Seit einiger Zeit häufen sich die Anfragen von allen Seiten, wie man sich einen “ganz normalen Tag“ vor Gericht vorstellen kann.
Immer wieder versuche ich, einen Text zu verfassen, der den doch sehr vielfältigen und sehr abwechslungsreichen Tagen bei Gericht gerecht wird. Und immer wieder ufern diese Texte aus.
Deswegen möchte ich heute einen neuen Versuch wagen.
Ich erzähle Euch heute nicht von einem durchschnittlichen Tag eines Richters, sondern von einem Tag, wie ich ihn letzte Woche im Büro erlebte. Ich habe mir tatsächlich Notizen gemacht, um den Tag möglichst zeitgetreu wiedergeben zu können.
Lasst uns beginnen:
Der Tag begann üblich kurz vor 7:00 Uhr morgens mit einem leckeren Kaffee und dem Vorsortieren der Aktenberge, wobei ein Teil der Akten digital und der andere in Papierform vorlag.
Die Papierakten wurden nach Dezernaten (Rechtsgebieten) sowie nach (vorläufig eingeschätztem) Umfang der Aufgaben sortiert.
Die digitalen Akten wurden zunächst überflogen, um die besonders dringenden Sachen zuerst bearbeiten zu können. Die weniger dringenden wurden in einen entsprechenden Ordner verschoben, um die Übersichtlichkeit gewährleisten.
Die nächste Stunde verbrachte ich mit meinem Kaffee mit der Durchsicht der auf den ersten Blick besonders dringenden Akten und vor allem damit, die dortigen Terminverlegungen und sonstigen dringenden Eingaben zu bearbeiten.
Es musste in einem Fall einstweilig gehandelt (elterliche Sorge entzogen) werden. In einem anderen Fall einer sofortigen Beschwerde abgeholfen werden.
Die anschließenden 2 Stunden verbrachte ich sodann mit einer Lektüre einer umfangreichen Kindschaftssache und vor allem des dortigen Gutachtens. Ich machte mir Notizen, die für die anstehende Anhörung wichtig sind. Ich notierte mir Fragen an die Sachverständige.
In der anschließenden Kaffeepause wurden im Kollegenkreis die baldigen Änderungen bei der Geschäftsverteilung besprochen.
Nach der Kaffeepause gab es dann eine Runde "leichte Akten", sprich solche, die man mit einer kurzen Verfügung (z.B.: Abschrift am Gegner zur Kenntnis) erledigen konnte.
Die Mittagspause verbrachte ich coronabedingt mit meinen mitgebrachten Brötchen sowie einer längeren Diskussion bei Twitter.
Ab ca. 13:00 Uhr wurden sodann die übrigen Akten nach und nach bearbeitet: Ein Beweisbeschluss erlassen, 2 Unterhaltsberechnungen vorgenommen, ein böser Hinweisbeschluss geschrieben.
Bis zur Kaffeepause gegen 15:30 Uhr waren insgesamt etwa 40 Akten aus 3 verschiedenen Rechtsgebieten bearbeitet und in den Abtrag gelegt.
Die letzten eineinhalb Stunden verbrachte ich sodann damit, meine anstehende Arbeitsgemeinschaft für Rechtsreferendare vorzubereiten, neue Rechtsprechung zu recherchieren und das Skript anzupassen.
Klingt das irgendwie spannend? Oder total langweilig? Ich weiß es nicht. Nicht jeder Tag verläuft so.
An manchen Tagen beschäftigt man sich den ganzen Tag mit einer einzigen, hoch komplexen Akte.
An anderen Tagen werden lediglich solche Akten vorgelegt, die nur eine kurze Bearbeitung erfordern.
Es gibt aber auch Tage, die von ständigen einstweiligen Anordnungen geprägt sind, die immer wieder ein sofortiges Handeln und komplexe Einarbeitungen in teils sehr schwierige Fälle erfordern.
Die Arbeit bei Gericht kann (je nach Dezernat/Zuständigkeit) mal monoton und eintönig, mal herausragend spannend und fordernd sein.
Gerade diese Abwechslung und der ständige und wichtige Kontakt zu Verfahrensbeteiligten im Rahmen von mündlichen Anhörungen und Verhandlungen machen diesen Beruf in meinen Augen so gut wie perfekt.
Und gerade am Amtsgericht, wo man auch zeitlich sein eigener Herr sein und beispielsweise nachts/spät abends statt tagsüber arbeiten kann, wenn dies gerade familiär bedingt erforderlich sein sollte, sind der Kreativität der eigenen Arbeitsgestaltung (fast) keine Grenzen gesetzt.
Deswegen ist jeder Tag bei Gericht irgendwie anders als die Anderen. Irgendwie speziell und vielleicht sogar besonders.