Eine Infektion mit Sars-CoV2 oder eine Corona-Impfung – beides kann auch Folgen für die Haut haben. Welche das sind und wie es dazu kommt, erklärt Prof. Tilo Biedermann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Klinikum rechts der Isar, am Mittwoch, 23. Juni, 18.15 Uhr in einem Online-Vortrag. Vorab gibt er im Interview einen Einblick.
Warum kann es bei Patientinnen und Patienten mit einer Corona-Infektion zu Hauterscheinungen kommen – und was lässt sich daraus folgern?
Seit Beginn der Corona-Pandemie haben wir gelernt, dass bei Covid-19 manche Hautveränderungen auftreten, wie wir sie ähnlich schon von anderen viralen Infektionserkrankungen kennen, etwa Nesselsucht oder andere Ausschläge. Andere Hautveränderungen sind dagegen relativ oder sehr spezifisch für eine Corona-Infektion: frostbeulenähnliche Veränderungen, die vor allem an den Zehen auftreten, daher auch „Covid-toes“ genannt. Auch Hautausschläge mit Bläschen sind häufig und Hautrötungen, die dem Verlauf von Blutgefäßen folgen, was sich bis zum Absterben von Gewebe weiterentwickeln kann. Daraus können wir Dinge lernen, die generell bei Covid-19 wichtig sind: Frostbeulenähnliche Veränderungen treten vor allem bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf, oft bei asymptomatischen oder milden Verläufe. Corona-PCR-Tests bleiben dann häufig negativ, obwohl es im Umfeld Fälle von Covid-19 gab, die eine Infektion wahrscheinlich erscheinen lassen. Hautausschläge mit Bläschen zeigen wiederum, dass Sars-CoV2-Coronaviren die Zellen der Oberhaut und der Schleimhaut direkt angreifen können. In solchen Fällen kann man immer von einer Covid-19-Erkrankung ausgehen. Bei Rötungen, die dem Verlauf von Gefäßen folgen, mit oder ohne dem Absterben von Gewebe, liegt eine Störung der Zellen vor, die die Blutgefäße innen auskleiden. Es kommt dann zu einer Aktivierung dieser Zellen sowie von Blutplättchen und Gerinnungsfaktoren – Veränderungen, die bei Covid-19 auch in anderen Organen auftreten: Solche Hautveränderungen können einen Hinweis darauf geben. Sie kommen überwiegend bei mittel bis schwer betroffenen Patientinnen und Patienten vor.
Auch nach einer Corona-Impfung kann es zu Hautreaktionen kommen – zu welchen und welches Risiko besteht?
Die allermeisten Menschen vertragen eine Corona-Impfung problemlos: Sie fühlen sich etwas abgeschlagen, teils ein wenig krank oder haben Kopfweh. Auch ein geschwollener Arm kann mit etwas Verzögerung auftreten. Solche Reaktionen sind auch von anderen Impfungen bekannt. Eine unspezifische Aktivierung des Immunsystems durch die Impfung kann zudem selten bereits bestehende Hauterkrankungen wie eine Schuppenflechte oder Neurodermitis kurzzeitig verschlechtern oder, äußerst selten, zu ihrem ersten Auftreten führen. All diese Reaktionen treten verzögert auf und lassen sich gut behandeln. Berichte über sehr seltene allergische Reaktionen vom Soforttyp und von allergischen Schockreaktionen (Anaphylaxien) müssen Allergologen und Impfärzte gesondert bewerten. Bei Betroffenen zeigt sich häufig kurz nach der Impfung eine Nesselsucht (Urtikaria) oder eine plötzliche und großflächige Hautrötung („Flush“). Auch zu Atemnot und einem starken Abfallen des Blutdrucks kann es kommen, ganz selten zum Kreislaufversagen. Zu einer solch starken Reaktion kommt es vor allem bei mRNA-Impfstoffen. Das Risiko ist wohl zwei bis drei Mal höher als bei anderen Impfstoffen, insgesamt aber immer noch sehr gering. Unglücklicherweise haben manche Medienberichte zu einer Verunsicherung geführt, die aber größtenteils unnötig ist: Längst nicht alle Allergikerinnen und Allergiker haben ein erhöhtes Risiko. Bei Menschen, die nur allergisch auf Baum- oder Gräserpollen, Bienen- oder Wespengift reagieren, ist dieses Risiko zum Beispiel nicht erhöht.
Wie geht man vor, wenn Menschen vor der Impfung Allergien in der Vorgeschichte angeben?
Hierzu wurde in kurzer Zeit ein Algorithmus entwickelt, der beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hinterlegt ist und zeigt, wie man je nach Ausgangssituation handeln sollte. Möglich war das, da ein Großteil der Reaktionen auf mRNA-Impfstoffe auf einer spezifischen Allergie vom Soforttyp gegen größere Polyethylenglykol-Moleküle (PEGs, Synonym: Makrogole) beruht. Solche Moleküle sind in der Lipidhülle der mRNA-Impfstoffe von Moderna und Pfizer-BioNTech („Corminaty“) enthalten, aber auch in vielen Produkten des täglichen Bedarfs. In der Medizin sind sie ebenfalls allgegenwärtig, etwa in Abführmitteln, Darmreinigungs-Lösungen, Hydrogelen oder als Hilfsstoffe in Tabletten und eben in Moderna und Pfizer-BioNTech („Corminaty“). Der Kontakt damit kann bei manchen Menschen zu einer Sensibilisierung des Immunsystems führen. Dabei werden Antikörper vom Typ E (Immunglobulin E, IgE) gebildet. Die IgE werden dann von bestimmten Immunzellen gebunden, die einen hochaffinen Rezeptor für IgE haben: Mastzellen und basophile Granulozyten. Bei erneutem Kontakt mit solchen PEGs – in diesem Fall durch die mRNA-Impfung – können diese an das zellgebundene IgE binden. Diese Bindung aktiviert die Zellen, die daraufhin sofort Botenstoffe freisetzen. Diese Botenstoffe führen wiederum zur Reaktionen einer Allergie vom Soforttyp. Für manche Patienten kann daher vor der Impfung eine entsprechende Abklärung mit Haut- oder zellulären Tests (Prick- oder Intrakutantest, Basophilen-Aktivierungstest) sinnvoll sein. Patientinnen und Patienten, bei denen wir in unserer Klinik vor der Impfung eine PEG-Allergie erkannt haben, hatten bereits in der Vorgeschichte allergisch auf PEGs reagiert, zum Beispiel bei der Vorbereitung auf eine Darmspiegelung. In solchen Fällen können mit einem Ausweich-Impfstoff geimpft werden. Bei allen anderen verlängert man die Beobachtungszeit direkt nach der Impfung - entsprechend des Algorithmus des PEI. Für Patientinnen und Patienten mit einer PEG-Allergie sind mediale Warnungen also durchaus berechtigt. Diese Berichte betreffen aber nur sehr wenige Menschen.
Live-Stream „Reaktionen bei COVID19 und Corona-Impfung: Die Haut im Auge behalten“ am 22.6. ab 18.15 Uhr
Parallel zum Live-Stream auf YouTube besteht die Möglichkeit am Zoom Webinar teilzunehmen.
Mehr Informationen:
- Prof. Tilo Biedermann ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Sein Forschungsgebiet umfasst die Biologie der Haut sowie die Immunologie und Allergologie. Er arbeitet zudem an der Steuerung toleranzvermittelnder und entzündlicher Immunantworten. Seine Forschung erstreckt sich von den Grundlangen bis hin zur Anwendung am Menschen.
- Alle Vorträge der Covid-19 Lectures
- Die Veranstaltung wird moderiert von Prof. Marion Kiechle