Prinz Charles von Wales hat eine für viele Menschen noch unbekannte Seite. Seine Lobbyarbeit für Homöopathie und andere angebliche alternative Heilmethoden sind hierzulande kaum bekannt und selbst in Großbritannien ist die Wirkung oft unterschätzt. Welchen Einfluss Charles ausübt und wie gefährlich einige Methoden sein können, zeigt Edzard Ernst in seinem neuen Buch auf.

Eine Buchkritik von @OBIausHV

Vieles wurde schon über Charles, den Prinz von Wales geschrieben. Oft handelten diese Werke über seine Eskapaden, seine gescheiterte Ehe mit Diana, sein Verhältnis zur Queen oder einfach nur über Tratsch. Wer den Prinzen schon länger intensiv beobachtet oder den Arzt Edzard Ernst kennt, weiß eben auch von der "alternativen Seite" des Thronfolgers.

Wer ist Edzard Ernst?
Ernst ist emeritierter Professor für Alternativmedizin in Großbritannien und war der erste Lehrstuhlinhaber auf diesem Gebiet. Er wurde 1948 im deutschen Wiesbaden geboren und studierte hierzulande. Seit 1999 besitzt er zudem die britische Staatsbürgerschaft. Neben der Forschung war Ernst für einige Publikationen als Autor tätig und veröffentlichte unter anderem in der Tageszeitung "Guardian" über 50 Beiträge, in welchen er seine Kritik gegenüber der sogenannten "Alternativmedizin" darlegte und dies mit der evidenzbasierten Medizin begründete.

Über eben diese andere Seite des Prinzen schrieb Ernst das Buch: "Charles, The Alternative Prince". Im Grunde genommen hat die gesamte Königsfamilie einen gewissen Hang zum Schwurbel, was auch kein Wunder ist. Die Queen selbst ist Schirmherrin des "Royal Homoeopathic Hospital", aber im Vergleich zum Sohn macht die Majestät eben keine direkte Werbung für die angeblichen Alternativen oder betätigt sich als emsige Lobbybiene.

Das Buch selbst orientiert sich dabei nicht so stark am Werdegang der Zeit, den es lässt sich eher in einzelne Bereiche zerlegen und zeigt die Äußerungen des Prinzen zu den jeweiligen Themen gut auf. Für die deutschen Leser*innen gibt es aktuell nur das Problem mit dem sprachlichen Hindernis, denn das Buch selbst ist in englischer Sprache verfasst. Der größte Kritikpunkt liegt für einige Lesende aber eher in der Aktualität oder Bedeutung des Buches begraben. Manche fragen gar nach dem Sinn oder der Relevanz. Bei deutschen Leser*innen mag diese Frage durchaus aufkommen, auch wenn ich diese Betrachtungsweise nicht nachvollziehen kann.

Charles und seine Familie gehören zu den prominentesten Förderern der Homöopathie und anderer fragwürdiger Methoden. Aus der kontinentalen Sicht könnte es uns vielleicht egal sein, was die britischen Monarchen so treiben, nur für einige Anhänger stellt der Einsatz für diese Methoden gar eine Form der Adelung dar. Der Gedanke dahinter ist für die evidenzbasierte Medizin wohl zu abwegig, doch im Grunde ist es sehr einfach: "Was für die Königsfamilie gut ist, das muss für mich auch gut sein." Bei dieser einfachen Überlegung spielt es auch keine Rolle, ob der Prinz oder die Familie Ahnung von der Materie haben oder nicht. Für einige Briten mag noch der gewisse royale Faktor dazukommen.

Edzard Ernst hat dies Buch eben nicht für den harten Kern der royalen Bewunderer geschrieben, sondern für die Aufklärung. Die Lobbyarbeit des Prinzen wurde im Werk genau seziert und liegt damit so offen dar, wie es in noch keinem Einzelwerk bisher geschehen ist. Wer mit der Arbeit von Ernst stark vertraut ist, für den mögen viele Dinge nicht mehr völlig neu sein, doch für alle anderen stellt dies Buch eine Sammlung der Fakten bereit. Es zeigt die angepriesenen Methoden auf, was Charles dazu sagte und wie die evidenzbasierte Medizin darüber urteilt - auch die möglichen Gefahren jener Methoden werden dabei aufgezeigt. Wie man es von einem Arzt und emeritierten Professor erwarten kann, sind die Quellennachweise durchaus etwas umfangreicher geraten.
Das Buch mag für den deutschen Durchschnittsverbrauchenden eventuell etwas zu intensiv sein, aber mit gutem Schulenglisch und im Zweifel auch mit der Hilfe einer Übersetzungssoftware lässt sich der größte Teil des Inhaltes verstehen.

Wäre ich nun in England, so würde ich das Buch für jene empfehlen, welche sich noch nicht groß mit dieser "alternativen Seite" des Prinzen von Wales beschäftigt haben. Eine weitere Empfehlung gebe es für Menschen, die sich bisher noch nicht mit den angeblichen alternativen Heilmethoden beschäftigt haben. Das Buch mag dabei kein fesselndes Erlebnis à la Stephen King sein, doch welches eher sachlich gerichtete Buch ist dies schon? Ernst verlor sich beim Schreiben jedoch nicht in ewigen Erklärungen und so ist es geballtes Wissen in kompakter Form.

Zwischen Ernst und dem Prinzen schwillt schon länger eine Art von Fehde, doch im Buch gibt es keine kruden Beschimpfungen oder derlei. Wer bei diesem Werk einen gewissen Unterhaltungswert sucht, muss leider vertröstet werden, denn in erster Linie stellt das Buch "Charles, The Alternative Prince" eine Art von Sachbuch dar. Es ist gut geschrieben und lässt sich mit gutem englischem Tee hervorragend lesen. Wer sich nur für einzelne Aspekte interessiert, findet sich durch die Kapitalstruktur leicht zurecht.

Fazit

Am Ende bleibt sich Edzard Ernst als Wissenschaftler treu und schuf mit dem etwa 200 Seiten starken Buch ein starkes und grundsolides Werk, welches sich an den Fakten orientiert, das Wirken der royalen Lobbyarbeit des Prinzen aufzeigt und über die Gefahren der einzelnen alternativen Methoden aufklärt. Bisher wurde ein solch geballtes Einzelwerk noch nicht veröffentlicht und dies dürfte dem Prinzen wohl eher weniger gefallen. Dem Autor geht es dabei nicht um eine Form des "Nachtretens", sondern um die Aufklärung der Menschen über die starke Lobbyarbeit und wie Charles seine royale Position dafür ausnutzt.

Es bleibt zu hoffen, dass sich noch ein deutscher Verlag findet, denn ein solches Werk hat auch eine gewisse Relevanz für den deutschen Markt. Auch hierzulande gibt es Fans des britischen Königshauses und wer regelmäßig einen Blick auf die Schmutzgazetten wirft, dürfte auch hier eine werbliche Wirkung für das homöopathische Geschwurbel feststellen. Ein Prinz der Homöopathie bewirbt, dies ist eben auch für die deutschen Vertreter dieser Methoden eine Art von Adelung, auch wenn es wissenschaftlich eben nicht haltbar ist. So ist ein royaler Lobbyist wenigstens etwas wert, auch wenn fachlich völlig irrelevant.

Das Buch "Charles, The Alternative Prince. An Unauthorised Biography" wird herausgeben von Imprint Academic und erschien am 1. Februar 2022.
Sprache: Englisch | ISBN: 9781788360708 | £ 14,95
In Deutschland ist es etwas bei Amazon erhältlich als Taschenbuch für 23,60 € oder als Kindle-Variante für 13,26 €.

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