Eine 100-Wort-Geschichte über das Elend des Krieges:
Er ist ihr ganzer Stolz.
Anfang des Jahres ging er nach Moskau. Geld verdienen, das er ihr regelmäßig schickt.
Ihr Sohn.
Er hat die Augen seines Vaters. Und den verträumten Blick, in den sie sich damals so verliebte.
Als Kind brachte er einmal er eine verletzte Katze nach Haus. Drei Tage kümmerte er sich aufopfernd. Dann starb sie und er schloss sich in seinem Zimmer ein. Durch die Tür hörte sie ihn weinen.
Nun weint sie: „Vadim!“
Sein Foto aus einem Gerichtssaal im fernen Kiew zittert in ihrer Hand.
„Bitte, Herr“, betet sie, „schicke mir meinen Sohn wieder nach Hause!“
Als ich heute morgen die Zeitung überflog, da blieb ich bei dem Artikel über Vadim Shysimarin hängen.
Vadim ist er erste russische Soldat, dem in der Ukraine der Prozess gemacht wird.
Die Anklage lautet auf Kriegsverbrechen und Mord.
Ich will das alles gar nicht beurteilen.
Und es ist natürlich nur ein Schicksal unter Hunderttausenden … auf beiden Seiten dieses Krieges.
Vadim kommt aus Irkutsk. Es ist ein weiter Weg von Sibirien nach Moskau und dann in die Ukraine. In den Krieg und das Töten. In das Elend. Bestimmt hat er sich das so nicht vorgestellt.
Ein Opfer unter vielen.
Vadim ist nur wenig jünger als meine Kinder.
Lass uns beten, dass dieser Krieg bald ein Ende nimmt.
Lass uns für die Opfer beten.
Für alle Opfer.