Dieser Artikel erschien ursprünglich auf medium.com.

Über Barcodes sind viele Mythen in Umlauf, der Spiegel brachte vor ein paar Jahren ein Video dazu. Hauptsächlich fallen die Mythen in zwei Kategorien:

  • Barcodes sind “Antennen”, die schädliche “Energien” ausstrahlen, und entstört werden müssen (zum Beispiel mit einem Querstrich).
  • In Barcodes ist die Zahl 666 versteckt.

Schauen wir uns doch einmal an, was Barcodes sind, wie sie funktionieren und was dann noch von den Mythen übrig bleibt.

Das Wichtigste zuerst: Barcodes sind nur Farbe auf der Verpackung. Genauer gesagt: Sie sind eine spezielle, maschinenlesbare Schrift. Barcodes müssen daher genauso wenig entstört werden wie Buchstaben. Es  ist noch nicht einmal eine Spezialfarbe für Barcodes nötig, man kann  Barcodes mit einem normalen Drucker ausdrucken und sie sind problemlos  lesbar. Probiert es ruhig mal aus, es gibt Apps, mit denen euer  Smarphone zum Barcodeleser wird.

Barcodes  sind also keine Antennen, strahlen keine Energien aus und was man sonst  noch an Unfug hört. Man hat den Eindruck, dass die Verbreiter dieser  Verschwörungstheorien Barcodes vielleicht mit RFID-Tags verwechseln. Zu  RFID-Tags gibt es echte Datenschutzbedenken, aber auch über diese wird  jede Menge Unsinn verbreitet. Es würde jetzt zu weit führen, auch  RFID-Tags zu besprechen, aber es genügt wohl zu sagen, dass jemand, der  Barcodes und RFID-Tags nicht unterscheiden kann, vermutlich von beidem  wenig Ahnung hat. Entstörstifte, Orgonbretter für über 1000 Euro und  andere Produkte, die angeblich Barcodes entstören sollen, bewirken gar nichts und sind nichts als Abzocke.

Einige  Unternehmen “entstören” ihre Barcodes gleich selbst. Natürlich glauben  diese Hersteller nicht an eine Verschwörung, sie setzen Barcodes ja  alltäglich in ihrer Produktion ein und wissen genau, was wirklich hinter  dieser Technologie steckt. Die Überlegung dieser Hersteller ist  offenbar: “Für uns kein großer Aufwand und wir gewinnen ein paar  abergläubische Kunden dazu.” Diesen Herstellern kann man also nicht  zugute halten, dass sie nur ahnungslos und abergläubisch sind, denen  geht es um das Geschäft. (Falls ihr solche ab Werk entstörte Barcodes  entdeckt, der Deutsche Konsumentenbund freut sich über Bilder: https://www.konsumentenbund.de/index/esoterik-lebenshilfe/entstoerter-barcode/)

Die  meisten Barcodes, denen man im Alltag begegnet, sind sogenannte EAN-13-Barcodes. Sie codieren eine dreizehnstellige, weltweit eindeutige  Artikelnummer, und zwar dieselbe Nummer, die unten drunter steht. Die  ersten paar Ziffern sind ein Ländercode (Deutschland hat 40 bis 44,  Österreich 90 und 91 und die Schweiz 76), dann folgen ein paar Ziffern,  die den Hersteller kennzeichnen und von nationalen Organisationen  vergeben werden und schließlich noch ein paar vom Hersteller vergebene  Ziffern. Die 13. Ziffer schließlich ist eine Prüfziffer, die vor  Zahlendrehern und anderen Fehlern schützen soll. Man berechnet sie,  indem man die ersten zwölf Ziffern abwechselnd mit 1 und 3 multipliziert  und die Produkte zusammenzählt. Die Prüfziffer ist dann die Differenz  zur nächsten, durch 10 teilbaren Zahl.

Im  Barcode selbst sind die letzten zwölf Ziffern codiert, dabei ist jede Ziffer sieben Einheiten breit mit zwei Strichen und zwei Lücken unterschiedlicher Breite. Die Ziffern werden in der linken und der rechten Hälfte unterschiedlich codiert. Auf der linken Seite gibt es für jede Ziffer sogar zwei verschiedene Codierungen und je nachdem, wie sich diese Codierungen abwechseln, kann daraus die fehlende Ziffer ermittelt werden. (Dass das so umständlich ist, hat hauptsächlich damit zu tun, dass es einen älteren Standard mit zwölfstelligen Artikelnnummern gibt, zu dem man kompatibel bleiben wollte.) Wer an den  genauen Details interessiert ist, findet sie hier: http://www.barcodeisland.com/ean13.phtml

Diese  Barcodes haben dazu noch links, rechts und in der Mitte je zwei verlängerte Striche und es geht das Gerücht um, diese würden die Zahl 666 symbolisieren. Tatsächlich symbolisieren sie … gar nichts! Es sind nur Hilfslinien für das Lesegerät. Die Verbreiter der Verschwörungstheorie verbreiten gerne Bilder von Barcodes, auf denen man sieht, dass die Ziffer 6 durch zwei schmale Striche symbolisiert wird, also sollen die Hilfslinien 666 bedeuten. Aber wie wir gerade gesehen haben, werden die Ziffern links und rechts unterschiedlich codiert und sind sieben Einheiten breit. Für die Ziffer 6 gibt es folgende drei Codierungen:

  • Lücke, Strich, Lücke, Strich×4 (links A)
  • Lücke×4, Strich, Lücke, Strich (links B)
  • Strich, Lücke, Strich, Lücke×4 (rechts)

Nur  zwei der drei Codierungen enthalten also überhaupt zwei schmale Striche  und die Lücken werden von den Panikmachern vollkommen ignoriert. Es ist also nicht so einfach, wie es die Verschwörungstheoretiker darstellen. Zwei schmale Striche stehen nicht automatisch für die Ziffer 6 und die Hilfslinien sind gar kein Bestandteil der Artikelnummer.

Welches  Fazit ziehen wir jetzt daraus? Für mich sind Barcodemythen ein Symptom eines tieferliegenden Problems: Im Bereich der Esoterik und des religiösen Fundamentalismus haben sich Subkulturen entwickelt, in denen wissenschaftlich-technischer Analphabetismus gepflegt wird und man auch noch stolz darauf ist. Es fühlt sich antielitär an, man hat das Gefühl, zu den wenigen Auserwählten zu gehören, die alles durchschaut haben. Wir  als Skeptiker müssen aufzeigen, dass Ahnungslosigkeit keine Lösung in einer immer mehr von Wissenschaft und Technik geprägten Welt ist, dass es nützlich ist, ein solides Grundwissen zu erwerben und dass die Beschäftigung mit Wissenschaft und Technik sogar Spaß machen kann.

Ich persönlich mag ja Barcodes. Mir gefallen Low-Tech-Lösungen, die mit geringem Aufwand ihren Zweck erfüllen. Wie oben schon gesagt, kann man Barcodes mit jedem Drucker ausdrucken und mit einer Smartphoneapp scannen. Es gibt auch günstige Barcodeleser mit USB-Anschluss, die man an einen Computer anschließt und die für das Betriebssystem wie Tastaturen aussehen. Jedes noch so kleine Unternehmen kann diese Technologie mit geringem Aufwand für seine Zwecke nutzen.

Gerade weil es so einfach und low-tech ist, bin ich mir sicher, dass viele Menschen die Barcodetechnologie grundsätzlich verstehen können (wenn  auch nicht in jedem Detail), erkennen können, dass diese Technologie vollkommen banal ist, und daraus die Lehre ziehen können, dass man bei Panikmache im Internet skeptisch sein sollte. Ich hoffe, dass euch  dieser Artikel trotz des trockenen Themas gefallen hat und ihr  vielleicht etwas Neues gelernt habt. Vielleicht habt ihr ja Freundinnen oder Freunde, die von Barcode-Panikmachern im Internet verunsichert wurden, dann hilft euch dieser Artikel vielleicht, Missverständnisse aufzuklären.