Eine aktuell sachliche Pressemitteilung des Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster wirkt recht harmlos, sie weist aber auch auf ein Problem hin, dass man sich einmal näher betrachten sollte. Das Oberverwaltungsgericht hat mit Aktenzeichen 5 B 757/23 entschieden, dass der erneute Eilantrag der AfD, wonach dem Verfassungsschutzamt untersagt werden soll zu behaupten, die AfD sei ein Beobachtungsfall, weil verfassungswidrige Tendenzen vorliegen sollen, zurückzuweisen ist. Die jetzt vorliegende Entscheidung ist formal in keiner Weise zu beanstanden. Bei dem erneut gestellten Antrag der AfD ging es um die Frage, ob die Behauptung des Verfassungsschutzamtes bezüglich der AfD zulässig sei. Diese Frage wird aber in dem zu erwartenden Hauptsache-Termin entschieden und kann somit nicht im Rahmen eines Eilbeschlusses entschieden werden. Und dieser Termin wird eines Tages stattfinden, nur weiß keiner wann. Das Gericht verwies auf den bereits vorliegenden Eilantrag der AfD, der im März 2022 gestellt wurde und der seinerzeit abgelehnt wurde.
Das eigentliche Problem wird dadurch aber in keiner Weise auch nur annähernd betrachtet. Die jetzt gestellten Anträge der AfD sind die Reaktion auf eine bereits vorliegende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln, dass in seinem Beschluss feststellte, dass die AfD als Beobachtungsfall geführt werden darf. Das Vorgehen gegen diese Entscheidung eines Beschlusses in der ersten Instanz wird jetzt offensichtlich zeitlich so verzögert, so dass bei einer Entscheidung irgendwann einmal diese Entscheidung irrelevant sein wird. Zwischenzeitlich haben mehrere Wahlen stattgefunden, bei der Behauptungen aufgestellt werden konnten, die nach Auffassung der AfD nicht zutreffen. Damit wird - man könnte zu dem Eindruck kommen, dass dies vorsätzlich erfolgt - dem politischen Mitbewerbern der AfD die Möglichkeit einer negativen Propaganda gegeben, so dass die AfD in ihren Chancen von den Bürgern gewählt zu werden, behindert wird.

Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass erste Instanzen der Gerichte nicht immer Urteile und Beschlüsse fällen, die rechtlich bestandsfähig sind und die oft genug von den jeweiligen Obergerichten kassiert werden. Der Gesetzgeber hat jedem Bürger und auch jeder juristischen Person (Vereine, Parteien, Firmen etc.) das Recht gegeben, gegen Entscheidungen von Gerichten vorzugehen. Wenn dieses Recht jedoch durch das Nichtentscheiden über einen langen Zeitraum mehr oder weniger eingeschränkt, teilweise durch Zeitablauf auch ad absurdum geführt wird, dann ist eine solche Entwicklung mehr als problematisch. Einerseits bedeutet dies, dass die Durchsetzung eines Rechts verhindert, aber mindestens erheblich erschwert wird, anderseits aber zu einem erheblichen Vertrauensbruch gegenüber dem Staat führen muss. Dieser Vertrauensbruch führt zu einer zunehmenden Staatsverdrossenheit. Wenn die Bürger den Eindruck bekommen müssen, dass sie gar keine Chance haben, rechtliches Gehör zu finden, dann zeigt dies, dass die angeblichen Grundrechte des Bürgers nur auf dem Papier stehen, aber in keiner Weise relevant sind.
Bereits viele der gerichtlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der sogenannten Coronapandemie wurden erst dann getroffen, als Corona gar kein gesellschaftliches Thema mehr gewesen ist.

Der Bürger kann jetzt nur noch wahrnehmen, dass Verwaltungsbehörden sich wie Obergerichte aufführen. Die Landesämter für den Verfassungsschutz sowie das Bundesamt für den Verfassungsschutz geben hier ein Negativbeispiel ab. Sie verhalten sich so, als wenn sie Behörden seien, die verbindlich darüber entscheiden können, was verfassungsfeindlich ist und was ihrer Meinung nach den Umfang des Sagbaren nicht überschreitet. Sie maßen sich damit eine Stellung an, die ihr in keiner Weise zukommt. Aber auch hier könnte man sagen, was soll es, wenn ein Behördenchef nicht mehr seine eigenen Grenzen kennt, dann ist das seine Sache. Was diese Herrschaften aber übersehen oder vielleicht sogar billigend in Kauf nehmen, ist die Demontage der Demokratie, weil der Bürger jegliches Vertrauen in ein solches Gebaren verliert. Das Verhalten eines Behördenchefs des Bundesamtes für Verfassungsschutz wird dann von den Bürgern als ein Zeichen gesehen, wie man sich nicht mehr um die Trennung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative schert und herumfuhrwerkt, als wenn es legitim sei, wenn die Verwaltung bestimmt, was der Bürger zu tun hat.

Die Gerichte könnten hier ein deutliches Signal setzen, indem sie zumindest zeitnah über Angelegenheiten entscheidet, die die Bürger heute beschwert und nicht erst dann, wenn die normative Kraft des Faktischen durch Zeitablauf die Richtung bereits bestimmt hat. Wenn alle Landtagswahlen gelaufen sind, braucht es auch keine Entscheidung mehr über eine mögliche Verfassungswidrigkeit der AfD zu treffen. Eine solche Entscheidung interessiert dann keinen Bürger mehr und dürfte absolut irrelevant sein.

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