Das ist die Situation der COVID19-Intensivbetten in Wien. Wir haben mit 165 belegten Betten den Höchststand von 162 vom 21.11.2020 übertroffen. Alleine in den letzten 2 Tagen kamen 27 ICU-Patienten (Intensive Care Unit) dazu. Netto, wohlgemerkt. D.h. übers Wochenende wurden mehr als zwei neue ICUs gefüllt.

In dieser Situation hatte ich von gestern früh bis heute früh einen Oberarzt-Dienst.

Er wird mich noch länger beschäftigen.

Es ist ein schmaler Grat zwischen Informieren und Schockieren. Deshalb habe ich lange überlegt, ob und wie ich darüber schreiben soll.

Ich tu es jetzt einfach.

Es begann damit, dass mir schon bei Dienstantritt mitgeteilt wurde, dass es in ganz Wien nur mehr ein einziges reguläres COV+ Intensivbett gebe + einzelne Notbetten ohne Personal dafür. Eines davon auf unserer an sich vollbelegten ICU.

Was also tun mit dem 70-jährigen Diabetiker, der sich seit der Aufnahme vor ein paar Tagen progredient verschlechtert hatte und auf unserer Normalstation trotz auf Maximum eingestellter HFNC (siehe Werbefoto) nur mehr auf 85% sättigte?

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Also bekommt er eine nicht-invasive (NIV) Maskenbeatmung (siehe Werbefoto). Das geht aber nur auf Überwachung oder ICU.

Der Patient: Komplett selbständig alleine lebend, aber 70 und Vorerkrankungen.

D.h. ein schlechter Verlauf ist recht wahrscheinlich. Soll ich das Notfallbett opfern und dann "zu" sein?

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Entscheidung:
Nein, denn sonst habe ich keine Möglichkeit mehr, eine jüngere, nicht vorerkrankte Person auf der ICU zu versorgen.

Die Pulmo-Überwachung gibt ihr letztes freies Bett her. Es findet eine Transferierung dorthin statt.

Davor ein Gespräch mit dem Patienten, der sich vor dem Ersticken fürchtet.

Beruhigung: "Wir tun alles für Sie", was gelogen ist. Ich habe ihm die ICU verwehrt.

Telefonat mit der weinenden Tochter. Sie versteht nicht, warum es dem Papa jetzt so schlecht geht wegen einer "Grippe". Obige Lüge auch für sie.

Zwischenzeitlich Visite, Gespräche, normale Aufnahmen, Routine.

Abends kommt eine Anfrage von der Notfall: Sie haben einen Patienten in den Schockraum bekommen mit hochgradigem Verdacht auf COVID. Er wurde vom Ärztefunkdienst mit 50% Sättigung bei Raumluft angetroffen, bereits seit zwei Wochen zunehmende Symptome.

Das Rettungsprotokoll lässt die zunehmende Verzweiflung der Sanis und die Bettensituation in Wien erahnen:

"Leitstelle wird versucht bezüglich Überwachungsbett zu erreichen, RTW (Anm: Rettungswagen) wird mehrmals abgewimmelt, da alle Bettenplätze belegt ... Nachdem sich die Bettengestaltung daher massiv verzögern wird, wird NEF (Anm: Notarzteinsatzfahrzeug) nachbeordert. ... LST wird durch NEF-Lenker nochmals telefonisch bezüglich Überwachungsbett kontaktiert. ... Patient wird in der langen Wartezeit für Zielspital weiter..."

Jetzt ist der 67-Jährige ohne bekannte Vorerkrankungen also auf unserer Notfall, mit HFNC (High Flow Nasal Cannula) am Anschlag, alle NIV-Betten (Nichtinvasive Beatmung) belegt, alle unsere ICU-Betten belegt, außer das einzige Notfallbett fürs ganze Spital.

->Trotz HFNC am Anschlag Aufnahme auf unsere Normalstation.

Hoffen darf man. Dass sich aber angesichts so einer Lunge durch ein bisschen Cortison keine rasche Verbesserung erreichen lässt, überrascht nicht.

Über Nacht weitere langsame Verschlechterung. In der Früh Entscheidung, das Notfallbett zu "opfern". Verlegung auf die ICU.

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Fast gleichzeitig Anfrage der Pulmo: 57-Jähriger Mann mit Vorerkrankungen, noch an HFNC, rasche Verschlechterung. Deren eigene Überwachungsstation brettlvoll.

Sorry, Pulmo, müssts in einem anderen Spital suchen.

Das ist der Bericht aus einem einzigen Spital. An einem Tag, als in Wien netto 13 zusätzliche COV+ ICU-Betten belegt wurden. Nur eines davon bei uns. Ich will mir gar nicht ausmalen, was in einigen anderen Spitälern los war.

Kann sein, dass mein Arbeitgeber unglücklich über meine Schilderung ist (wäre unnötig, denn der Gesundheitsverbund macht in dieser Krise einen großartigen Job, an ihm liegt es nicht). Kann sein, dass mir wer Preisgabe von Patientendetails vorwirft.

Aber man kann nicht ruhig zusehen, wie wir nur mehr einen kleinen Schritt von London Dezember 2020 entfernt sind. Während über "kluge Öffnungen" gesprochen wird und jeden zweiten Samstag Coronaleugner durch Wien ziehen, bricht die Intensivversorgung gerade zusammen.

Wer will, kann mir jetzt Panikmache vorwerfen. Geschenkt.

Wer aber wieder mit irgendwelchen Grafiken kommt, laut denen nur 30% oder 40% der Intensivbetten belegt wären, wird kommentarlos geblockt.

Schluss jetzt.