Die Debatte um eine Reform der wissenschaftlichen Personalkategorien wird zur Zeit heiß geführt. Soll man – wie es für einige das neue Berliner Hochschulgesetz nahezulegen scheint – allen Promovierten sofort eine unbefristete Stelle anbieten? Oder soll es Übergangsphasen von einem Jahr bzw. einen Tenure Track von sechs Jahren geben? All diese Modelle haben ihre Vor- und Nachteile. Sieht man die Diskussionsbeträge durch, fällt aber ein Argumentationsmuster auf, das bislang unhinterfragt geblieben zu sein scheint und sich daher still und leise weiter fortsetzt: Es wird nämlich häufig so argumentiert, als sei die Befristung (mit oder ohne Tenure Track) selbstverständlich die zwingende Voraussetzung für die wissenschaftliche Qualifikation hin zu einer Professur oder manchmal auch anderen Dauerstelle.
Rechtlich ist es dank Wissenschaftszeitvertragsgesetz eigentlich ja umgekehrt: Qualifikation erlaubt eine großzügigere Befristung, als sie im Teilzeit- und Befristungsgesetz zulässig wäre. Daraus nun scheint man implizit oft abzuleiten, dass Menschen, die unbefristet beschäftigt sind, sich nicht (mehr) für Professuren qualifizieren können oder gar dürfen. Dass dies in der Praxis tatsächlich nicht selten so ist, hängt indes wesentlich mit den Stellentypen zusammen, die hier zur Verfügung stehen: Die Tendenz der letzten Jahre geht klar zum Hochdeputat von 16 oder mehr Semesterwochenstunden (SWS), die für sich genommen oft schon die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschreiten lassen und sicherlich keinen Raum mehr für eigene Forschungsarbeiten bieten.
Es ist aber kein Naturgesetz, dass Menschen, die keine Professur auf Lebenszeit innehaben, entweder befristet sein müssen oder Stellen haben, die ihnen eigenständige Forschung nicht bzw. kaum erlauben, und die insofern eine Weiterqualifikation, wie sie zu einer Professur führen könnte, ausschließen. Dies ergibt sich einzig und allein aus den Auffassungen und Überzeugungen derer, die derartige Stellenprofile konzipieren.
Der Fehler liegt im kategorialen Ausschluss der Vereinbarkeit von wissenschaftlicher Qualifikation und Entfristung. Aber warum lassen sich diese beiden Kategorien so schwer zusammen denken? Vermutlich deshalb, weil entfristet angestellte Wissenschaftler*innen, die mit eigenständigem Profil forschen, die Frage aufwerfen, wie ihre Stellen von den Aufgaben einer Professur abzugrenzen sind. Die Professur aber soll ihren Status als Ziel- und Endpunkt einer wissenschaftlichen Karriere nicht verlieren. Sie soll das ‚Besondere‘ bleiben, der Punkt, an dem man erst alle Privilegien erhält und vollends in die wissenschaftliche Community aufgenommen wird. Solange diese Denkweise vorherrscht und bewusst oder unbewusst die Argumentation bestimmt, werden sämtliche Reformvorschläge ins Leere laufen und nur alten Wein in neue Schläuche gießen. Der angestrebte Kulturwandel ist zuallererst etwas, was in den Köpfen passieren muss: Die Art und Weise, wie Wissenschaft gegenwärtig funktioniert und wie sich das in ihrem Personal abbildet, ist grundsätzlich zu hinterfragen und neu zu gestalten.
Dabei muss man gar nicht soweit gehen, die Professur abschaffen zu wollen. Ohnehin übernehmen Professor*innen heute eine Menge an Aufgaben, für die sie in ihrer wissenschaftlichen Laufbahn gar nicht ausgebildet worden sind, namentlich hinsichtlich Verwaltung und Personalführung. Es spricht also einiges dafür, eine wissenschaftliche Leitungsebene beizubehalten und auf diese Posten Personen zu setzen, die nicht nur entsprechende Fähigkeiten, sondern überhaupt erst ein hinreichendes Interesse an Leitungsaufgaben (nicht einzig an Forschung und eventuell Lehre) mitbringen. Nur dann werden diese Aufgaben nicht nur als lästige zusätzliche Pflicht empfunden, was im Sinne der Beschäftigten sein dürfte, deren Vorgesetzte die betreffenden Personen sind.
Wie auch immer man die Professur konzipiert (hier wird es auch einige fachspezifische Unterschiede geben): Sinnvoll ist vorher ein flexibleres Stellenmodell, das freilich eine Reform des Kapazitätsrechts voraussetzt. Man kann Wissenschaftler*innen mit Promotion durchaus unbefristet anstellen, ohne jegliche Weiterqualifikation zu blockieren. Denkbar wäre etwa, dass Menschen, die sich nach der Promotion für eine Professur weiterqualifizieren wollen, für eine bestimmte Zeit – etwa die häufig genannten sechs Jahre – ihr Lehrdeputat reduzieren können, um Raum für diese Aufgaben zu haben. Ist die Qualifikation nicht erfolgreich, kehren sie danach auf ihr ‚normales‘ höheres Lehrdeputat zurück und gehen der Wissenschaft somit auch dann nicht verloren, wenn sie keine Professur erhalten. Ähnlich könnte man überhaupt unterschiedliche Stellenschwerpunkte setzen, die nicht nur das Verhältnis von Forschung und Lehre, sondern auch weitere Aufgaben wie Wissenschaftskommunikation oder ähnliches betreffen können. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang jedoch, nicht wie bisher die Stellen entsprechend so zu definieren, dass immer ein bestimmter prozentualer Anteil von Lehre, Forschung, Wissenschaftskommunikation, Verwaltung etc. gemacht werden muss. Denn dann hängt jede Anpassung an neue Entwicklungen davon ab, neue bzw. andere Stellen zu schaffen, womit in der Regel das Personal wechseln muss. (Das ist die Grundlage der Behauptung, dass Innovation zwingend Personalfluktuation braucht.) Vielmehr sollten hier individuelle Anpassungen möglich sein – und zwar während einer bestehenden Vertragslaufzeit. Eine Person könnte beispielsweise so mit einem Lehrdeputation von 12 SWS nach der Promotion einsteigen, dann sechs Jahre auf 4 SWS reduzieren, um zu forschen, und schließlich bei 8 SWS schwerpunktmäßig Wissenschaftskommunikation machen.
Auf diese Weise wäre eine echte Personalreform in der Wissenschaft möglich, die freilich viele gesetzliche und sonstige Änderungen voraussetzt. Die zentrale Voraussetzung für diese ist aber, dass wir zunächst in der Lage sind, solche flexiblen Modelle überhaupt zu denken. Sie müssen vorstellbar werden, was die Aufgabe der bisherigen Prämissen (wie der Einheit von Qualifikation und Befristung) notwendig macht. Erforderlich ist dieser Schritt dringend, denn nur dann können Menschen sich weiterentwickeln und neue Schwerpunkte setzen, ohne dass gleich ihre gesamte Existenz auf dem Spiel steht. Und wichtig: Nur dann ist auch Wissenschaft zukunftsfähig und in der Lage, auf neue Aufgaben wirklich flexibel und (nicht mit Personalwechsel) zu reagieren.