In letzter Zeit kam vermehrt die Forderung auf, im Rahmen einer sogenannten Demokratisierung der Wirtschaft das Eigentum an Unternehmen auf die Arbeiter zu übertragen. Vor allem scheint sich der Begriff Beliebtheit bei denen zu erfreuen, die statt des mehrfach gescheiterten planwirtschaftlichen Sozialismus eine neue Variante der Gesellschaftsgestaltung ausprobieren möchten. Welche Probleme dieser Eingriff in die Wirtschaftsordnung aufwirft und wieso er aus liberaler Sicht abzulehnen ist, soll im Folgenden näher beleuchtet werden.

Grundsätzlich sollte man hier zwischen zwei Szenarien unterscheiden. In Szenario eins erfolgt die Übertragung des Eigentums (in Form von Anteilen) auf vollkommen freiwilliger Basis, zum Beispiel als Mittel der Mitarbeiterbindung oder Motivation. Diese Forderung ist mit dem Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft zu vereinen, wird bereits praktiziert und ist so unkontrovers, dass sich selbst die FDP in ihrem aktuellen Leitantrag dafür einsetzt, die Mitarbeiterkapitalbeteiligung attraktiver zu gestalten. Es würde sogar den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft widersprechen, Unternehmern zu verbieten, die Strukturierung des Unternehmenseigentums so zu gestalten, wie sie es für richtig halten.

Szenario zwei wäre das Problematischere: Hier würde eine „Demokratisierung“ verpflichtend sein Das würde bedeuten, dass Unternehmer gezwungen wären, ihre Anteile an ihre Mitarbeiterschaft auszugeben. Was ist diese Forderung, wenn nicht eine Enteignung durch die Hintertür, bei der das Wort „Demokratisierung“ das verhüllende Feigenblatt für eine Tyrannei der Mehrheit darstellt?

Abgesehen von möglichen rechtlichen Problemen, auf die ich hier aufgrund meiner mangelnden juristischen Ausbildung nicht ausreichend eingehen werde, wirft eine solche Wirtschaftsordnung enorme Probleme auf.

Zuallererst sei gesagt, dass Menschen nicht in einem leeren Raum Entscheidungen fällen, sondern auf Anreize reagieren. Und die Anreizwirkung eines Systems mit erzwungener Aufteilung des Betriebsvermögens an die Arbeiter wäre katastrophal. Denn ein potenzieller Gründer müsste die Risiken einer Unternehmensgründung vollkommen alleine tragen, und bei eintretendem Erfolg des Unternehmens (und dem Einstellen von Mitarbeitern) die Kontrolle an die Mitarbeiter abgeben. Auch wenn der überwiegende Teil der Gründer aus Idealismus gründet, spielt doch die Sicherung der eigenen Existenz eine bedeutende Rolle bei der Entscheidung, den Sprung in die Selbständigkeit zu wagen.

Nun ergäbe sich aber mit dem Gesellschaftsmodell der „demokratisierten“ Unternehmen eine wunderschöne Möglichkeit, das Risiko einer Eigengründung zu vermeiden und stattdessen auf das Trittbrett des fahrenden Zuges aufzuspringen, nämlich des Unternehmens, das ein anderer gegründet hat. Im Unterschied zu heute wäre man dann nämlich nicht nur bloßer Lohnempfänger, sondern (ob sofort oder nach Wartezeit) Miteigner des Unternehmens. In Anbetracht dieser Abwägung erscheint es wahrscheinlich, dass eher weniger Menschen selbst gründen und stattdessen auf eine Möglichkeit warten, einem erfolgreichen Unternehmen beizutreten.

Je nachdem, wie die Beteiligung der Arbeiter organisiert wäre, kommen weitere Probleme hinzu. Werden die Arbeitnehmer in Anteilsscheinen bezahlt, müssten sie diese beim Verlassen des Unternehmens wieder abgeben, da die verbliebenen Arbeiter ansonsten von Externen (mit-)geleitet werden. Dies könnte dazu führen, dass die Mobilität des einzelnen Arbeiters abnimmt - und damit auch seine Verhandlungsmacht gegenüber dem Kollektiv.

Des Weiteren stellt sich die Frage der Freiwilligkeit nicht nur auf Arbeitgeber- sondern auch auf Arbeitnehmerseite. Gehen wir davon aus, dass der Unternehmer nicht entschädigungslos gezwungen wird, seine Unternehmensanteile abzugeben, müsste der Arbeiter Kapital aufbringen, um überhaupt eine Stelle im Unternehmen zu bekommen. Abgesehen davon, dass dieses Modell stark an mittelalterliche Zünfte und Gilden erinnert, wird es einige Arbeiter geben, die kein Kapital aufbringen wollen, um arbeiten zu können.

Natürlich bestünde die Möglichkeit – die vielleicht von einigen herbeigesehnt wird – einer Übernahme durch den Staat und einer Redistribution der Gewinne an die jeweiligen Mitarbeiter, welche die eben beschriebene Problematik lösen könnte.

Vorausgesetzt, dass Unternehmensentscheidungen demokratisch beschlossen würden, bestünde allerdings auch hier ein Anreizproblem beim Zielkonflikt zwischen Auszahlung der Gewinne und Verwendung dieser für Investitionen. Vor die Wahl gestellt, ob man lieber eine sichere Auszahlung jetzt, oder eine ungewisse Auszahlung in der Zukunft hätte, tendieren Menschen oft dazu, Risiken und Ungewissheiten zu vermeiden. Das liegt auch daran, dass sie mögliche Verluste (hier ein Fehlschlag der Investition) stärker negativ bewerten, als sie entsprechende Gewinne positiv bewerten.[1]Es könnte also passieren, dass ein mitarbeitergeführtes Unternehmen verhältnismäßig wenig investiert.

Versucht man dieses Problem mit dem Einsetzen eines Geschäftsführers durch Wahl zu umgehen, reicht ein Blick auf derzeitige demokratische Prozesse: Eine demokratische Wahl des Geschäftsführers würde wohl oft auf denjenigen fallen, der den Mitarbeitern die größtmögliche sichere Auszahlung in naher Zeit verspricht. Damit ist nicht ein heuschreckenartiges Aufzehren der Unternehmenssubstanz gemeint (an dem die Arbeiter wohl auch wenig Interesse hätten) sondern Unternehmen, die auf Investitionen verzichten und daher langfristig einen Wettbewerbsnachteil erleiden.

Sollte dieser Wettbewerbsnachteil irgendwann einmal dazu führen, dass ein Unternehmen vor der Insolvenz steht, würde dieser Konkurs nicht nur dazu führen, dass der Arbeitnehmer sein regelmäßiges Einkommen verliert, er würde auch einen beträchtlichen Teil seines Vermögens verlieren, das als Eigenkapital nicht besonders geschützt wäre. Der daraus resultierende Aufschrei führte wohl dazu, dass Rettungen von Unternehmen zunehmend Normalität würden. Man würde also erst recht Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine bessere Beteiligung von Arbeitern an Unternehmen durchaus Vorteile haben kann, solange diese auf freiwilliger Basis erfolgt. Eine verpflichtende Demokratisierung würde jedoch einen schwerwiegenden staatlichen Eingriff darstellen, welcher mit starken Einschnitten in die persönliche Freiheit einherginge.

Selbst wenn man – anders als ich in dieser Betrachtung – zu dem Schluss käme, dass jene Wirtschaftsform leistungsfähiger als unsere derzeitige Ordnung wäre, muss man diese aus liberaler Sicht ablehnen. Denn nicht wirtschaftliche Stärke ist das Ziel des Liberalismus, das Ziel ist die Freiheit.



[1] Für eine vertiefte Betrachtung dieses asymmetrischen Risikoverhaltens lohnt es sich, sich mit der Prospect Theory von Kahnemann und Tversky zu beschäftigen. Auch für Nicht-Wirtschaftswissenschaftler eine nützliche Lektüre.

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