Der Haftbefehl des Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen  den israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu und seinem ehemaligen  Verteidigungsminister mag formal durchaus begründet sein. Das Vorgehen  dieser beiden Politiker gegenüber Palästina hat inzwischen eine  Entwicklung genommen, die mit einem Verteidigungskrieg nichts mehr zu  tun hat. Selbst für Bürger, denen der direkte Einblick über die  tatsächlich stattfindendenden Vorgänge im Gaza-Streifen fehlt, haben den  Eindruck, dass hier ein Volk vernichtet werden soll, obwohl die  einzelnen Bürger auf das Vorgehen der Hamas gar keinen Einfluss haben  konnten.

Es ist auch bezeichnend, dass jedes Vorgehen gegen ein nicht  vertretbares Regierungshandeln der israelischen Regierung sofort als  antisemitisches Verhalten bezeichnet wird. Damit glauben Netanjahu und  seine Gefolgsleute, jegliche Kritik verhindern zu können.

Aktuell hat der jetzt aktuell erlassene Haftbefehl des Internationalen Gerichtshof zwei Ebenen der Betrachtung.

Die eine Ebene ist die Beurteilung des Verhaltens eines  Regierungschefs, der zweifelsfrei Maß und Ziel im Kampf mit der Hamas  völlig aus dem Auge verloren hat. Das, was die Welt derzeitig beobachten  kann, ist in seiner Brutalität eines Staates gegenüber seinen Feinden  nicht mehr nachzuvollziehen. Hier geht es nicht mehr, nur die Sicherheit  des israelischen Staates zu verteidigen, hier wird ein anderes Volk  regelrecht vernichtet.

Die Verbrechen der Hamas sind furchtbar und scharf zu verurteilen.  Dies gilt aber auch für die israelische Regierung unter der Führung von  Netanjahu, der seit Jahrzehnten jede Bemühung für die Schaffung von zwei  gleichberechtigten Staaten hintertrieben hat. Man kann ein Volk nicht  über Jahrzehnte unterdrücken und ihm die eigene Souveränität und damit  die eigene Selbstachtung nehmen. Dann braucht man sich auch nicht zu  wundern, wenn ein solches Verhalten zu Auswüchsen führt, wie sie mit dem  Überfall der Hamas auf israelisches Gebiet erfolgte. Aber auch  innenpolitisch ist die Rolle des Staatspräsidenten in Israel hoch  umstritten, so dass dies auch zu Gerichtsverfahren im eigenen Land gegen  Netanjahu geführt hat, die nur durch sein aktuelles Amt als  Regierungschef ruhiggestellt wurden. Für viele Bürger sowohl im Inland  als auch im Ausland wird es eine Genugtuung sein, dass der Haftbefehl  gegen Netanjahu aktuell erlassen wurde.

Es gibt aber eine zweite Ebene, die in diesem Zusammenhang zu  betrachten ist. Und diese hat nichts mit Moral und Ethik zu tun. Aus  gutem Grunde entwickelte sich im 19. Jahrhundert aus dem  Völkergewohnheitsrecht der Grundsatz der Immunität sowohl für  Staatschefs als auch Botschaften und Konsulatsmitarbeiter. Der Grund für  diese Entwicklung war die Erkenntnis, dass man in der Politik gar nicht  in der Lage ist, die Verhaltensweisen der Staatschefs ausschließlich  nach ethischen und moralischen Gesichtspunkten zu bewerten. Wollte man  dies, dann dürften kaum noch Gespräche und Verhandlungen zwischen den  Staaten erfolgen. Im vorliegenden Fall der Regierung Israel muss man  konstatieren, dass die möglichen Verbrechen des israelischen Staatchefs  gar nicht möglich gewesen wären, wenn er nicht die aktive Unterstützung  der Biden-Administration erhalten hätte, die durch ihre  Waffenlieferungen dafür sorgte, dass Netanjahu sein Vorgehen gegen das  palästinensische Volk durchführen konnte und noch immer durchführt. Auch  Frau Baerbock unterstützt diesen, jetzt der Kriegsverbrechen  angeklagten, Regierungschef, so dass alle Unterstützer ebenfalls vor ein  internationales Gericht gestellt gehörten. Auch eine Mittäterschaft  kann eine kriminelle Handlung sein. Da merkt doch jeder den Schwachsinn  einer solchen Betrachtungsweise, die allerdings auch auf die Problematik  eines internationalen Gerichts unter Ausschluss der eigentlichen  Weltmächte ausstrahlt.

Darüber hinaus stellt sich eine weitere Frage. Wer kann sich anmaßen,  als Internationaler Gerichtshof Recht zu sprechen? Die Hauptmächte  dieser Welt, die wesentlich an Morden und Kriegen involviert sind,  nämlich die USA, China und Russland erkennen diesen Gerichtshof gar  nicht an. Man könnte hier den Eindruck haben, dass hier der Versuch  unternommen wird, über eine juristische Vorgehensweise, Sanktionierungen  gegen andere Staaten durchführen zu können. Das ist eine Kriegsführung  mit anderen Mitteln. Entweder gilt ein Recht für alle Staaten oder es  gilt für keinen Staat. Übrigens gehört zu den Staaten, die den  Internationalen Gerichtshof nicht anerkennen, auch Israel.

Einzig und allein die Frage, ob ein israelischer Regierungschef des  Völkermordes angeklagt werden kann, führt aktuell zu einer gewissen  Brisanz des Haftbefehls, der ohnehin nie realisiert werden wird. Und bei  dieser Frage muss man klar und deutlich feststellen, auch Bürger  Israels sind keine abgehobenen Wesen in dieser Welt und unterliegen  somit den gleichen ethischen und juristischen Maßstäben, die für alle  anderen Volksgemeinschaften auch gelten.

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