Katar ist ein arabisches Land auf einer Halbinsel am persischen Golf. Regiert durch eine Monarchie, welche als Staatsreligion den Islam besitzt. Die Scharia bildet die Gesetzgebung. Ein Land mit gerade einmal 2,83 Millionen Einwohnern. Zudem werden homosexuelle Handlungen in Katar mit Strafen belegt, es drohen sogar bis zu fünf Jahre Haft. Das Recht auf freie Meinungsäußerung in Katar ist beschränkt, offener Antisemitismus wird durch radikalen Islamismus geschürt und Frauen werden im Alltag oft benachteiligt wie beispielsweise mit frauenverachtenden Traditionen oder unterdrückerischen Kleidungsvorschriften. Katar gilt zudem neben der Türkei unter Erdoğan als wichtigster Unterstützer der Muslimbruderschaft und anderer radikal islamischer Gruppen. Die Muslimbrüder werden mit ihrer Forderung zum Aufbau eines islamischen Staates von den arabischen Herrscherhäusern als Bedrohung ihrer Monarchien betrachtet.
Nach Einschätzung von Experten unterstützt die katarische Regierung islamistische Terrorgruppen wie al-Qaida die syrisch-oppositionelle al-Nusra-Front und den islamischen Staat. Katar führt zwar eine Liste von Terrororganisationen, 2014 hatte sie jedoch keinen einzigen Eintrag. Viele islamistische Terroristen leben seit Jahren trotz internationaler Proteste unbehelligt in Katar, ihre Auslieferung ist auch eine der Forderungen Saudi-Arabiens. Außerdem räumt die katarische Regierung ein, die palästinensisch-islamistische Terrororganisation Hamas zu unterstützen. 2017 entfachte deshalb eine Krise mit Katar’s Nachbarstaaten, die sich aber mittlerweile wieder entspannte durch Vermittlungen des Staates Kuwaits um die Beziehungen nicht zu gefährden.
Im Dezember 2010 gab die FIFA nach der Bewerbungsphase offiziell bekannt, dass der Austragungsort der WM 2022 in Katar sein soll. Nach Insiderinformationen soll Korruption bei der Wahl des Landes im Spiel gewesen sein. Es heißt, dass Stimmen von 2 FIFA-Funktionären gekauft worden seien und somit die Wahl aktiv manipuliert wurde. Eine unfaire und erzwungene Auswahl des Austragungsortes der WM 2022. Eigentlich hat Katar keine wirkliche fußballerische Tradition vorzuweisen und auch keine vorige WM-Teilnahme. Ein No-Name in der Fußballlandschaft weltweit. Die klimatischen Bedingungen sind alles andere als vorteilhaft um im Sommer eine WM austragen zu können, deshalb wurde das Turnier zeitlich an das Ende des Jahres in den Winter verschoben um aushaltbare Bedingungen für die Sportler zu ermöglichen. Der Flair einer Sommer-WM mit Public-Viewing in Deutschland ist somit dahin. Ob die Stadien in Katar gefüllt sein werden kann man zurecht bezweifeln. Neben der nicht vorhandenen Fußballtradition, wird es schwer sein ausländische Touristen und Fußballfans für die WM vor Ort zu begeistern. Katar kann nicht wirklich mit Attraktivität glänzen. Die Menschenrechtslage in der Scharia begründet. Es werden homosexuelle Paare nicht anerkannt und strafrechtlich verfolgt. Das mag auch vor allem an einer konservativen islamischen Wertevorstellung liegen. An dieser Stelle sei auch gerne der offizielle Katar Werbe-Slogan (For the Game, For the World) zitiert: „Und selbstverständlich werden die Fans aus der ganzen Welt nach dem faszinierenden Erlebnis der arabischen Gastfreundlichkeit Katar mit einem völlig neuen Verständnis für den Nahen Osten verlassen. Die FIFA Fussball-Weltmeisterschaft in dieser Region auszutragen wäre damit auch ein wichtiger Beitrag zur Völkerverständigung.“
Gilt diese Gastfreundschaft ausnahmslos für alle?
Gab, beziehungsweise gibt es diese Gastfreundlichkeit auch bei Gastarbeitern?
Was es zunächst mit den Gastarbeitern auf sich hat: Katar reichte in der Bewerbung um die WM 2022 genau 12 Stadien ein. Im späteren Verlauf des Bewerbungsprozess kam sogar noch ein weiteres Stadion hinzu, wofür Katar starke Kritik erntete. Für solch ein kleines Land sei die Anzahl von 13 Stadien zu hoch, so der Vorwurf. Daraufhin wurde die Anzahl auf die folgenden acht offiziellen WM-Stadien reduziert. Alleine 7 davon liegen in oder in der Nähe Katars Hauptstadt Doha. Das 8. Stadion liegt nördlich von Doha an der Westküste und trägt den Namen al-Bayt Stadium. Zum Zeitpunkt der Zusage der WM in Katar, hatte das Land nur 2 Stadien. Das Khalifa International Stadium in Doha und das al-Rayyan Stadium in al-Rayyan. Folgend bedeutet das also, dass 6 Stadien aus dem Boden gestampft werden mussten.
Nicht nur Stadien werden und wurden gebaut sondern auch um die 30 neuen Hotels. Gleichzeitig will Katars Emirfamilie die gesamte Infrastruktur ihres superreichen Ministaats modernisieren: Mehr als 100 Kilometer Metro sind geplant, eine Autobahnbrücke nach Bahrain, dazu ein komplett neues Schienennetz für ihre Halbinsel im Persischen Golf.
Ein neuer Flughafen sowie Straßen und öffentlicher Nahverkehr – über 100 Milliarden Dollar wurden und werden von der Führung Katar’s investiert. Für so große Projekte braucht man viele Arbeiter. Am besten billige Arbeitsmigranten. Etwa 2 Millionen Migranten aus Ländern wie Indien, Pakistan, Sri Lanka, Bangladesch und Nepal. Vielleicht ist das Wort “Sklaverei“ tatsächlich passender als “Arbeitsmigrant“. Menschenunwürdige Arbeitsbedingungen sind die Regel und nicht die Ausnahme. Die Arbeit auf den Megabaustellen wird schlecht bezahlt, man wird schlecht ernährt, untergebracht in überfüllten, schäbigen Massenbaracken vor den Toren der Städte. Wer krank wird, bekommt die Tage im Bett vom Lohn abgezogen. Oft müssen die Arbeitskräfte monatelang auf die Auszahlung ihres Gehalts warten oder es kommt gar nicht bei den Arbeitern an. Doch die Arbeiter werden erpressbar gemacht indem man ihnen mit kompletten Lohnausfall oder einer Abschiebung droht. Eine indirekte Zwangsarbeit mit existentiellen Druck wird somit auf viele Arbeiter ausgeübt. Nach einem veröffentlichten Recherchebericht im Februar 2021 der britischen Tageszeitung „Guardian“ sollen seit der WM-Vergabe mehr als 6500 Arbeiter aus Indien, Pakistan, Nepal, Bangladesch und Sri Lanka gestorben sein. Das Blatt beruft sich dabei auf Regierungsangaben. In der großen Mehrzahl der Fälle sei eine natürliche Todesursache angegeben worden. Katars Regierung teilte mit, die Sterberate unter Millionen ausländischer Arbeiter liege in einem zu erwartenden Bereich.
In einem erwartbaren Bereich?
Wohl eher ein ziemlich hoher Preis für die Austragung einer WM. Die Dunkelziffer der Todesfälle möge noch viel höher liegen. Als häufige Ursachen werden Herzversagen nach extrem langen Arbeitsschichten in der Gluthitze und schwere Arbeitsunfälle genannt. Als weitere Todesursachen werden außerdem Krankheiten sowie durch die psychische und physische Belastung Suizide aufgeführt. Amnesty International spricht in einem Bericht, der bereits 2013 veröffentlicht wurde ebenso von angewandter Zwangsarbeit. Salil Shetty, Generalsekretär von Amnesty International äußert sich verärgert: „Es ist einfach unentschuldbar, dass in einem der reichsten Länder der Erde dermaßen viele Gastarbeiter skrupellos ausgebeutet werden, man sie ihres Lohns beraubt und sie dem Kampf ums Überleben preisgibt“.
Keine anderen Regionen der Welt nutzen die Dienste von Gastarbeitern in solchen Dimensionen und mit solchen jährlichen Zuwachsraten wie die arabischen. Die jungen Saudis, Kataris und Kuwaitis denken gar nicht daran, sich die Finger schmutzig zu machen. Manuelle Arbeit ist verpönt, und zu den mageren Löhnen der ausländischen Migranten wollen sie schon gar nicht schuften. Stattdessen streben sie alle nach einem sicheren Posten im ohnehin schon aufgeblähten Staatsdienst. Ihr Lebensziel ist ein ruhiger Schreibtischjob, möglichst üppig bezahlt, mit kurzen Arbeitszeiten, während das Millionenheer der Inder und Asiaten Wohlstand und Wirtschaft am Laufen hält, in der Regel mit Monatslöhnen zwischen 150 und 400 Euro.
Jeder Arbeiter braucht ein Arbeitsvisum von einem lokalen “Sponsor“, der nach einem Bürgschaftssystem, “Kafala“ genannt, allmächtig ist. Die meisten bekommen bei Ankunft ihren Pass abgenommen, sind jeder Willkür ausgeliefert und dürfen erst nach Jahren wieder ihre Familie daheim besuchen. „Der Arbeiter ist völlig an seinen Arbeitgeber gebunden. Er kann ihn nicht verlassen, egal wie schlimm er behandelt wird“, sagt Nicholas McGeehan von Human Rights Watch.
Ohne Einverständnis reichen einheimische Unternehmen die Gastarbeiter je nach Belieben an andere Unternehmer weiter. Ein gesetzlicher Mindestlohn existiert ebenso wenig wie eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht. Wer widerspricht, vorenthaltene Bezahlung nachfordert oder gar streikt, derjenige muss in den allermeisten Fällen die sofortige Heimreise antreten. Auch Kündigung, Wechsel des Arbeitgebers und Flucht aus dem Gastland sind praktisch unmöglich: Für das Ausreisevisum ist die Unterschrift des Sponsors nötig. Nach den Maßstäben der Internationalen Arbeitsorganisation „ILO“ erfüllt das den Tatbestand der Zwangsarbeit. Diese Menschen werden zudem systematisch belogen hinsichtlich ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen, oft existieren die versprochenen menschenwürdigen Arbeitsplätze auch gar nicht. Und so prangern Menschenrechtsorganisationen die Zustände als moderne Sklaverei, Ausbeutung und Zwangsarbeit an, ein Vorwurf, den der Vorsitzende des katarischen Nationalkomitees für Menschenrechte, Ali al Marri, energisch bestreitet, auch wenn er zugibt, dass es „einige Probleme“ gebe. Der katarische Arbeitsminister Salah al Khulaifi versprach 2013 angesichts der internationalen Empörung, sein Land werde für die WM- Baustellen die Zahl der Arbeitskontrolleure von 150 auf 300 verdoppeln. Eine Farce angesichts der andauernden und weiterhin prekären Zustände für Arbeiter in den letzten Jahren.
Sharan Burrow, die Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes forderte ein deutliches Signal des Weltfußballverbandes an die Adresse des Emirates:
„Die Fifa darf nicht erlauben, dass die WM 2022 errichtet wird auf dem Fundament moderner Sklaverei – in Katar aber ist das die Realität von hunderttausenden Arbeitsmigranten.“
Ja…, die Fifa dürfte dies eigentlich nicht erlauben jedoch tut sie dies offensichtlich.
Ein unfaires Spiel in Hinsicht der menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen, der Ausbeutung, der Todesfälle,… die Liste ist lang. Ein unfaires Spiel obwohl die WM noch nicht einmal begonnen hat. Ein schwerer Tabubruch, welcher eigentlich die rote Karte der Weltgemeinschaft verdient hätte.
Immerhin gab es Veränderungen im Jahre 2017: Die Regierung von Katar hatte mehrere Reformen eingeführt, die Migranten begünstigen sollen: Die Arbeitszeiten von Hausangestellten, die im Haushalt ihrer Arbeitgeber leben, wurden reguliert. Arbeitsgerichte wurden eingerichtet, die den Zugang zur Justiz erleichtern sollen. Ein Fonds zur Kompensation von nicht ausbezahlten Löhnen wurde eingerichtet sowie ein Mindestlohn eingeführt.
Katar hat in den letzten Jahren Gesetze abgeschafft, die vorschrieben, dass Arbeitsmigrantinnen und -Migranten die Zustimmung ihrer Arbeitgeber einholen müssen, wenn sie ihre Stelle wechseln oder das Land verlassen wollen. Das Land hat außerdem zwei wichtige internationale Menschenrechtsabkommen ratifiziert – wenngleich den Arbeitnehmern auch weiterhin nicht gestattet wird, sich in Gewerkschaften zu organisieren. Wenn die Maßnahmen ordnungsgemäß und vollumfänglich umgesetzt würden, könnten sie dazu beitragen, die problematischsten Aspekte des Kafala-Sponsorensystems zu beenden und Migrantinnen und Migranten in die Lage zu versetzen, sich aus missbräuchlichen Arbeitsbedingungen zu befreien und Rechtsmittel dagegen einzulegen. Zurzeit sind jedoch immer noch tausende Arbeiterinnen und Arbeiter weiterhin schwerwiegenden Verstößen gegen das Arbeitsrecht ausgesetzt. Es mangelt komplett an einer ordnungsgemäßen Umsetzung und Kontrolle der Gesetze und Vorschriften.
Letztens fiel die DFB-Elf bei einem WM-Qualifikationsspiel gegen Island mit einer besonderen Aktion auf: Die Nationalmannschaft zeigte sich zu Beginn des Spiels mit bemalten T-Shirts auf denen jeweils ein Buchstabe stand. Beim Gruppenfoto ergab sich dann von links nach rechts gelesen in Großbuchstaben das Wort “Humanrights“.
Zudem veröffentlichte der DFB Verband ein Making-Of Video in dem einige bekannte Fußballer die T-Shirts mit den Buchstaben bemalten. Beides stieß auf Kritik auf Social Media. Marketing mit Menschenrechten zu betreiben um selbst in einem guten Licht dazustehen ist eben mehr als heuchlerisch. Eine doppelmoralische Imagekampagne. Nicht nur weil die Bayern-Spieler bei ihrem Club gleichzeitig Werbung für die Fluglinie aus Katar machen und dort regelmäßig ihr Trainingslager abhalten sondern weil auch eine Teilnahme an der WM in Katar nicht boykottiert wird. Wenn man nicht konsequent handeln möchte und klar sowie deutlich seine Message zum Ausdruck bringen will ohne dabei Kompromisse einzugehen und ohne dabei eine Teilnahme an der WM auszuschließen, dann machen sich diejenigen mitschuldig und sind Teil des Systems.
Es gibt allerdings auch klare Boykott-Aufrufe von unzähligen Amateur Fußballvereinen und Privatpersonen. Unter der Website www.boycott-qatar.de lässt sich eine große Community finden, die sich zum Verzicht der Teilnahme an der WM ausspricht und eine Petition gestartet hat. Außerdem wurden norwegische Fan-Initiativen ins Leben gerufen, die ihre Vereine dazu bringen wollen kein Sponsoring autoritärer Staaten anzunehmen bzw. keine Trainingslager u.ä. in selbigen abzuhalten. Zudem haben mehrere norwegische Erstligaklubs die norwegische Nationalmannschaft dazu aufgefordert nicht an der WM teilzunehmen. Inzwischen haben sich sieben der 16 norwegischen Erstligisten, darunter Rekordmeister Rosenborg Trondheim, für einen WM-Boykott ausgesprochen. Norwegen steht also als einziges Land kurz vor einem Boykott. Näheres soll bei bei einem außerordentlichen Bundestreffen am 20. Juni besprochen werden. Der Rasenproduzent “Hendriks Grasdozen“, der bereits für die letzten WM’s als Rasenlieferant für die Spielfelder tätig war, boykottiert ebenfalls die Lieferung, bereits seit 2010, wegen der allgemeinen schlechten Menschenrechtssituation in dem Golfstaat. Ein paar internationale Fußballmannschaften zeigen zwar mit Protestaktionen in Form von Plakaten, T-Shirts etc. ihre Beachtung zu dem Thema aber zu einem wirklichen Boykott konnte sich noch kein Land durchringen.
Wie realistisch ist ein Boykott überhaupt?
Dass ein ganzer Verband die WM in Katar boykottiert und sich so selbst zur Zielscheibe für die FIFA macht, ist unwahrscheinlich. Denn ein WM-Boykott kann neben einer Geldstrafe von mindestens 20.000 Schweizer Franken (bzw. 40.000 nach Beginn der WM-Qualifikation) laut FIFA-Regularien auch den Ausschluss von künftigen FIFA-Wettbewerben wie der Frauen-WM 2023 oder der Männer-WM 2026 bedeuten. Ein einzelner Verband dürfte das Risiko scheuen, sich selbst auf Jahre aus dem Weltfußball zu schießen.
"Ich glaube nicht, dass der Boykott der WM ein richtiger Ansatz ist", erklärte Fifa Präsident Gianni Infantino. Vielleicht hat er damit sogar Recht. Die tausenden Arbeiter wären umsonst gestorben. Trotzdessen hinterlässt die geplante Durchführung einen sehr bitteren Beigeschmack.
Titelbild: Local Organising Committee (c) zenith.me
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