Die Linkspartei könnte derzeit nicht gespaltener sein. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wird das Kriegsgeschrei und das Negieren von roten Linie in den Führungspositionen der selbsternannten pazifistischen Partei immer deutlicher. Nachdem der deutsche Bundestag ein 100 Milliarden Euro Sonderpaket zur Unterstützung des deutschen Militarismus verabschiedete, sollte man eigentlich meinen, dass die Linkspartei geschlossen gegen die immense Aufrüstung protestieren würde. Die Realität scheint jedoch eine völlig andere zu sein. Stimmen innerhalb der Partei, Waffenlieferungen nicht grundsätzlich auszuschließen, kamen die vergangenen Tage immer häufiger an die Oberfläche, so unter anderem von der Parteivorsitzenden Susanne Henning-Wellsow, die in einem Statement betonte, dass es der falsche Zeitpunkt sei, über eine Auflösung des Kriegsbündnisses NATO zu diskutieren. Wie sähe das angesichts des Leids der Ukrainer*innen aus, fragt sie rhetorisch in den Raum. Auch der außenpolitische Sprecher der Linksfraktion Gregor Gysi entpuppt sich als Fürsprecher des rechten Flügels der Partei und griff einen Brief von Parteilinken an, die sich gegen das milliardenschwere Paket stellen.

Gysi betonte, Waffenlieferungen an die Ukraine seien absolut zu begrüßen, jedoch habe die BRD eine “historische Verantwortung”, das nicht zu tun. Dieser Spagat ist eine Kapitulation vor den Interessen der herrschenden Klasse, wie es die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 1914 erlebte, als es um die Bewilligung von Kriegskrediten ging. Den nichts anderes ist es, was hier geschah. Die Geschichte scheint sich rigoros zu wiederholen, Parteien scheinen erneut nicht mehr existent zu sein, sondern nur noch Vaterlandsverteidiger*innen. Dieser militaristische Rechtsschwenk der Linkspartei ist ein selbstzerstörerischer Akt, der linke Minimalkonsense über Bord wirft. Zwar gibt es innerhalb der Partei Widerstand, doch alleine die Tatsache, dass so offen darüber diskutiert wird, offenbart die seit Jahren anhaltende Erosion einer sozialistischen Partei, welche Verrat an ihrer eigenen Ideologie begeht.

Auch aus dem Parteinachwuchs gibt es Stimmen, die wie selbstverständlich den kriegerischen Kurs mittragen. So unter anderem der ehemalige Bundessprecher der Linksjugned [‘solid], der keinen Widerspruch zwischen seiner linken Ideologie und seinen aktionistischen Worten erkennen mag. Führungskräften der Linkspartei scheint der Vorwurf des Verrats von den herrschenden Klasse schwerwiegender zu sein als der Ruf von der unterdrückten Klasse, gegen diesen Irrsinn aufbegehren. Als sozialistische Partei, die sich wortstark in der Tradition von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sieht, ist dieser Entwicklung eine Zäsur. Statt sich an Liebknecht zu orientieren, den Hauptfeind im eigenen Land zu sehen, positioniert sich die deutsche Linkspartei treu an die Seite des Bellizist*innen, geführt von dem Sozialdemokraten Olaf Scholz.

Es stellt sich die berechtigte Frage, wohin die Linkspartei nun gehen will. Droht ein Bruch? Droht eine Spaltung? Statt klassenpolitischer Analysen dominiert in der Debatte ein dichotomes Geschichtsverständnis, welches sich im antirussischem Narrativ suhlt, wie es die deutsche Tradition vorzugeben habt. Der Klassenkampf von unten wird eingefroren, jetzt geht es um die Verteidigung nationaler Interessen im Raum der Europäischen Union, im Bündnis mit der NATO, deren Auflösung mal ein Kernanliegen der Linkspartei war. Aus dem lammfrommen Pazifismus entwickelt sich ein subtiler Bellizismus, der die Kritik an der herrschenden Klasse durch die Forderung ersetzt, Kriegsmaterialien zu liefern. Das ist wohl Preis der, will man unbedingt Teil einer Regierungskoalition sein. Geht die Linkspartei diesen Weg weiter, wird es keinen Rückzug mehr geben, und das sozialistische Ideal und Programm wird vollkommen verraten sein.