Kann man das Unsagbare, was aus dieser Konferenz folgte, mit den Mitteln der Lyrik beschreiben? Adorno meinte einst ‚nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch‘.

Der verfolgte Lyriker Paul Celan, der sich im Exil später das Leben nahm, schrieb das Gedicht Todesfuge . Er umschrieb hier das Grauen congenial und etwas verklausuliert, anstatt es direkt (plakativ) zu benennen. Aber er wurde auch deutlich: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland…“

In meinem Lyrikband Nachtwende (ISBN 978-3-942384-05-6) habe ich mich in dem Prosagedicht „Auschwitz“ mit ‚Schädelstätte’ und ‚Klage und Hoffnung’ dem Thema in Form eines Diptychons genähert. Aber lesen Sie aus aktuellem Anlass selbst:

Auschwitz

Schädelstätte

Schienenstränge aus endlosen Weiten
Spuren der Zeit am Leib der Erde
und im Gedächtnis der Welt

Gerichtet auf das eine, das erdschwere Ziel
jene Endlösung, immer noch weit entfernt
damals im Land unter dem Haken

kein Kreuz an den Schneisen kein Stern
wo man Sterbende aus den Waggons kippt
wie anderen namenlosen Ballast

Für das letzte Lager nur halbwegs Lebendige
noch gehfähig für die Triage zwischen den Rampen
doch verdammt sie alle, sofort oder später

Namen zu Nummern und Rauch
über der Schädelstätte
wo Überlebende
für immer gezeichnet werden


Klage und Hoffnung

Nie mehr schlafen
keine Stunde, keinen Zyklus
und keinen Tag

vergasen – verbrennen – verscharren

Die dunkle Eisenschrift
zerfetzt den Himmel:
Arbeit macht frei !

Kann es noch Lachen geben
diesseits der Öfen
die weiter brennen in uns ?

Warten auf jene
die alles heilt:
Zeit unserer Kinder

jene die auf Dauer alles erlässt
außer Verantwortung

Kein Sand im Getriebe der Zeit
Asche

vergast – verbrannt – verscharrt

Pflicht bleibt uns
Vergangenheit
ohne Vergessen

(Copyright Michael Lobisch-Delija)

In der deutsch-polnischen Lyrikanthologie „Młoda poezja niemiecka – Die moderne deutsche Lyrik“ (Anagram Verlag Warschau, ISBN 978-83-60981-04-07), die ich auf Einladung der deutschen Botschaft in Warschau vorstellen durfte, findet sich auch eine zweisprachige Version (in Übersetzung von Agnieszka Rzadka).

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