden Kommerz, den ihr offenbar für alle Ewigkeit zu pachten geglaubt habt. Beinahe erheiternd, diese Offensichtlichkeit, wenn es nicht so […!] wäre. Ihr fandet es also eine gute Idee, Abmahnungen an redliche Leute, Wissenschaftler und Ärze, zu verschicken, die über eure Smarties aufklären? Und hofft auf «konstruktive Gesprächsergebnisse» mit einem Journalisten, der davon nicht das Geringste weiß? Wie nett. Und ihr wundert euch tatsächlich über den Streisand-Effekt und über den Shitstorm, der über euch herzieht? Ihr wart euch der Zustimmung eurer Fangemeine so sicher - und habt euch in der Ablehnung durch redliche Menschen, die so etwas verabscheuen, gründlich verschätzt. Jaja, das Löschen auf Facebook war schon eine Menge Arbeit, nicht wahr?

Ja, das ‘Mimimi’, das Verschwörungsgeraune lächerlichster Sorte von euch und einigen globuphilen Heulpraktikern haben wir mitbekommen. Der oft bewährte, doch nie redliche Versuch, die Rollen umzukehren. Spoiler-Alert: Ihr seid keine Opfer, ihr seid Täter!

Sind Methoden, Meinungsäußerungen justiziabel zu stellen, euer Mittel im Diskurs? Habt ihr keine anderen? Seid ihr tatsächlich so mutig, es auf eine Feststellung ankommen zu lassen, dass das, was euch stört, eine Tatsache ist? Wie passen solche rüden Methoden zum so gepflegen Image der ‘sanften’ Medizin?

Denn dieser vielleicht legale, aber keineswegs legitime, weil unredliche Ziele verfolgende juristische Einschüchterungsversuch ist kein sanftes, vielfältiges, heiter-buntes Friede-Freude-Eierkuchen-Trallala. Nein, es ist eine Attacke von hinten, ein Überfall, am Rande einer Nötigung! Und das ist deutlich bei uns angekommen. Ich unterstelle euch nicht einmal böse Absichten. Wirtschaftliche Interessen vernebeln schon mal den klaren Blick, besonders wenn sie dann auch noch mit Glaubenssystemen der «alternativen Medizin» eine Allianz eingehen. Empathie und Altruismus kommen dabei auch gern unter die Räder. Stichwort Ellenbogengesellschaft. Vielleicht schafft das auch evolutionäre Vorteile? Offen gesagt, wir alten, aussterbenden Hasen sind besorgt um diese Entwicklung in unserer Dreckwerfgesellschaft. Es macht uns keinen Spaß, wirklich nicht. Wir wurden schon oft von Egoistenpolonaisen und schwurbelintensiven Alternativdenkern ausgebremst. Doch wir stellen uns immer auf die Hinterbeine.

Im Ernst? Ihr vermutet hinter altruistischen Menschen, die sich aktiv für Wissenschaft und Vernunft einsetzen, tatsächlich eine bezahlte Kampagne der Pharma-Industrie, ja, noch mehr, die Spitze des Eisbergs einer weltweiten Verschwörung unermesslich reicher dunkler Hintermänner, die auf dem Weg über eine Handvoll skeptischer Kritiker die Welt aus den Angeln heben wollen? Wer hat euch denn diesen Riesenfloh ins Ohr gesetzt? Spoiler Alert: Ihr seid die Pharma-Industrie! Ihr habt die Kohle, die wirtschaftliche Macht und den Lobbyeinfluss auf die Politik! Ist das Auf-den-Kopf-Stellen der Verhältnisse vielleicht eine Projektion, eine Rechtfertigung der eigenen Haltung, oder wirklich simples Verschwörungsdenken?

Ausserdem habt ihr in eurer Euphorie der momentanen Selbstbestätigung eine Tatsache vergessen die vielleicht schwer nachvollziehbar ist: Es geht nicht um euch, es geht auch nicht um uns. Es geht um die Patienten. Und es geht schlicht darum, sie über Scheinmedizin endlich, endlich aufzuklären. Noch nicht mitbekommen? Wir pflegen kein Freund-Feind-Denken in geselliger Runde und bedienen uns auch nicht abgedrehter Konflikt- und Verschwörungsrhetorik. Wir wollen gar nichts von euch. Wir finden es sogar nach wie vor wichtig, euch menschlichen Grundrespekt entgegenzubringen. Verrückt, oder?

Der Gedanke, dass ihr mit dieser homersimpsonesken Strategie des Maulkorbweitwurfs wirklich Erfolge feiern könntet, scheint mir so absurd wie der Gedanke, dass der SSV Obermeitingen Deutscher Meister werden könnte. Müsstet ihr eigentlich schon selbst gemerkt haben. Doch in einer Zeit von Brexit und Donald Trump darf man nicht allzu viel voraussetzen. Q.e.d.

Natürlich könnt ihr machen, was ihr wollt — und das habt ihr in den vergangenen Jahrzehnten weidlich getan. Nur müsst ihr euch nicht wundern, wenn euch auch mal Gegenwind entgegenkommt. Wenn der vom atlantischen Hochdruckgebiet der Wahrheit getragen wird, ist es schwer, dagegen anzupusten, mit oder ohne Gesetzbuch. Auch die Dämonisierung des «Gegners» verfängt nicht, ein weiteres Mal: Q.e.d. (ja, ja, ihr habt das meiste gelöscht. Geschenkt, nur ein weiteres Eigentor).

Wenn es gerade zeitlich passt, schlagt doch mal das Wort ‘Altruismus’ bei Wikipedia nach (Seite 332) und werdet gewahr, dass es tatsächlich Menschen gibt, die aus Überzeugung und Verantwortung ein Päckchen auf sich nehmen und keine andere Motivation (aka Kohle) brauchen.

Je kräftiger ein Dummerang geworfen wird, desto sicherer kommt er auch wieder zurück.

Wir lassen uns nicht einschüchtern und klären weiter auf, wir sagen die Wahrheit nach bestem Wissen und Gewissen, es gibt genug offene Ohren dafür. Widerlegt uns in der Sache!

Seit über 200 Jahren scheitert die Homöopathie am Wirkungsnachweis - das soll nun durch einen Maulkorb gerettet werden, der verbieten soll, das öffentlich zu sagen? Nein, danke. Das mag Handeln in postfaktischen Zeiten sein, aber eben darum brauchen die Fakten Unterstützung und die bekommen sie. Von uns und vielen anderen Menschen.

Ich wünsche euch weiterhin erfolgreiche Fehlschläge und bin gespannt, was euch womöglich als Beitrag zur Selbstdemontage noch so einfällt.

Unherzlich, Sankt Johann, alter Hase.

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