Herr Laschet,

ich bin kein Freund offener Briefe.
Wenn ich jemandem die Meinung zu sagen habe, schreibe ich ihm persönlich.
Doch wenn ich Ihnen schriebe, käme der Brief überhaupt bei Ihnen an? Und wenn er ankäme, würden Sie ihn auch lesen? Und angenommen, Sie läsen ihn, würden Sie ihn verstehen? Ich bezweifle alles davon und Letzteres am meisten.
Also schreibe ich Ihnen stattdessen hier. Nicht, dass ich es wagen wollte, mich der Hoffnung hinzugeben, Sie würden diese an Sie gerichteten Worte jemals lesen. Oder verstehen. Aber vielleicht lesen sie andere Menschen. Vielleicht sogar sehr viele. Vielleicht mehr, als Sie sich überhaupt vorstellen können.
Um sie an Ihrer statt zu verstehen. Und Ihnen im September gemeinsam die Meinung zu sagen.
Vielleicht verstehen Sie es ja dann.

Wenn im Kindergarten Bilder gemalt werden, möchte jedes Kind das schönste Bild malen. Natürlich möchte jedes Kind von den Erzieherinnen gelobt werden. Alle Kinder geben sich größte Mühe, manche Bilder sind gut, andere weniger, vielleicht ein oder zwei besonders schön. Am Ende werden alle gelobt und zwei oder drei besonders schöne werden aufgehängt. Das beherrscht jeder Fünfjährige.
Sie aber, Herr Laschet, sind der unangenehme kleine Junge, der ein beschissenes Bild malt und dann hingeht und die Bilder aller anderen Kinder übermalt, beschmiert und zerreisst, bis nur noch sein Bild übrig ist. Damit alle Erzieherinnen sagen müssen: »DU hast das schönste Bild gemalt. DAS hängen wir jetzt auf.« Und das erzählt er dann stolz zu Hause seiner Mama.

Sie, Herr Laschet, sind unfähig, ein schönes Bild zu malen. Nicht für unser Deutschland. Nicht für unsere Zukunft. Und deshalb beschmutzen und zerreissen Sie lieber die Bilder anderer. Bilder, von denen viele Menschen vielleicht sagen würden: »Das Bild gefällt mir besser. Das möchte ich mir die nächsten Jahre aufhängen.«
Weil Sie kein anderes Bild malen können, als jenes, das jeder von uns schon so lange sieht, wenn wir aus dem Fenster schauen.
Sie haben nichts anzubieten. Keinen blauen Himmel. Keine kreisrunde, zitronengelbe Sonne, die von oben auf uns herunter lacht. Keine grünen Bäume. Nicht einmal dieses kleine Stückchen Hoffnung in bunten Farben, das jeder Fünfjährige produzieren könnte, damit wir uns wenigstens das zu Hause an die Wand hängen könnten, um Trost darin zu finden, bis wir uns wieder trauen können, aus dem Fenster zu schauen oder vor die Tür zu treten, sind Sie in der Lage zu geben.

In Ihrem Bild gibt es nur düsteren Himmel und tote Baumstümpfe.
Gemalt in den Grau-und Schwarztönen schlecht geschnittener Anzüge, getragen von niederen Männern.
Als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes verscherbeln Sie bereits jetzt scham- und haltlos die einzigartige Natur der dort lebenden Menschen an die Meistbietenden. Und dann sollen wir glauben, Sie würden als unser Bundeskanzler nicht umgehend das Gleiche mit ganz Deutschland tun? Unserem schönen Deutschland?
Für wie blöd halten Sie uns eigentlich?

Aber Sie wissen ja, wie man sich die Gunst der Wähler erkauft, nicht wahr? Ist Ihnen die Definition des Wortes »Wahlgeschenk« geläufig, Herr Laschet? Natürlich ist sie das. Ganz alte Schule.
Zwinkerzwinker.

Aber Sie lesen ja ohnehin nicht mit. Also:
Als Wahlgeschenk bezeichnet man die Einführung einer Vergünstigung durch eine regierende politische Partei, kurz bevor sie sich der Wiederwahl stellen muss, mit dem Ziel, so die Gunst der Wähler zu erlangen.
Wundervoll. Und so nützlich, nicht wahr?

Aber Ihre Wahlgeschenke sind vergiftet. Deshalb verteilen Sie sie auch nicht an Ihre sabbernden Kunden aus der Industrie, die bereits mit heraushängenden Zungen an Ihrer Hintertür Schlange stehen. Nein. Das kommt später, nicht wahr? Dafür haben Sie Ihre Leute.
Sie verteilen Ihre vergifteten Wahlgeschenke an die Erschöpften, die Ausgehungerten und die Hoffnungslosen. Die, die nach so endlos langer Zeit des Verzichts und der Angst nur einmal wieder Sonne sehen wollen. Und sei es nur kurz. Wider jede Vernunft. Und Sie geben ihnen, was sie wollen, nicht wahr, Herr Laschet?
Weil Sie wissen, wer Dank Ihrer vorzeitigen, widersinnigen und wissenschaftlich völlig unfundierten Lockerungen wenigstens an ein oder zwei Wochenenden in der Sonne sitzen und einen Cappucino schlürfen darf, der wird viel wahrscheinlicher sagen: »Boah... danke, Armin. Dat hat mal wieder jut jetan! Watt biste doch füren feine Jeck. Disch wähl isch!«
Nur, um acht Wochen später wieder in der tristen Bude zu sitzen, weil wieder alles zu ist, deprimiert kalte Ravioli aus der Dose zu fressen und als letztes Überdruckventil die Kinder anzubrüllen, dass sie gefälligst die Fresse halten sollen, weil man überhaupt nichts mehr vom Fernseher versteht. An so etwas zerbrechen Menschen, Herr Laschet. Kleine wie große.
Aber das betrifft Sie ja nicht, nicht wahr, Herr Laschet?

Daran, dass alles immer wieder von vorne losgeht, tragen Ihre Entscheidungen natürlich keinerlei Mitverantwortung. Daran sind immer andere Schuld. Das Wetter. Oder Annalena Baerbock. Hätte die mal früher ihre Nebeneinkünfte angemeldet, dann würde das Land längst ganz anders aussehen! Oder die angeblich völlig widersprüchlichen Aussagen der sogenannten Experten. Sie armer kleiner Mann. Alle reden durcheinander und jeder sagt was anderes. Wie sollen Sie da auch wissen, wie Sie eine Entscheidung fällen können, zu der Sie auch in drei Monaten noch stehen können?
Das ist ja so nervig!

Sie, Herr Laschet, sind kein Mann, der zugeben kann, dass er nicht weiter weiß und sich dann Rat bei echten Experten holt. Sie sind ein Mann, der sich Experten ranholt, wenn er genau weiß, was er will. Und Sie wissen genau, was Sie wollen, nicht wahr, Herr Laschet? Deswegen stellen Sie ja bereits Ihr ganz eigenes Team von Experten zusammen.
Deswegen ziehen Sie den größten Parasiten aus dem Enddarm der Großindustrie, der sich darin schon so lange, so tief eingenistet hat, dass ganze Branchen sich wohlig räkeln, wenn er sich nur ein wenig regt. Weil sie wissen, wenn der Armin erstmal Bundeskanzler ist, wird Onkel Friedrich schon für uns sorgen. Er wird uns mit offenen Armen empfangen, damit wir unsere Forderungen stellen können, nachdem wir ihm ein Angebot gemacht haben, das er nicht ablehnen wird.
Und die hohen Herren mit den teuren Anzügen und den dezenten Lederköfferchen müssen nach der Wahl anständig betreut werden, sie sollen sich ja schließlich auch wohl fühlen. Denn die haben immerhin das große Geld und sind großzügig bereit, jedem davon etwas zu spenden, der sich ihnen zu Willen macht. Und genau dafür ziehen Sie diesen Parasiten heraus und holen ihn in Ihr Wahlkampf-Team. Mit der Erklärung, er werde Sie im Kampf gegen die Pandemie unterstützen. Menschen wie Friedrich Merz sind selbst die Pest, Herr Laschet. Die helfen gegen keine Pandemie.
Aber Ihre Partei braucht ja schließlich so dringend Geld, nicht wahr? Nur von Politik und Sonnenschein kann keiner leben. Und bei den Erschöpften, Ausgehungerten und Hoffnungslosen ist nun mal kein Geld zu holen. Für leere Ravioli-Dosen gibt's kein Pfand zurück. Ganz gleich, wie viele sich davon in Ecken stapeln.

Das Einzige, was Sie noch dringender brauchen als Geld sind Wählerstimmen.
Und das wissen Sie genau. Sie können schließlich das Eis schon unter Ihren Füßen knirschen hören, denn es wird immer dünner.
Ich vermute ja, das liegt am Klimawandel.
Erderwärmung. Gletscherschmelze. Komplizierte Geschichte. Kaufen Sie sich ruhig mal ein Buch dazu, da wird Ihnen das erklärt. Und keine Sorge, die gibt es jetzt auch mit vielen bunten Bildern. Das lernen heute nämlich schon die Kleinsten. Ist ja auch sinnvoll, die wird es schließlich am stärksten betreffen.
Und genau für diese zusätzlichen Wählerstimmen lassen Sie einen Hans-Georg Maaßen in Thüringen von der langen Leine. Einen ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der vorgibt, keine Ahnung zu haben, welches Vokabular in radikal denkenden Kreisen unterschiedlichster Couleur gepflegt und dementsprechend wiedererkannt wird.
Huch! Hab ich ein böses Wort gesagt? Wusste ich nicht. Sagt mir ja keiner. Huch! Schon wieder. Sowas Dummes. Ist noch jemand hier, der es noch nicht gehört hat?
Wer schützt eigentlich unsere Verfassung vor solchen Verfassungsschützern? Sie, Herr Laschet? Oder geht das erst, nachdem Sie Bundeskanzler sind? Ich persönlich verstehe ja nichts von Politik, Herr Laschet. Ich habe keine Regierungserfahrung, keinen Master, kein Vordiplom und wahrscheinlich nicht mal Abitur. Man weiß es nicht genau.
Was ich aber weiß ist, dass ich, wenn ich Bundesvorsitzender einer angeblich Christlich Demokratischen Partei wäre (ein Gedankenexperiment, zugegeben, könnte mir nie passieren, ich habe auch meinen Stolz), mir jemanden wie Hans-Georg Maaßen in mein Büro zitieren würde, um aus seinem Munde zu erfahren, was genau er damit meinte, als er, vorgeblich im Bezug auf Klimaschutzmaßnahmen, vor laufender Kamera gut hörbar für jedes offene Ohr sagte:
»Wir können nicht die Welt retten, wir haben es schon zweimal versucht, die Welt zu retten, und es ist jedes Mal schiefgegangen.«
Womit genau wollte Deutschland schon zwei Mal die Welt retten? Haben wir schon zwei mal versucht, innovative, wirkungsvolle Klimaabkommen im Alleingang durchzudrücken, aber es ist immer schiefgegangen, weil keiner mitmachen wollte? Alleine geht's nicht und alle anderen sind doof.
Mir persönlich fällt nur eines ein, was schon zwei Mal von deutschem Boden ausgegangen ist, und beide Male "schief ging". Und das sollte ja eigentlich nie wieder passieren. Wahrscheinlich, weil wir immer verlieren.
Nur noch kurz die Welt retten, ich lad schnell das Gewehr.

Aber das sind ja nur »linguistische Beweise« und »sophistische Feinheiten«, da geht das klar. Schön gesagt. Wer hat Ihnen denn das auf Ihr Merkkärtchen geschrieben? Auf jeden Fall hat er ganze Arbeit geleistet. Denn solch komplizierte Worte, aus Ihrem Mund, im Brustton der Überzeugung, im richtigen Moment als süffisante Entgegnung auf kritische Nachfragen lassen dem armen Schwein, das zu Hause vor dem Fernseher sitzt, weil er dank Ihnen schon wieder nicht raus kann, nichts anderes übrig, als empört zu rufen: »Watt is datt? Datt klingt wieder wie irgend'son Gender-Schweinkram! Da hat der Armin et ihm aba jeheben!« Und sich noch eine Dose Ravioli aufzumachen, bevor er Ihnen im September seine Stimme gibt. Sie toller Hecht. Reife Leistung.
Nur ist damit nicht die Frage beantwortet, was das eigentlich für ein Mann ist, dem Sie da Narrenfreiheit gewähren, Sie Narr.

Einem Mann, der sich so weit nach rechts hin aus dem Fenster lehnt, dass er dem Bodensatz der rechtsstaatlichen Gesellschaft die Hände entgegen strecken kann. Aber natürlich gerade eben nicht so weit, dass er nach draußen fiele.
Da sei Gott vor, Sie brauchen ihn ja noch. Um die fehlenden Stimmen mit Material vom rechten Rand aufzufüllen. Denn dafür ist Hans-Georg Maaßen ja in Thüringen. Dem Bundesland, in dem die Partei des Faschisten Björn Höcke die zweitstärkste Fraktion stellt. Ein Mann an der Spitze der zweitstärksten Partei eines deutschen Bundeslandes, dem gerichtlich bescheinigt wurde, dass man ihn straffrei einen Faschisten nennen dürfe, weil »dieses Werturteil nicht aus der Luft gegriffen ist, sondern auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht.« Guck an. Das wir das noch mal erleben müssen.
Wenn Sie mich fragen, muss man Björn Höcke sogar einen Faschisten nennen und zwar bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Aber Sie fragen ja doch nicht. Und was weiß ich schon.
Und diesem Faschisten und seiner Partei soll Hans-Georg Maaßen nun in Thüringen ein paar der so dringend benötigten Wähler abluchsen. Damit sie ein neues Zuhause bei der CDU finden. Und das ist ja kein Geheimnis oder eine Mutmaßung. Denn wie schrieb Hans-Georg Maaßen es so schön deutlich in seinen eigenen Worten in seinem Tagebuch in der Weltwoche (Nr.18 21):
»Mir geht es nicht um die AfD, sondern um deren Wähler. Diesen möchte ich deutlich machen, dass es auch in der CDU einen Platz für Sie gibt.«
Ach, kennen Sie gar nicht? Sollten Sie mal lesen. Sehr aufschlussreich. Er tut unter anderem die Angst vor dem Klimawandel oder Corona als fanatische Irrationalität ab und zieht über Greta Thunberg her. Sie werden sich totlachen. Genau Ihr Humor.
Und nun soll dieser Mann die Wähler einer Partei, deren Fraktionsführer unverhohlener Faschist ist, davon überzeugen, dass es auch einen Platz für sie in der CDU gibt? Na, das sind ja feine Gäste, die Sie sich da laden wollen. Da müssen Sie die CDU bis zur Wahl aber noch ordentlich hübsch machen. Reichsflagge ins Wohnzimmer und vielleicht sollten Sie erwägen, sich bis zur Wahl noch einen kleinen Bart wachsen zu lassen. Sie wissen schon, wo.
Das wird ganz toll. Und wenn die Gäste erstmal da sind, wird die CDU ganz sicher alles tun, damit sie sich so wohl fühlen, dass sie nie wieder gehen wollen.
Ich möchte gar nicht so viel kotzen, wie ich fressen muss.

Sie, Herr Laschet, sind kein Bundeskanzler. Und Sie könnten niemals einer werden. Sie sind nur ein kleiner Mann mit einem großen Machtkomplex. Sie wollen gekrönt werden, so wie Ihr berühmter Vorfahr. Einmal König von Deutschland sein.
Sie wollen gar nicht unser Bundeskanzler sein. Sie wollen nur Ihr teigiges Hinterteil in den ledernen Thron plumpsen lassen, den unsere Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel 16 Jahre lang viel besser ausgefüllt hat, als die meisten es jemals zugeben könnten. Damit Sie am Ende Ihres kleinen Lebens wenigstens das sagen können:
»Ich war Bundeskanzler.«

Aber Sie sind nicht Deutschlands Bundeskanzler, Herr Laschet. Und Sie werden es auch nicht. Nicht, wenn wir es verhindern können. Und das können wir. Jeder einzelne von uns. Und wir sind viele. Viel mehr, als Sie sich vielleicht vorstellen können. (Mit Zahlen haben Sie es ja ohnehin nicht so.)
Und wir werden immer mehr.

Schämen Sie sich, Herr Laschet. Bevor wir alle uns jeden Tag auf's Neue für Sie schämen müssen. Für lange Zeit.
Aber eigentlich ist es selbst dafür bereits viel zu spät, nicht wahr?

Missachtungsvoll,

Herr Balsam


Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Faschist Björn Höcke bei jeder sich bietenden Gelegenheit als eben solcher benannt werden sollte.
#TausendMalGesagt

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