Durch den russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich die Welt spürbar verändert. Zwar waren die letzten Jahre und Jahrzehnte durchaus nicht frei von Konflikten, doch der Angriffskrieg auf die Ukraine innerhalb von Europa sorgt für eine grundlegende Sicherheitswende. Viele Staaten schicken Soldaten und Kriegsgerät zum Schutz der sogenannten NATO-Ostflanke. Auch Deutschland entsendet Kampftruppen, Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe in die Ostsee. Wie der Konflikt ausgeht, ist zu diesem Zeitpunkt noch offen. Doch eines steht fest: Die Sicherheitslage hat sich dramatisch geändert. Russland wird mit vielen Sanktionen belegt und droht im Gegenzug offen mit dem Einsatz von Atomwaffen. Viele Gewissheiten, die bis zum 24. Februar 2022 ihre Gültigkeit hatten, werden nun infrage gestellt.
Ein zweites Datum, das in die Geschichte eingehen wird, ist der 27. Februar 2022. In einer Sondersitzung im Deutschen Bundestag erklärte Bundeskanzler Scholz eine grundlegende sicherheitspolitische Zeitenwende für Deutschland.
Deutschland rüstet auf
Zu dieser sicherheitspolitischen Zeitenwende gehört neben der Übererfüllung des 2 Prozent-Ziels der NATO auch ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Die deutschen Streitkräfte sollen nun deutlich modernisiert und aufgerüstet werden. Die Bundeswehr soll zudem zukünftig nach den Vorstellungen der Bundesregierung ein hohes Abschreckungspotenzial ausstrahlen. Beides war bis zum 24. Februar 2022 unvorstellbar, gerade im Hinblick auf die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. Wie viele neue Panzer, Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe und andere Waffen das bedeutet, ist derzeit noch nicht abzusehen. Wie die Bundesregierung aber deutlich macht, sollen diesbezüglich schnell Fakten geschaffen werden.
Was ist mit dem Zivilschutz?
Doch Deutschland wird nicht nur militärisch aufrüsten, erste Bundesländer wollen dies auch in Sachen Zivil- und Katastrophenschutz tun. So hat der Innenminister von Niedersachsen ein Sondervermögen in unbekannter Höhe angekündigt. Konkret soll es Verbesserungen bei den Sirenen für die Warnung geben, Anschaffung von Notstromaggregaten, Zelte zur Notunterbringung, Trinkwassernotversorgung und mobile Sanitätseinrichtungen, aber auch Möglichkeiten für die Ersatz-Kommunikation wie Satellitentelefone. Die Liste des Handlungsbedarfs ist lang.
Ähnliche Maßnahmen kündigen auch andere Bundesländer an. Von der Bundesregierung hört man bezüglich möglicher Verbesserungen des Zivilschutzes noch nichts. Anders als beim Katastrophenschutz, der eine Landesaufgabe ist, obliegt der Zivilschutz dem Bund. Dieser muss notwendige Schutzmaßnahmen für den sogenannten Verteidigungs- oder Spannungsfall ergreifen. Dementsprechend muss vor allem der Bund die notwendigen Maßnahmen vorschreiben und diese auch finanzieren.
Ängste in der Bevölkerung
Gerade aufgrund der Androhung von Atomwaffen stellen sich aktuell eine Vielzahl an Fragen in der öffentlichen Debatte. So zum Beispiel nach dem Vorhandensein von Schutzbunkern. Doch die ehemals 2000 öffentlichen Schutzbunker gibt es heute weitgehend nicht mehr, auch der private Schutzraumbau (häuslicher Luftschutz) wird nicht mehr gefördert. Beides wurde nach dem Ende des Kalten Krieges als nicht mehr notwendig erachtet und letztlich 2007 aufgegeben. Zum einen hat man keine Kriegsgefahr für Deutschland und generell in Europa gesehen, zum anderen schienen solche Bunker im Bezug auf andere Bedrohungen –wie Klimawandel, Naturkatastrophen oder Terrorismus – keinen ausreichenden Schutz zu bieten.
In dieser Lage haben die Menschen jedoch Angst vor einer Ausweitung des Krieges. So meldet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe eine Zunahme an Anfragen, sei es in Bezug auf das richtige Verhalten im Kriegsfall oder nach Schutzräumen. Auch aus den Bundesländern gibt es ähnliche Berichte, so meldet etwa die Landesapothekerkammer in Baden-Württemberg eine Zunahme beim Kauf von Jodtabletten durch die Bevölkerung. Diese Zunahme ist wohl mit der Angst vor einem Atomangriff verbunden. Der eigenmächtige Kauf von Jodtabletten ist allerdings nicht notwendig, da in Deutschland eine große Zahl an Jodtabletten bevorratet wird – alleine Baden-Württemberg verfügt über einen Bestand von 35 Millionen Jodtabletten. Dieses Beispiel zeigt jedoch, dass in Bezug auf die neue Situation dringend Aufklärungsbedarf besteht.
Fragen müssen beantwortet werden
Militärisch ist die sicherheitspolitische Zeitenwende jetzt eingeläutet. Wie der Zivilschutz zukünftig aussehen soll, ist jedoch noch ungewiss. Doch die Frage nach neuen Bunkern, Luftschutz und vielem mehr wird sich stellen und zeitnah beantwortet werden müssen.
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