Hegel zu Gast bei der Küchenphilosophin
Ja, die Küchenphilosophin wagt sich gleich mal an Hegel ran! Warum? Weil in ihrer Küche derzeit soviel über den besorgniserregenden Zustand unserer Gesellschaft diskutiert, polemisiert und philosophiert wird. Dabei machte bereits Wilhelm Weischedel "die überraschende Entdeckung, dass der Weg zum Verständnis großer Philosophen einfacher und direkter über die Hintertreppe durch Küche und Schlafzimmer führt als durch dickleibige Folianten oder über gescheite Interpretationen ihrer Werke."
Wenn es also über die zeitgenössische Ampel geht, über deren Dummheiten, Streitereien und Unfähigkeiten, also über die Politik, wen könnte man da besser zurate zu ziehen, als den "preußischen Staatsphilosophen" des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, Georg Wilhelm Friedrich Hegel. Zumal ein weiterer Gast aus Stuttgart kommt, der bekanntermaßen ähnliche Verhaltensweisen wie der berühmte Philosoph an den Tag legt. Unser Gast zitiert beim Politisieren schon meist nach dem ersten Glas "Schöne Zeit", einem Rotwein Cuvée, seinen Landsmann aus Stuttgart, Georg Hegel. Diesem wiederum wird ja nachgesagt, dass er sehr gerne ein Viertel "Roten", oder auch zwei oder drei, beim Nachdenken konsumierte. Alleine aus dieser wunderbaren, wenn auch zufälligen Konstellation heraus, lässt es sich die Küchenphilosophin nicht nehmen, zum abendliche Gespräch Stuttgarter Maultaschen zu präsentieren. Dazu hatte sie am Tag zuvor Frühlingszwiebeln, Petersilie und Lauch kleingeschnitten und gedünstet, denn diese Mischung sollte nicht warm in die obligatorische Fleischmasse kommen und daher mindestens ein paar Stunden oder einen Tag vorher zubereitet werden. Ja, die Zubereitung dieser Spezialität ist fast so komplex und tiefgründig, wie Hegels Philosophie.
Bald sind die illustren Gäste in der Küche versammelt, mit einem Gleis Wein, Prosecco oder auch Wasser in den Händen, schauen sie erwartungsvoll der Köchin beim Hand anlegen an die letzten Feinheiten des schwäbischen Hegel-Dinners zu, als bereits das erste Lob auf den Philosophen die Runde macht. Dieter argumentiert, dass nach Hegel die Sittlichkeit in der Familie, der bürgerlichen Gesellschaft und dem Staat verwurzelt ist und dass die individuelle Pflicht darin besteht, diese Institutionen zu respektieren und zu fördern. Davon könne er derzeit nichts, aber auch gar nichts mehr erkennen! Ein zustimmendes Geraune der Anwesenden machte der Küchenphilosophin nun Sorge; nicht schon wieder die Litanei der Versäumnisse der amtierenden Regierung. Philosophie ist doch mehr, als nur politische "Hanswurstiaden". Ein wunderbarer Begriff übrigens, den Schopenhauer bei einer seiner Streitereien mit Hegel geprägt haben soll. Doch die Küchenphilosophin hatte eine Idee. Hegel soll, so Wilhelm Weischedel, in seinem Tagebuch folgendes vermerkt haben: "Das Anschauen schöner Mädchen trug zu unserer Unterhaltung auch nicht wenig bei." In einer kurzen Gesprächspause, als die Gäste die ersten Bissen Maultaschen goutierten, flocht die Küchenphilosophin den Satz so ganz beiläufig ein. Erstaunte Blicke waren die erhoffte Reaktion, um nachzulegen und dem Gespräch neue Gedankenräume zu eröffnen. Hegel sei ja berühmt für seine Entwicklung der dialektischen Methode, die er in seiner Philosophie anwendete. Er sah die Welt als ein sich entwickelndes und widersprüchliches System, das sich durch den Konflikt und die Synthese von Gegensätzen vorwärtsbewege: aus einer These, einer Antithese und einer Synthese. Kurz auf den Punkt gebracht, meinte die Küchenphilosophin, Hegel wollte in der Synthese aller Synthesen die "Einigkeit aller Menschen" wiederfinden. Und er fand sie in der Liebe! Jetzt war Dieter gefordert! Hegel und die Liebe? Nein, meinte Dieter, es geht doch um den Weltgeist, um Sitte, Anstand und den Staat! Allerdings, meinte die Küchenphilosophin listig, doch hatte er nicht gerade in seinem Werk "Die Phänomenologie des Geistes", die dialektische Natur der Liebe betont? Argumentierte er nicht, dass die Liebe von Konflikten und Spannungen geprägt ist, da sie das Individuum mit dem Anderen in Beziehung setzt und sich durch diese Spannungen und Auseinandersetzungen das Selbstbewusstsein des Menschen weiterentwickelt?
Die Gedanken in der Küche vibrierten. Ein neuer Geist ergriff die Gäste; der Geist der Liebe. Richtig, wie viele Philosophien und Theorien drehten sich nur um die Liebe. Jeder hatte jetzt etwas aus seiner eigenen Erfahrung beizutragen:
Evolutionäre Theorien der Liebe: Diese Theorien argumentieren, dass Liebe und Paarbildung auf evolutionären Mechanismen basieren, die die Fortpflanzung und den Schutz der Nachkommen fördern. Die Theorie der Partnerwahl von Robert Trivers und die Theorie des Bindungsverhaltens von John Bowlby sind Beispiele für evolutionäre Ansätze.
Triangular Theory of Love (Dreieckstheorie der Liebe): Diese Theorie von Robert Sternberg besagt, dass Liebe aus den drei Komponenten Intimität, Leidenschaft und Engagement besteht. Verschiedene Kombinationen dieser Komponenten ergeben unterschiedliche Arten von Liebe, wie etwa romantische Liebe, leidenschaftslose Liebe oder leere Liebe.
Sozialpsychologische Theorien der Liebe: Diese Theorien betonen die Rolle von sozialen und kulturellen Einflüssen auf die Liebe. Sie argumentieren, dass kulturelle Normen und Erwartungen die Art und Weise beeinflussen, wie Menschen Liebe erfahren und ausdrücken.
Psychologische Bindungstheorien: Diese Theorien, die auf der Arbeit von John Bowlby und Mary Ainsworth basieren, beschäftigen sich mit der Art und Weise, wie Menschen Bindungen in ihren Beziehungen entwickeln. Sie betonen die Bedeutung von Bindungen in der Kindheit für die Formung von Beziehungsmustern im Erwachsenenalter.
Neurowissenschaftliche Theorien der Liebe: Neurowissenschaftler haben das Gehirn erforscht, um die biologischen Grundlagen der Liebe zu verstehen. Die Freisetzung von Neurotransmittern wie Dopamin und Oxytocin wird oft mit romantischer Liebe in Verbindung gebracht.
Interdependenztheorie: Diese Theorie besagt, dass Beziehungen auf der gegenseitigen Abhängigkeit der Partner voneinander beruhen. Die Zufriedenheit in einer Beziehung hängt von der Wahrnehmung der Gerechtigkeit und des Nutzens ab.
Sternbergs Theorie der komplementären Bedürfnisse: Robert J. Sternberg hat postuliert, dass Menschen in Beziehungen oft nach Partnern suchen, deren Bedürfnisse und Eigenschaften ihre eigenen ergänzen.
Theorien der romantischen Liebe: Diese Theorien untersuchen die spezifischen Merkmale der romantischen Liebe und wie sie sich von anderen Arten von Liebe unterscheidet. Ein bekanntes Konzept ist das der romantischen Idealisierung, bei dem die positiven Eigenschaften des Partners überbetont werden.
Wow, die Küchenphilosophin war überwältigt: Welche Dämme brachen bei diesem Abendessen, nachdem sich der Diskurs auf Liebe verlegt hatte. Welch ein wundervoller Abend!
Und was meinte Hegel zu dieser anregenden und kenntnisreichen Diskussion in der Küche der Philosophin: "Wenn die Philosophie ihr Grau in Grau malt, dann ist eine Gestalt des Lebens alt geworden, und mit Grau in Grau läßt sie sich nicht verjüngen, sondern nur erkennen; die Eule der Minerva beginnt erst mit einbrechender Dämmerung ihren Flug."
(Berlin, den 25. Juni 1820)
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