„Geht Deutschland das Trinkwasser aus?“ So lautete eine der kürzlich in den Medien aufgeworfenen Fragen. Grund für die Meldungen sind immer wieder Vorfälle mit mangelndem Trinkwasser in deutschen Kommunen. Gerade im Jahr 2020 gab es hier einige Vorfälle, so verfügte die Gemeinde Lauenau in Niedersachsen kurzzeitig nicht mehr über ausreichend Trinkwasser. Alle Trinkwasserspeicher der Kommune waren leer. Dabei war die Gemeinde Lauenau kein Einzelfall. Auch in Nieder-Beerbach in Hessen gab es kein Trinkwasser mehr und in zahlreichen Gemeinden und Städten, wie Simmern-Rheinböllen, drohten Engpässe. Aus diesem Grund wurde die Bevölkerung zur sparsamen Nutzung von Trinkwasser aufgerufen. Auch in Großstädten wurden Maßnahmen ergriffen, wie das Wasserentnahmeverbot bis September 2020 in Potsdam. Verstöße werden mit Geldbußen von bis zu 50.000 Euro geahndet.
Niederschlag geht verloren
Der Grund für diese Entwicklungen ist schnell ausfindig gemacht, wenn man sich den sogenannten Dürremonitor des Umweltforschungszentrums Helmholtz ansieht. Die heißen Sommer der letzten Jahre haben gravierende Folgen für Deutschland. Die Böden sind bis in tiefe Schichten ausgedörrt. Kaum Abhilfe schaffen der Winter oder die Regenfälle über das Jahr. Im Jahr beträgt die Niederschlagsmenge in Deutschland durchschnittlich rund 700 Liter pro Quadratmeter, 2019 waren es 730 Liter pro Quadratmeter. Schaut man sich die Niederschlagsmenge im Detail an, lässt sich feststellen, dass es kaum einen Rückgang bei den Niederschlagsmengen gab. 2020 stellte der Monat Februar mit durchschnittlich 125 Liter Niederschlagsmenge pro Quadratmeter sogar einen Rekord auf: Es war der zweit-nasseste Monat seit 1881. Diese Niederschlagsmenge führt jedoch zu einem großes Problem: die Verteilung der Menge. Früher teilte sich die Niederschlagsmenge auf einen langen Zeitraum über das Jahr auf, heute fallen große Niederschlagsmengen in relativ kurzer Zeit. Diese Verschiebung hat zur Folge, dass die Böden in Deutschland kaum noch in der Lage sind, das Wasser aus dem Niederschlag aufnehmen zu können. Selbst bei einer Überflutung kommt es nicht zu einem Eintritt vom Wasser in tiefere Bodenschichten. Zu diesem Problem trägt auch die zunehmende Bodenversiegelung von Flächen, die ein Versickern des Wassers verhindert, bei. Die Folge ist, dass sich die Trinkwasserspeicher nicht mehr vollständig füllen können.
All dies führt letztlich dazu, dass der Niederschlag unter anderem durch Ablauf in Flüsse verloren geht. Viele Flüsse in Deutschland sind zudem zu Wasserstraßen ausgebaut. Dies hat zur Folge, dass das Wasser entsprechend schnell fließt. Die schnelle Fließgeschwindigkeit verhindert, dass Wasser richtig in den Boden eindringen kann. Dadurch kann derzeit nur ein Bruchteil von 12,8 Prozent der Niederschlagsmenge genutzt werden.
Wenn von einer drohenden Trinkwassernot die Rede ist, könnte angenommen werden, dass auch der Verbrauch von Trinkwasser angestiegen ist. Jedoch ist das Gegenteil der Fall. Laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit liegt der tägliche Wasserverbrauch pro Bundesbürger zwischen 120 und 123 Litern. Vor gut zwanzig Jahren lag der Wasserverbrauch pro Bundesbürger noch bei rund 147 Litern. Wenngleich sich der Wasserverbrauch reduziert hat, sieht das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit noch weiteres Einsparpotenzial. Wie die Entwicklung des Trinkwasserverbrauchs in Deutschland insgesamt zeigt, wird einer möglichen Notsituation nicht ausschließlich mit Sparmaßnahmen begegnet werden können. Wäre dem so, dürfte es oben beschriebenen Fälle in Deutschland nicht geben.
Kommunen und Bevölkerungsschutz müssen planen
Die Auswirkungen der Veränderungen des Klimas sind bereits heute erkennbar. Wälder, die austrocknen, zunehmende Wald- und Flächenbrände, Gemeinden und Städte, denen es an Wasser fehlt oder Flüsse, die kaum Wasser führen. Das gilt selbst für Ströme wie den Rhein. 2018 führte der Rhein in den Sommermonaten nur wenig, sogenanntes Niedrigwasser. Das hatte zur Folge, dass der Rhein nur eingeschränkt von der Wirtschaft für den Transport von Waren und Güter genutzt werden konnte. Die Folgen zeigen sich am Beispiel der BASF in Ludwigshafen. So musste die BASF aufgrund des Niedrigwassers nicht nur die Produktion einschränken, da es an einer ausreichenden Menge Kühlwasser fehlte. Auch mangelte es an rund 10.000 Tonnen Rohstoffe pro Tag, die sonst über den Rhein angeliefert werden. Insgesamt verzeichnete die BASF einen Schaden von rund 250 Millionen Euro durch Produktionsverlust und Zusatzkosten für Logistik, da der Rhein als Transportweg nicht mehr vollständig zur Verfügung stand.
An solchen Beispielen zeigt sich die Vielschichtigkeit der Thematik, auf die reagiert werden muss. Sparverordnungen des Trinkwassers können hierbei nur ein Aspekt und keine langfristige Lösung sein. Vielmehr wird es notwendig sein, sich Gedanken zur Aufforstung von Wäldern zu machen, die besser mit Hitze und trockenen Böden umgehen können. Aber auch Fragen der Entsiegelung von Bodenflächen, dem Umgang mit Wasserstraßen und vor allem dem besseren Auffangen von Niederschlag werden zu thematisieren sein. Ebenso die Art der Landwirtschaft. Dort lauert eine ganz andere Problematik: Die Verunreinigung von Trinkwasser mit Nitrat.
Die Frage des Trinkwassers wird sich auch auf den Bevölkerungsschutz auswirken. In Gemeinden wie Lauenau musste nach dem Ausfall der Trinkwasserversorgung die Bevölkerung mit Wasser aus Löschfahrzeugen der Feuerwehr versorgt werden. Was in kleinen Gemeinden mit einem überschaubaren Aufwand umsetzbar ist, wird in größeren Gemeinden und Städten oder gar ganzen Regionen schon deutlich schwieriger sein. Es werden sich alle Akteure im Bevölkerungsschutz, von Feuerwehr über THW bis Rettungsdienste Gedanken machen müssen, wie man hier auf entsprechende Notlagen reagieren kann. Nicht nur für den Bezug von Trinkwasser, sondern auch den Transport und die Verteilung in der Bevölkerung. Der letzte Punkt erfordert insbesondere technische Lösungen für die Abgabe des Wassers. Schließlich kann Wasser nicht einfach in ein Löschfahrzeug gefüllt und dann als Trinkwasser verteilt werden. Es sind entsprechende Vorbereitungen notwendig, um ein Löschfahrzeug für den Transport einsetzen zu können. Das zeigte sich auch in Lauenau. Die Feuerwehren konnten dort nur Brauchwasser, unter anderem für die Toilette, aus den Löschfahrzeugen an die Bevölkerung abgeben. Trinkwasser musste sich die Bevölkerung im Einzelhandel kaufen. Ein Vorbild ist diese Lösung nicht, da sie diverse Konflikte mit sich bringt. Sei es die ausreichende und kurzfristige Verfügbarkeit von Trinkwasser im Einzelhandel, der Zugang zum Kauf von Trinkwasser (Sonn- und Feiertage), die körperliche Konstitution (Senioren, Kranke etc.) oder auch soziale Aspekte, wie ausreichend finanzielle Mittel.
Trinkwasser und Kritische Infrastruktur
Wenn es um kritische Infrastruktur (z.B. in Krankenhäusern) geht, beschränkt sich die Notfallplanung meist auf naheliegendere Ereignisse, wie z.B. Stromausfall/Blackout. Der Ausfall der Trinkwasserversorgung ist kaum im Fokus. Dabei ist die Trinkwasserversorgung für kritische Infrastrukturen genauso unerlässlich wie die Stromversorgung. Während auf das Szenario eines Stromausfalls mit Notstromgeneratoren und der Bevorratung von Kraftstoffen relativ einfach reagiert werden kann, ergeben sich bei der Sicherstellung der Trinkwasserversorgung eine Vielzahl an Fragen. Einfache Lösungen sind auf den ersten Blick nicht erkennbar. Mögliche Lösungen sind seit Mai 2020 Gegenstand eines Forschungsprojekts mit dem Titel „NOWATER“ vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (NOWATER = "NOtfallvorsorgeplanung der WAsserver- und -entsorgung von Einrichtungen des Gesundheitswesens – organisatorische und Technische Lösungsstrategien zur Erhöhung der Resilienz"). Das Forschungsvorhaben geht über einen Zeitraum von drei Jahren und hat zum Ziel, Lösungswege aufzuzeigen und durch einen Leitfaden zu vermitteln.
Trinkwasser und Brandschutz
Die Verfügbarkeit von Trinkwasser spielt auch beim Brandschutz eine Rolle. Die Feuerwehren beziehen das Löschwasser über Hydranten aus dem Trinkwasser-Leitungsnetz. Durch einen Mangel an Trinkwasser entsteht ein Mangel an Löschwasser. Sowohl Feuerwehren, als auch Akteuren im Vorbeugenden Brandschutz stellt sich daher die Frage, welche langfristigen Möglichkeiten sich für die Sicherstellung von Löschwasser anbieten. Das könnten bei gewerblichen Bauten Löschwasserbehälter sein, in denen das Löschwasser entsprechend bevorratet wird, was für Unternehmen jedoch mit Aufwand hinsichtlich der technischen Umsetzung verbunden ist und nicht unerhebliche Kosten für Löschwasserbehälter und Installation anfallen lässt. Ergänzend gibt es die Möglichkeit des Mitführens von Löschwasser der Feuerwehren. Beispielhaft genannt sei der Transport von großen Löschwassermengen von 10.000 Litern und mehr über Abrollbehälter-Löschwasser oder Tankfahrzeuge. Vereinzelt kam es bereits zu entsprechenden Beschaffungen für Feuerwehren, wie im Lahn-Dill Kreis.
Herausforderung für Kommunen, Städteplaner und Bevölkerungsschutz
Die Frage der Trinkwasserversorgung ist eine Herausforderung für Kommunen, Städteplaner und den Bevölkerungsschutz. Die Trinkwasserversorgung im Zusammenhang mit den Klimaveränderungen ist dabei nur ein Aspekt. Wie vielschichtig und komplex das Thema ist, zeigt sich immer wieder an lang anhaltenden Hitzeperioden in den Sommermonaten.
In Großstädten sind im Vergleich zur lockeren Bebauung in kleinen Kommunen oder auf dem Land oftmals Temperaturunterschiede von bis zu 10 Grad möglich. Großstädte gleichen im Sommer vielerorts Glutöfen. Aufgrund von mangelndem Wohnraum wird die Bebauung häufig noch nachverdichtet, um Wohnkapazitäten zu schaffen Damit wird man den Glutofen-Effekt noch weiter verschärfen. Die damit einhergehende Verschärfung des Problems kann nicht durch den oftmals nur punktuellen Einsatz von „Grün“ ausgeglichen werden. Schon heute ist erkennbar, dass für Kommunen, Planer und den Bevölkerungsschutz damit gravierende Probleme und Aufgaben einhergehen.
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