Das Wahljahr 2021 wird zum Schicksalsjahr für die Unionsparteien. Die Unklarheit über die zukünftige politische Ausrichtung, die personelle Besetzung von Spitzenämtern oder Experimente in völlig neuen Koalitionsbündnissen verunsichern die konservativen Wählerinnen und Wähler. Was bedeutet es 2021 den Unionsparteien die Stimme zu geben?
Ein Kurswechsel, auf einen Kurs den keiner kennt
Ralph Brinkhaus, Fraktionsvorsitzender von CDU/CSU im deutschen Bundestag, sagte wir brauchen ein Modernisierungsjahrzehnt. Seitdem reden die Unionsparteien von Aufbruch und Modernisierung. Nachdem Angela Merkel und ihre CDU das Land 16 Jahre maßgeblich gestaltet hat, ist das allenfalls ein Armutszeugnis für die scheidende Bundeskanzlerin, die so viele Dinge unerledigt an ihre Nachfolger übergibt. Wie geht es weiter mit der Wirtschaftspolitik, um im globalen (digitalen) Wettbewerb mit China und den USA mithalten zu können? Wie soll die Energiewende aussehen und wird sie überhaupt kommen? Wird man Europa zusammenhalten können und auf welche Bündnisse wird man setzen? Über diese Fragen wurde bislang im Wahlkampf wenig gesprochen. Was von CDU/CSU in den nächsten Jahren zu erwarten sein wird, hängt auch maßgeblich davon ab, mit welchen Koalitionspartnern regiert werden wird. Nachfolgend sollen in erster Linie wahltaktische Überlegungen zur zukünftigen Ausrichtung der Unionsparteien angestellt werden. Dabei findet keine inhaltliche Wertung der Parteiprogramme statt, sondern lediglich die strategische Positionierung gegenüber den konkurrierenden Parteien.
Asymmetrische Demobilisierung hat ausgedient
In den vergangenen Jahren machte Merkel ziemlich viel sozialdemokratische Politik. Viele Ziele der SPD wurden in gemeinsamen Koalitionen umgesetzt. Das konservative Profil der Union wurde nachhaltig geschwächt. Im Zuge der Flüchtlingskrise ab 2014 bekam die AfD großen Aufwind und konnte sich schließlich in Bundes- und Landtagen etablieren. In Ostdeutschland wurde die AfD sogar zu einer treibenden Kraft, die alle anderen Parteien in unliebsame Koalitionsbündnisse gedrängt hat. In Thüringen führt dies praktisch in die Ausweglosigkeit, denn es gibt keine koalitionsfähigen Regierungsmehrheiten mehr. Merkel's Kurs der Mitte war lange erfolgreich und bescherte den Unionsparteien viele sehr gute Wahlergebnisse. Sie konnte soziale Positionen der SPD ebenso vereinnahmen wie liberale Position der FDP (Schwarz-Gelbe Koalition 2009-2013). Dadurch wurden SPD und FDP während ihrer Koalitionszeit nachhaltig geschwächt. Dieses Konzept der asymmetrischen Demobilisierung dürfte ausgedient haben. Würde Merkel erneut als Kanzlerin kandidieren, würde es ihr möglicherweise gelingen, auch Grüne Inhalte glaubhaft als eigenes Programm auszugeben, sodass die Grünen weniger Stimmen erhalten würden. Unter Kanzlerkandidat Laschet scheint diese Strategie wenig glaubhaft.
Laschet und Baerbock: ein Traumpaar?
Wie sollte Laschet die Union also positionieren? Alle Zeichen sprechen für Schwarz-Grün (zeitweise auch für Grün-Schwarz). Es gibt eine erkennbare Mehrheit in der Bevölkerung für eine ökologisch-konservative Politik. Die nachfolgende Grafik veranschaulicht das Hauptfeld der Wählerverteilung. Intuitiv würde auf den ersten Blick eine Koalition aus Grünen und Union sinnvoll erscheinen, um die gegenwärtigen Entwicklungen in der Gesellschaft adäquat abzubilden. Dafür müssten die Unionsparteien, die bereits heute relativ mittig positioniert sind, sich allerdings im Koalitionsfall weiter in eine gesellschaftsliberale und planwirtschaftlichere Richtung bewegen (grüne Pfeile).
Das deutsche Parteien-Koordinatensystem, erweitert nach Kitschelt (2010).
Demzufolge würde das Profil der Union weiter verschwimmen, infolge einer Schwarz-Grünen Koalition. Das Wählerpotenzial des unteren rechten Quadranten würde hingegen nicht oder kaum mehr repräsentiert. Eine radikale AfD könnte voraussichtlich nicht gemeinsam mit der FDP das unbesetzte Wählerpotenzial ausschöpfen (Achtung! Nichtwähler). Mittelfristig könnte die AfD jedoch mit einem moderaten rechten Programm eine starke Mobilisierung des marktwirtschaftlich-konservativen Wählerkreises abschöpfen, wenn die Union diese Flanke zu weit offen lässt. Das wäre im Falle von Schwarz-Grün unausweichlich.
Lose-Lose für alle Beteiligten
Was würde eine Schwarz-Grüne Koalition aber konkret für die beiden Parteien bedeuten? Die Erwartung der Grünen Wählerinnen und Wähler dürfte auf eine progressive Gesellschafts- sowie eine radikale Klimapolitik ausgerichtet sein. Besonders die Erstwähler und politisierten jungen Menschen von Fridays for Future dürften hohe Maßstäbe bei den Grünen anlegen. Wir wissen jedoch, dass Politik aus Kompromissen, im Zweifel sogar Minimalkonsens, besteht. Daher dürften dort viele Menschen enttäuscht werden. Vielleicht sind die Erwartungen der Unionswähler hingegen gar nicht besonders hoch. Es soll einfach im Großen und Ganzen alles so bleiben wie es ist, wie bei Mutti (Merkel). Das floskelhafte, schwammige CDU-Wahlprogramm lässt tatsächlich viel Spielraum für Spekulationen über die zukünftige Politik. Eins sollte aber klar sein: die Union wird den Forderungen der Grünen in vielen Punkten entgegenkommen. Dann werden sich doch viele Dinge ändern (müssen). In dieser Koalitionskonstellation würden im Hinblick auf kommende Wahlen voraussichtlich beide Parteien nur verlieren.
Einziger Ausweg: Lagerwahlkampf!
Was wäre also eine logische Wahlkampftaktik? Eine Schwarz-Grüne Koalition sollte nicht in Aussicht gestellt werden. Eine Zielkoalition aus den Unionsparteien und der FDP ist die einzige Möglichkeit, das liberal-konservative, marktwirtschaftlich orientierte Wählerpotenzial zu erreichen. Ein klarer Kurs in diese Richtung sowie die Ablehnung (mit grundsätzlicher Gesprächsbereitschaft) von Schwarz-Grün könnte zudem Nichtwähler und AfD-Wähler zurück zu FDP und CDU/CSU lotsen. Mit einem Lagerwahlkampf wäre eine Mehrheit jenseits der 50 Prozent grundsätzlich möglich. Die Union muss den Wählerinnen und Wählern in jedem Fall konsequent und klar vermitteln, wo sie stehen will und wie die Politik in einer kommenden Koalition aussehen soll. Jeder Zweifel, dass man doch in einer 2er-Koalition mit den Grünen regieren könnte, kostet Wählerstimmen.
Für immer in der Sackgasse gefangen
Sollte die Union sich auf eine Schwarz-Grüne Bundesregierung einlassen, wird sie auf lange Zeit das Vertrauen der Wähler verspielen, von der ökologisch-konservativen Politik wieder abzukehren. Vielmehr würde sich das Kräfteverhältnis weiter verschieben. Ein Großteil der (alten) konservativen Wähler verstirbt, während junge Konservative keine Heimat in einer progressiv-planwirtschaftlichen Union finden. Die bessere ökologische Politik gibt es sowieso bei den Grünen und die bessere liberale Politik bei der FDP. Warum sollte dann zukünftig überhaupt noch jemand Union wählen, wenn die Originale andere sind? Ein kippendes Kräfteverhältnis führt mittelfristig dazu, dass zukünftig die Grünen eine Grün-Schwarze Koalition anführen werden. Dann folgt die CDU der SPD endgültig auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit (in Baden-Württemberg zeigt sich diese Entwicklung bereits). Wahrscheinlich würde eine moderate AfD, eine Abspaltung der CDU oder eine andere neue Partei diese Lücke füllen. Aber es wäre das Ende einer weiteren traditionsreichen Volkspartei.
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