Ich habe schon früh in Führungspositionen gearbeitet, weil es mir seit jeher wichtig war, eigene Ideen zu verwirklichen. Einfach nur Befehlsempfänger zu sein, das fiel mir schwer. Die Menschen um mich herum folgten mir mehr oder weniger in einem natürlichen Fluss und ich habe mich nie gefragt, warum das so ist.
Je älter ich wurde, desto umfangreicher wurden die Führungsaufgaben. Ich verlor den Kontakt zur Basis und Führung funktionierte nicht mehr aus dem Bauch heraus. Paradoxerweise hatte ich das Gefühl, dass mir meine natürlich gegebenen Führungskompetenzen zunehmend verloren gingen. Oder hatte ich irgendwas übersehen? Denken jetzt plötzlich alle anders als ich? Das will ich hier herausfinden.
Wie muss eine Führungskraft sein?
Ich kenne Führungskräfte, die werden gar nicht als solche wahrgenommen. Andere erreichen immer was sie wollen. Was unterscheidet die einen von den anderen?
Wer nicht in der Lage ist, sich bewusst in eine bestimmte Richtung weiterzuentwickeln, kann auch andere nicht gut führen. So viel ist klar. Die guten Führungskräfte, die ich kenne, sind alle durchweg Erfolgsmenschen. Sie verstehen ihr Handwerk, das merkt man einfach. Da sitzt jeder Satz und sie strahlen ein Charisma aus, mit dem sie jeden in ihren Bann ziehen.
In dem Buch „Auf die Führungskraft kommt es an!“, von Jim Clifton und Jim Harter, geht es um die großen Herausforderungen der Führungskräfte von morgen. Die Erkenntnisse aus diesem Buch basieren auf der größten globalen Gallup-Studie zur Zukunft der Arbeit. Zu den zwei wichtigsten Merkmalen, die eine gute Führungskraft ausmachen, gehören demnach die Fähigkeiten, andere Menschen zu coachen sowie die Stärke, sich so um Mitarbeiter zu kümmern, dass sie sich dem Unternehmen emotional verbunden fühlen.
Vor allem der jüngeren Generation kommt es darauf an, dass sie eine sinnvolle Arbeit machen. Sie wollen mit Respekt behandelt werden und darauf vertrauen können, dass Führungskräfte korrekt handeln.
Welche Eigenschaften braucht eine Führungskraft?
Aus den Ergebnissen der Gallup-Studie habe ich ein paar grundlegende Eigenschaften einer guten Führungskraft abgeleitet:
Interesse am Erfolg und Wohlergehen der Mitarbeiter
Eine gute Führungskraft hat Prinzipien und steht dafür ein. Sie macht ihr Verhalten an moralischen Grundsätzen und persönlichen Werten fest und vertritt diese jederzeit. Das Wohlergehen der Mitarbeiter betrachtet sie nicht nur als Erfolgsfaktor für das Unternehmen, sondern auch als ethisch verantwortungsvolle Notwendigkeit.
Kommunikationsfähigkeit
Menschen mit Führungsverantwortung wissen, wie man selbst heikle Botschaften souverän übermittelt. Sie können gut reden und vor allem gut zuhören. Bei Konflikten wissen sie immer Rat und schaffen es so, dass Vertrauen der Mitarbeiter untereinander zu stärken. Wer souverän führt, wirkt inspirierend auf seine Mitmenschen und schafft es, andere für seine Ideen und Ziele zu begeistern.
Empathie und Respekt
Motivation kommt von Motiv. Wer andere motivieren möchte, muss ihre Motive verstehen. Er muss fühlen können, was in anderen Menschen vor sich geht und ihnen helfen, sich weiterzuentwickeln. Führungskräfte, die das verstanden haben, loben öffentlich vor allen Leuten, aber sprechen Probleme nur unter vier Augen an.
Vision und Strategie
Eine innovative Führungskraft hat Visionen. Sie weiß, wie man andere mitnimmt und gibt ihnen auch die Freiheit, ihre eigenen Ideen zu entwickeln. Dazu gehören eine ordentliche Portion Offenheit und Diskussionsbereitschaft. Wer das kann, schafft es, andere dazu zu motivieren, über den Tellerrand hinaus zu denken. Die Strategie für die Umsetzung der Vision hat eine gute Führungskraft auch immer gleich parat. Aus der Vielfalt der möglichen Wege entwickelt sie einen zielgerichteten Plan.
Selbstreflexion und positive Lebenseinstellung
Gute Führungskräfte müssen sich ständig selbst hinterfragen. Selbstreflexion ist wichtig, um bewusst zu handeln und entsprechende Entscheidungen treffen zu können. So gelingt auch der Fokus auf das Positive und die Konzentration auf die Stärken einer Organisation. Das bedeutet nicht, dass es keine Kritik geben darf. Konstruktive Kritik ist wichtig und dient der Weiterentwicklung. Wichtig ist, dass man sich nicht auf das Problem, sondern auf die Lösung konzentriert.
Ist Führungskompetenz angeboren?
Schon drängt sich mir die Frage auf, ob man wohl als Führungskraft geboren wird. Ich kenne hochqualifizierte Menschen, die überhaupt keinen Wert darauf legen, in einer Leitungsposition zu arbeiten. Und dann gibt es solche, denen laufen alle wie dem Rattenfänger von Hameln hinterher.
Ich hab‘ zwar viel dafür getan, um da zu sein, wo ich jetzt bin, aber waren mir manche Eigenschaften vielleicht schon in die Wiege gelegt?
Sie neuesten Erkenntnisse der Entwicklungspsychologie belegen, dass Menschen mit bestimmten Fähigkeiten und Kompetenzen auf die Welt kommen. Darüber hinaus gibt es noch konstitutionelle Faktoren wie Temperament und Beweglichkeit, die genetisch vorgegeben sind.
Angeborene Eigenschaften und Kompetenzen sind zum Beispiel Intelligenz und Kreativität sowie bestimmte Charaktereigenschaften wie Emotionalität und Kommunikationsfähigkeit. Wer mit solchen Qualitäten geboren wird, hat gute Voraussetzungen, eine hervorragende Führungskraft zu werden. Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass diejenigen, bei denen diese Fähigkeiten schon bei der Geburt ausgeprägt waren, später besonders häufig in Führungspositionen arbeiteten.
Von Mutter Natur mitgegebene Talente sind aber nicht alles. Es gibt noch viel mehr, was eine gute Führungskraft braucht. Führung ist ein lebenslanger Lernprozess und man ist nie fertig mit dem Lernen. Menschen, die andere führen, suchen immer nach Möglichkeiten, ihre Führungskompetenz auszubauen.
Es geht darum, immer tiefer in unser Selbstverständnis einzudringen und die eigenen Führungsfähigkeiten immer weiterzuentwickeln. Indem wir uns selbst immer besser verstehen, stärken wir diese Fähigkeiten, mit denen wir geboren wurden. Und indem wir das tun, sind wir in der Lage, das Leben anderer zu bereichern und ihnen zum Erfolg zu verhelfen.
Sehen Führungskräfte die Welt mit anderen Augen?
Es gibt praktisch nichts im Bereich Persönlichkeitsentwicklung, mit dem ich mich noch nicht beschäftigt hätte. Wer sich immer weiterentwickelt und sich selbst regelmäßig hinterfragt, sieht die Dinge zwangsläufig anders als andere.
Persönlichkeitsentwicklung kann ja ganz unterschiedliche Richtungen gehen. Manche wollen in solch einem Prozess einfach nur mehr Lebensfreude entwickeln, um mit den Situationen des Alltags besser zurecht zu kommen.
Vitalsmarts, eines der großen internationalen Unternehmen für Führungskräfteentwicklung, hat bei einer Befragung herausgefunden, dass es eine große Kluft in der Wahrnehmung von Führungskräften und anderen Mitarbeitern gibt. Beide Seiten nehmen die Unternehmenskultur häufig ganz unterschiedlich wahr.
Mitarbeiter fühlen sich selbst dann als Befehlsempfänger, wenn Führungskräfte ihnen deutlich sagen, dass sie sich mehr Initiative, Offenheit und Teamarbeit wünschen. Die Umfrage ergab auch, dass die meisten Mitarbeiter die Unternehmenskultur deutlich negativer einschätzen als ihre Chefs.
Der Mitarbeiter an sich vermeidet gerne Konflikte. Man passt sich lieber an, befolgt die Regeln und hat Ruhe. Man tut, was einem gesagt wird und hofft dadurch auf eine angenehme Beziehung mit dem Vorgesetzten.
Was die Studie aber auch gezeigt hat: Je mehr Befugnisse ein Mitarbeiter hat, desto positiver wird das Arbeitsumfeld von ihm wahrgenommen. Wenn ich das weiterdenke, muss ich allen Mitarbeitern einfach nur eine Schlüsselposition zukommen lassen und schon entwickeln sie einen Geschäftssinn. Ob das funktioniert?
Steckt in jeder guten Fachkraft auch eine gute Führungskraft?
Mir ist schon zweimal passiert, dass ich jemanden in eine Führungsposition befördert habe und es ging total daneben. Schon nach kurzer Zeit hatte ich jeweils mit einer Person zu tun, die sich als besserwisserisches Etwas darstellte und versuchte, mich auszuspielen. Wenn es stimmt, dass Führungskräfte die zufriedeneren Menschen sind – wie kam es dann zu diesem Sinneswandel?
Aus heutiger Sicht denke ich, dass den Personen jeweils wichtige Eigenschaften fehlten. Fachwissen alleine genügt eben nicht. Wenn es an Merkmalen wie Kreativität, Kommunikationsfähigkeit und innovativem Denken fehlt, ist Führung nicht möglich. Ich hatte mir erhofft, dass jemand, der die Chance dazu hat, solche Kompetenzen entwickelt, aber so einfach war das offensichtlich nicht. Schließlich endete jede noch so kleine Entscheidung in nutzlosen Machtspielchen und endlosen Diskussionen.
Eine der wichtigsten Aufgaben einer guten Führungskraft besteht meiner Meinung darin, die richtigen Fragen zu stellen. Die Fragen zu beantworten, ist allerdings nicht ihre primäre Aufgabe, sondern die der Fachkräfte. Führungskräfte müssen also in der Lage sein, sich an den entscheidenden Stellen zurückzunehmen. Das ist nicht immer leicht, erst recht nicht, wenn die Führungskraft vorher als Fachkraft sehr gefragt war.
Sowas muss man lernen und man muss grundsätzlich dazu bereit sein, das lernen zu wollen. Das ist die Voraussetzung, die ein Mitarbeiter mitbringen muss. Mein Part als Führungskraft in dieser Sache ist, dass ich eine unterstützende Umgebung schaffe, die solche positiven Verhaltensänderungen möglich macht.
Fazit und Ausblick
Menschen, die in der Lage sind, andere Menschen zu führen, besitzen Fähigkeiten, die sie von anderen Mitarbeitern unterscheiden. Daraus schließe ich, dass Führungskräfte anders denken als ihre Mitarbeiter.
Führungskompetenzen sind aber kein Hexenwerk und können grundsätzlich von jedem Menschen entwickelt werden. Was es dazu braucht ist der Wille, sich herausfordernde Ziele zu setzen, sie mit Begeisterung zu verfolgen und zu erreichen.
Nicht jeder weiß, wohin er will und viele Menschen lassen sich einfach gerne führen. Dafür brauchen sie Vorbilder. Gute Führungskräfte nehmen diese Rolle ein und agieren gleichzeitig als Coach. Sie motivieren ihre Mitarbeiter, sich auf ihren Erfolg zu konzentrieren und sich weiterzuentwickeln. Indem sie innovatives Denken und Kreativität fördern, helfen sie anderen, neue Denkweisen zu entwickeln.
Wenn Mitarbeiter lernen, unternehmerisch zu denken, werden sie zu deutlich besseren Arbeitsergebnissen in der Lage sein. Sobald sie feststellen, dass ihre Ideen auf fruchtbaren Boden fallen, werden sie daran arbeiten, diese weiterzuentwickeln. Dies führt dazu, dass Menschen Spaß an ihrer Arbeit haben, Sinnhaftigkeit erkennen und sich stärker mit dem Unternehmen verbunden fühlen. Alles Faktoren, die den Erfolg einer Organisation positiv beeinflussen.
Quellen:
Clifton, Jim, Harter, Jim: Auf die Führungskraft kommt es an! Campus Verlag, 2020
https://www.vitalsmartssuisse.ch/de/crucialaccountability/
https://organisationsberatung.net/gute-fuehrung-gute-fuehrungskraft/
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