Vorab: Alle Impfungen werden nach ihrer Zulassung überwacht und bei Hinweisen auf Probleme erneut geprüft und gegebenenfalls angepasst. Besonders wird das aber ständig von der HPV-Impfung verlangt - natürlich von Impfgegnern, die sie sowieso ablehnen. Allerdings kann man da auch manches erfahren, was sonst wohl untergegangen wäre, also... Danke, liebe Impfgegner, durch eure Wahnvorstellungen haben wir noch bessere Argumente!

Wie ihr ja wisst, ist die HPV-Impfung älter als die meisten ihrer Empfänger - dahinter stehen knapp 18 Jahre Forschung bis zur Zulassung der ersten Version. Das wollen Impfgegner aber nicht so ganz wahrhaben. Es passt nicht in ihr Narrativ, dass Impfungen nicht erforscht wären. Okay, die klinischen Studien zeigen ganz klar, dass zumindest nicht auf die Art untersucht wurde, wie Impfgegner das gern hätten, aber seit wann kommt der Knochen zum Hund?

Bei der gleich folgenden Studie ging es darum, ob denn die Antikörper überhaupt langfristig vorhanden wären.

Wenig überraschend die Antwort: Nein.

Insiderwitz, denn die Antikörper, die durch die Impfung gebildet wurden, sind tatsächlich schon nach ein paar Tagen weg. Ist immer so, die leben nicht lang. Wofür auch. Aber in der Studie konnte gezeigt werden, dass auch nach acht Jahren eine starke Immunantwort getriggert wird1. Tatsächlich hat sich aber beim Lesen der Studie noch etwas anderes gezeigt, wofür ich den ursprünglichen Beitrag (der eben eigentlich endete) als Einleitung zweckentfremden möchte.

Sobald es nämlich um Studien geht, heulen die Nervensägen los. Entweder: "Solange nicht mit einem Placebo verglichen wird, ist die Studie gar nicht gültig", oder: "Na wurden denn diese komischen Zusatzstoffe überhaupt getestet oder wie die miteinander reagieren", und schon möchte man dieses Möchtegern-Chemikern mit der Faust das Gesicht streicheln. Im Ernst, da arbeiten Leute ihr Leben lang in Laboren, haben Bestnoten in etlichen Bereichen der Naturwissenschaften, nutzen hunderte Jahre an Erkenntnissen - aber klar, Heinz-Herbert aus Wanne-Eickel hat herausgefunden, dass die gar nicht wissen, was da verabreicht wird. Und deshalb sollte nämlich jede Impfung verglichen werden mit einem Placebo. Laut den meisten Impfgegnern soll das Kochsalzlösung sein. Auch wenn das jetzt wehtut: in vielen Fällen wird das sogar so gemacht (also mit Placebos verglichen). Beispielsweise in der hier verlinkten.

Warum war das möglich? Die Probanden waren Kinder von 9-15 Jahren, also zu Beginn der Studie vor jeglicher sexueller Aktivität. Es bestand kein Expositionsrisiko und daher keine moralischen Bedenken. Moralische Bedenken? Jap, die zählen auch mit zu den Gründen, warum nicht jede Studie so abläuft, wie manche das fordern.

Kochsalzlösung an sich dient zwar häufig als Placebo in anderen (nicht-)medizinischen Gebieten, verbietet sich aber zumeist in der Impfstoffforschung. Dabei geht es nicht um Kosten oder Verfügbarkeit, sondern um das Prinzip der Vergleichbarkeit. Es ist zu ermitteln, ob ein Impfstoff, insbesondere das Antigen, eine Wirkung verursacht. Dazu ist es am einfachsten, der Kontrollgruppe eine Substanz zu verabreichen, die genau dieselbe Zusammensetzung hat wie der Impfstoff - nur eben ohne besagtes Antigen. Das widerspricht nicht dem Prinzip des Placebos. Das ist nach wie vor gegen jedwede Erkrankung unwirksam und provoziert auch keine Immunantwort.

Manche Impfgegner fordern zudem, dass alle Teilnehmer einer solchen Studie zusätzlich mit dem Erreger infiziert werden, um zu prüfen, ob denn nicht schon ein natürlicher Schutz vorhanden wäre. Diese Forderung widerspricht aber Ethik und Moral: Wenn wir einen Impfstoff haben, der vermutlich gegen eine tödliche Krankheit schützt, ist es da moralisch vertretbar, einen Teil der Probanden bewusst diesen Schutz - mit allen Implikationen - vorzuenthalten? Der Grundgedanke ist ja erstmal noch nachvollziehbar; Wenn die Impfung wirkt, steckt sich diese Gruppe nicht an. Logisch ist daran nichts einzuwenden. Moralisch hingegen stellt sich die Frage, wie man es rechtfertigen will, dass ein Versuchsteilnehmer stirbt oder schwere gesundheitliche Schäden erleidet, wenn doch direkt daneben ein Schutz davor vorhanden wäre?

Diesen Vertretern sei gesagt: Herzlichen Glückwunsch, ihr wärt fantastische Helfer für Dr. Mengele und Co. gewesen. Die haben nämlich genau so gearbeitet. Stichwort Gerhard Rose2. Der hat im KZ Buchenwald Häftlingen einen Fleckfieberimpfstoff (Fleckfieber=Typhus) verabreicht. Zumindest 80 Personen. 15 Tage nach der letzten Injektion hat er ihnen dann Blut eines Typhuskranken intravenös injiziert - und zusätzlich 20 weiteren Ungeimpften als "Kontrollgruppe". Alle starben, da bereits ein Bruchteil der Menge tödlich gewesen wäre. Nicht etwa. weil der Impfstoff wirkungslos wäre, sondern weil Bakterien in die Blutbahn gespritzt wurden. Dort entziehen sie sich den meisten Gegenmaßnahmen des Immunsystems und verursachen binnen kürzester Zeit eine Blutvergiftung. Deswegen werden auch keine Impfungen intravenös verabreicht, sondern meistens intramuskulär (in den Muskel) oder subkutan (direkt unter die Haut, bevorzugt bei bekannten allergischen Reaktionen).

Rose wurde übrigens erst zu lebenslanger Haft verurteilt (die Malariaexperimente an Psychiatriepatienten, die dann hinterher ebenfalls getötet wurden, blieben außen vor), dann aber nach nur 10 Jahren begnadigt, von mehreren Disziplinarkammern aufgrund "fehlender Beweise" von allen Vorwürfen freigesprochen (man hat sich einfach nicht die Mühe gemacht, die Unterlagen aus den USA anzufordern) und lebte glücklich und zufrieden bis zu seinem Tod 1992, üppig alimentiert vom deutschen Steuerzahler. Deutschland und Entnazifizierung, das passt einfach nicht zusammen. Aber erstmal genug davon, zur fragwürdigen Praxis so mancher Gerichte, Behörden und deren Vorständen kommen wir ein anderes Mal zu sprechen.

Soviel zum Thema Placebos, Kontrollgruppen und Nebenwirkungen. Eigentlich könnte man meinen, an dieser Stelle wäre jetzt genug zum Thema Studien und Studienaufbau gesagt. Eigentlich.

Überraschung! Placeboforderungen sind zwar der Klassiker beim Anzweifeln medizinischer Studien, aber selbst dieses Pamphlet reicht nicht, um den geneigten Wissenschaftsfeind zum Schweigen zu bringen. Nein, natürlich gibt es noch weitere Forderungen, beispielsweise die Nebenwirkungen der Adjuvanzien, oder die Nebenwirkungen bei falscher Lagerung und falscher Verabreichung zu untersuchen. Auf dieser Grundlage wird dann weiter geschwätzt, dass keine Impfung zugelassen werden sollte, solange sie nicht absolut sicher ist. Das nennt man entweder „moving the goalpost“, also das Nichtigmachen einer Erklärung, indem man eine andere Behauptung aufstellt, die gar nicht angesprochen wurde, oder "Nirwana-Irrtum", einen logischen Fehlschluss, der besagt, dass nichts gut genug ist, solange es nicht perfekt ist. Ergo: Hat irgendjemand irgendetwas auszusetzen, ist es nicht gut genug. Eine mögliche Lösung? Die folgt nächste Woche im zweiten Teil ;)

Quellen:

1          https://publications.aap.org/pediatrics/article-abstract/134/3/e657/74155/Long-term-Study-of-a-Quadrivalent-Human?redirectedFrom=fulltext

2 https://de.wikipedia.org/wiki/Gerhard_Rose