Verehrter Herr Prof. Wohlfahrt, Ihr werter Namensvetter, der Orthopäde und Sportmediziner Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt ist bekannt in Deutschland. Hofiert wurde er von Talk-Mastern, JournalistInnen und der Sportmedizinszene. Ungeniert und unwidersprochen durfte diese, medial zur Koryphäe hochgejazzte Figur, Theorien über den Einsatz von "Homöopathie" in Kombination mit der taktilen Sensibilität seines vermeintlich übersinnlichen Tastsinns verbreiten. Dass Müller-Wohlfahrt seinen PatientInnen auch Produkte aus Kälberblut (Actovegin) und bunte, "homöopathische" Gemische (sog. "Komplexmittel") injizierte, verschwieg er allerdings lächelnd ab einem definierten Zeitpunkt. Sein Schweigen begann dabei synchron zu dem Zeitpunkt, als sein "Mentor" Prof. Armin Klümper wegen hanebüchener und lebensgefährdender Praktiken in die Schlagzeilen geriet. Klümper, der laut Sprinter Manfred Ommer "grösste Doper des Planeten", wanderte nach dem Tod der Siebenkämpferin Birgit Dressel nach Süd-Afrika aus und verfasste ein Buch über "Naturheilmittel". Nein, das ist kein Witz.
Müller-Wohlfahrt als Leitfigur einer ganzen Branche
Nicht alle sind auf das Lausbublächeln des Bayern-München-Arztes hereingefallen. Kenner der Szene äußerten sich sehr kritisch, z. B. Dr. Willi Heepe, anerkannter Sportmediziner aus Berlin: „Ein guter Arzt wird mit diesem Placebo dosiert und seriös umgehen. Ob das Müller-Wohlfahrt tut, da habe ich meine Zweifel.“ Heepe sieht in der gefährlichen Praxis, Sportlern Mittel zu injizieren, Parallelen zu Klümper. „Der Klümper sagt: Kein Problem, das spritzen wir und holt seine Zaubermittel raus und gibt Injektionen. Dann wird es kriminell, weil ich nicht heile“, sagt Heepe in einem interessanten Beitrag aus dem Jahre 2010 zum Thema Doping von Sebastian Krause, Jonathan Sachse und Daniel Drepper.
Intraartikuläre und subcutane Injektionen für aktive Sportlerinnen noch immer im Köcher der SportärztInnen?
Im Bereich der Sportmedizin hat die Schwurbelmedizin offenbar einen wichtigen Verbündeten gefunden. In Anzeigen des Herstellers "Heel" wirbt die Ihnen bekannte Prof. Anja Hirschmüller (Sportmed. des Jahres) für "Traumeel" und beruft sich auf Nachfrage dabei auf "einige - zumindest tierexperimentelle - Daten, die Wirkmechanismen belegen" (persönliche Mail v. 30.11.22), obwohl es für das Tiermodell an Evidenz mangelt. Wie es scheint, ist der Sportbereich wohl eine Art idealer Nährboden für die Scharlatanerie. Junge PatientInnen mit maximalen Selbstheilungskräften und hohem Idol-Charakter machen sie als Projektionsfläche und Werbeträger hochattraktiv. Unerreichter Großmeister in der Disziplin Schwurbelmedizin war und ist Dr. Müller-Wohlfahrt. Einem dubiosen Mann, der Armin Klümer nach eigenen Aussagen in einem Interview mit dem "Spiegel" als seinen "Mentor" bezeichnet. In Werbeanzeigen wirbt die Deutsche Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (Deutscher Sportärztebund) e.V. auf peinliche Art und Weise für den Hersteller "homöopathischer Komplexmittel" und missbraucht dabei erneut auf schändliche Art und Weise ihre wichtige Vorbildfunktion. Die Affinität der Branche zur "Alternativmedizin" ist altbekannt: Prof. Armin Klümper schrieb, nachdem er die Siebenkämpferin Birgit Dressel "behandelt" hatte, ein Buch über Naturheilkunde und nutzte dabei Thesen von Ryke Geerd Hamer.
Nun möchte ich vom DGSP gerne wissen, wie hoch die Zahlungen ausfallen, die von der Firma "Heel" für den Werbeeinsatz bezahlt werden und wie diese Gelder von Ihnen, werter Herr Prof. Wolfarth, verwendet werden.
Gestatten Sie mir eine weitere Frage:
Es ist m.E. höchste Zeit für ein Statement der DGSP zur gefährlichen "Homöopathie", will man nicht aus niederen und unethischen Motiven heraus eine weitere Tragödie mitverantworten. "Prävention" schreibt sich der Deutsche Sportbund in den Namen - ob es eine placebogleiche Worthülse ist, das möchte ich gerne von Ihnen erfahren, Herr Prof. Bernd Wolfarth.
Mit freundlichen Grüßen: Dr. Hans-Werner Bertelsen, Bremen
Interessenkonflikt: Der Autor war Klassenkamerad der oben erwähnten Siebenkämpferin Birg