Ich finde, es ist nicht an der Zeit, den Staat Israel in seiner Gesamtheit zu diskutieren, ein Land mit nicht einmal 10.000.000 Einwohnern, 2022 Platz 14 auf der Liste der Länder weltweit mit dem höchsten BIP pro Kopf, eine militärische Großmacht, Atommacht gar, eine Demokratie mit einer Regierung, die, auch das muss man sagen, von religiösen Eiferern angeführt wird. Und damit ist der Israelisch-Palästinensischer Konflikt noch nicht einmal benannt.

In den sozialen Medien begrüßt mancher die Terroraktionen der Hamas, in Berlin etwa wurden Gräueltaten, die ich hier nicht verlinke, bejubelt, Baklava  wurde verteilt, und die Angriffe der Hamas wie eine Art Befreiung gefeiert. Es soll hier klargestellt werden, dass eine solche Auffassung schlicht falsch ist.

Die Hamas kontrolliert den Gazastreifen. 2006 erreichte sie bei demokratischen Wahlen in den palästinenischen Autonomiegebieten die absolute Mehrheit. 2007 folgten in Gaza bürgerkriegsähnliche Kämpfe mit der konkurrierenden Fatah, die die Hamas für sich entscheiden konnte. Sie hat sich seitdem keiner demokratischen Wahl mehr gestellt.

Die Vernichtung Israels ist das erklärte Ziel der Hamas.
In ihrer 1988 veröffentlichten Gründungscharta stellt sie gleich im zweiten Abschnitt unmissverständlich klar:
"Israel will exist and will continue to exist until Islam will obliterate it, just as it obliterated others before it."
[Israel wird existieren und wird weiter existieren, bis der Islam es auslöschen wird, so wie er andere vor ihm ausgelöscht hat]
In Artikel 7 heißt es weiter: "The Day of Judgement will not come about until Moslems fight the Jews (killing the Jews)."
[Der Tag des Gerichts wird nicht kommen, bis die Muslime gegen die Juden kämpfen (die Juden töten).]
Und in Artikel 32 heißt es schließlich: "Leaving the circle of struggle with Zionism is high treason, and cursed be he who does that."
[Den Kreis des Kampfes mit dem Zionismus zu verlassen, ist Hochverrat, und verflucht sei der, der das tut.]

Israel aber ist Realität.
Und das Ziel seiner Auslöschung absurd.
Wie aber soll sich ein Land verhalten, dem vorgeworfen wird, wie eine Besatzungsmacht zu agieren, insbesondere im Gazastreifen, der von einer Organisation kontrolliert wird, deren erklärtes Ziel es ist, eben dieses Land auszulöschen und jeden seiner Bewohner zu töten?

Es steht außer Frage, dass Israel die dominante Macht in diesem ungleichen Kampf ist. Ebenso wie außer Frage steht, dass die Hamas diesen Fakt nicht zu akzeptieren gedenkt. Würde sich die Hamas der Verantwortung der Menschen in Gaza bewusst sein, so würde sie vielleicht einsehen müssen, dass ein Krieg gegen Israel nichts bringen wird außer Tod, Zerstörung und unendliches Leid. Sie würde sich vielleicht eher um Aussöhnung bemühen, um Frieden, um Stabilität. Statt einen sinnlosen, blutigen Kampf zu führen, der vor allem das Ziel zu haben scheint, die eigene Stellung im Land zu legitimieren. Und der die Reaktion Israels auf die jüngsten Massaker zweifellos einkalkuliert.

Und damit Menschen zu Märtyrern zu machen, die wohl nie Märtyrer sein wollten.

Auf beiden Seiten.

Man kann und darf deutliche Kritik üben am Agieren Israels, an der Siedlungspolitik zum Beispiel. Überhaupt an dem Umstand, dass religiöse Fundamentalisten einen derart großen Einfluss in einem grundsätzlich demokratischen, säkularen Staat haben. Doch was den Konflikt selbst betrifft, so sind es die Extremisten, die diesen am Leben halten. Die Extremisten auf beiden Seiten. Die sich unversöhnlich gegenüber stehen, dem Gegenüber kein Jota von irgendetwas zugestehen wollen, zugestehen können. Weil sie in ihrer überkommenen Sicht auf diese Welt nur diesen kleinen Ausschnitt begreifen, den sie sich selbst gewählt haben. Mauern im Kopf, die sie selbst gezogen haben. Während die Gemäßigten, die Versöhnlichen bloß dastehen und fassungslos zusehen, ohne Antwort auf die Frage, was man tun kann. Was man denn tun kann?
Und damit unterscheidet sich die Situtation in Israel vielleicht in ihrer Vehemenz und Schonungslosigkeit, jedoch nicht grundsätzlich von dem, was mittlerweile überall auf der Welt zu beobachten ist.

Das aber hat seine eigene Tragik.


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