Ich erinnere mich noch daran, als sei es gestern gewesen -meine Unterhaltung mit dem CIO eines Strickmaschinenherstellers: “Ich habe in meinem Leben die ärmsten Gegenden der Welt kennengelernt. Der Preiskampf der Textilindustrie ist unerbittlich. Wo wir unsere Maschinen aufstellen, gibt es nicht einmal ausgebaute Straßen. Entsteht eine Basis-Infrastruktur, wird der Standort zu teuer und die Unternehmen der Textilverarbeitung ziehen weiter. ”
Warum ist das so? Verschließen wir die Augen vor der Thematik? Nein, Nachhaltigkeit und fairer Handel werden für Verbraucher immer wichtiger. Allerdings haben wir Stand heute keine Chance, die vielschichtigen Prozesse und komplexen Lieferketten der Branche zu durchschauen. Wir können nicht sicher sein, ob das 3 € T-Shirt wirklich so viel mehr Ressourcen verbraucht hat als das für 50 €. Zudem versprechen uns die meisten Hersteller quer durch alle Preisklassen faire Löhne und umweltschonende Herstellung. Momentan müssen wir das einfach glauben. Es wird also deutlich:
Der Bekleidungsindustrie fehlt es an Glaubwürdigkeit und Transparenz
Transparenz schafft Glaubwürdigkeit – Die Digitalisierung macht es möglich, denn sie kann Transparenz, gegenseitige Kontrolle und Revisionssicherheit mit Hilfe der Mathematik herstellen – über die Blockchain (dazu später mehr). Außerdem steht das digitale Zeitalter für die Teilhabe aller an Hochtechnologie, denn Cloud Services machen keinen Unterschied: Das Startup kann sie genauso nutzen wie der Weltkonzern. Die Kosten berechnen sich nach Aufwand – in etwa so, wie wir Strom aus der Steckdose abrechnen. Einer der Gründe, warum klein und kreativ jederzeit groß und träge überholen kann. Genau das belegen die vielen Geschichten über erfolgreiche StartUps. Heute teile ich mit Euch eine besonders inspirierende: Über drei junge Männer, die mal wieder belegen: Digitalisierung heißt “Wer wirklich will, kann die Welt verändern”. Dazu braucht es vor allen Dingen ein Verständnis davon, wie aus dem Blumenstrauß an Services die richtigen zusammengestellt werden. In wenigen Monaten haben die drei mit dem Oracle Cloud Angebot “Blockchain As A Service” das Fundament dafür gelegt, die Spielregeln einer Industrie zu verändern.
Die Regeln der Bekleidungsindustrie neu schreiben
Wenn Lukas Puender, einer der Gründer von retraced, anfängt zu erzählen, ist es die Geschichte unserer modernen Zeit. Alles ist möglich. Wenn Du die Welt zu einem besseren Ort machen willst, mache es.
Lukas Pünder, Philipp Mayer und Peter Merkert sind alte Schulfreunde, mittlerweile sind alle Mitte zwanzig und haben die Welt bereist. Und genau dort nimmt die Geschichte ihren Anfang:
Philipp entdeckt in Mexiko kunstvoll geflochtene Schuhe aus Naturmaterialien – die Huaraches. Traditionelle Handwerkskunst, die nicht nur in Mexiko, sondern auch in Nordamerika gerne gekauft wird. Philipp war so begeistert, dass er die Schuhe nach Europa bringen wollte: das Schuhlabel Cano war geboren und Lukas war mit an Bord, denn ihn begeisterten die komplett aus nachhaltigen Materialien gefertigten Schuhe genau so sehr wie Philipp. Dass sie faire Löhne zahlen wollten, war für beide selbstverständlich. Lukas bringt es auf den Punkt:
“Mode soll allen Spaß machen. Das geht nur mit fairen Löhnen und nachhaltigen Materialien.”
Und anders als bislang in der Branche üblich, wollten sich die beiden nicht damit abfinden, dass die Kunden Nachhaltigkeit und Fairness anhand eines abgedruckten Zertifikates “einfach glauben” müssen. Außerdem stießen sie schon bei ihren Huaraches mit der noch vergleichbar überschaubaren Anzahl an Zulieferern auf eine andere Herausforderung: die Nachverfolgung von Lieferketten bis zum Rohstoff ist aufwändig. “Wir erkannten bei Cano, dass uns eine einfache SQL-Datenbank nicht weiterhilft.” Nun sind weder Philipp noch Lukas IT-Spezialisten, aber da war ja noch Peter Merkert, der Freund aus Schulzeiten. Auch er ein Weltbürger:
Er hat an der deutschen Elite Universität in Karlsruhe (KIT) Informatik studiert, in China an einem ERP System gearbeitet, in Newcastle (UK) ein Aufbaustudium “Computer Games Engineering” abgeschlossen und lebt jetzt mit seiner griechischen Ehefrau in Zypern.
Intransparente Lieferketten sind der perfekte Anwendungsfall für die Blockchain-Technologie: das digitale Kontoführungsbuch, in das unterschiedliche Stakeholder ihre Daten protokollieren. Alle vertrauen dieser verteilten Datenbank, denn die Beteiligten kontrollieren sich gegenseitig. Was einmal in der Blockchain eingetragen wurde, kann nie mehr verändert werden (mehr dazu hier ).
Mit Oracle von der Idee zum Blockchain-Startup in wenigen Monaten
Die drei waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Anfang 2018 waren die “Blockchain-As-A-Service” Angebote der großen Cloud Anbieter gerade erst aus der Taufe gehoben worden. Oracle ist ein Technologiekonzern, der zudem Startups finanziell unterstützt. Mit der Unterstützung von Oracle Blockchain Experten ging die transparente Plattform für die Bekleidungsindustrie im Frühjahr 2019 an den Start. Dies innerhalb von Cano zu betreiben, machte keinen Sinn, also wurde ein echtes Tech-Startup gegründet: retraced war geboren. Passend zur Biographie der Gründer ist das Team international: Die insgesamt 12 Mitarbeiter stammen aus insgesamt 8 Ländern: Von Deutschland über Mexico, China, Belgien, Belize, Philippinen, Griechenland bis Zypern. I
Die Verbrauchersicht: Mit dem Smartphone eine 360 Grad Sicht auf Kleidung
Was ist nun konkret die Dienstleistung von retraced? Stell Dir vor, Du möchtest ein schwarzes T-Shirt kaufen und hast zwei in der engeren Auswahl. Mit Deinem Smartphone scannst Du einen QR-Code am T-Shirt ein und Du siehst auf einen Blick: (abhängig von den Daten der Brands)
- Wasserverbrauch
- Einsatz von Insektiziden und Pestiziden
- Zertifikate der Zulieferer
- Informationen über die Zulieferer: Standort, Arbeitsbedingungen
Da geht noch mehr. Ich kann mir – wenn es die Brand möchte – anschauen, welcher Mensch an welchem Ort dieses Kleidungsstück genäht hat. Digitalisierung führt uns wieder zum Menschlichen zurück. Ein schöner Gedanke, oder? Denn ich sehe auf einmal nicht nur das Kleidungsstück, sondern seine ganze Geschichte. Dies beeinflusst und verändert unser Kaufverhalten.
Digitale Transparenz führt uns zum Menschlichen zurück
Von genau dieser neuen ganzheitlichen Sicht auf Kleidung profitieren die Kunden von retraced – die Brands. Wenn der Kunde konkret erkennt, wieviel Ressourcen seine Kleidung verbraucht hat und die Gesichter der an der Herstellung beteiligten Menschen sieht – ist er bereit, für Kleidung einen angemessenen Preis zu bezahlen. Wenn Nachhaltigkeit und Fairtrade wirklich erlebbar werden, erhält das Endprodukt eine neue Wertschätzung. Ein echter Ausweg aus dem unerbittlichen und unmenschlichen Preiskampf der Branche.
Die Brands können dem Preiskampf zu entkommen und Compliance Prozesse vereinfachen
Retraced kann neben der Emotionalisierung der Herstellungsprozesse noch mehr: nämlich die Compliance-Prozesse vereinfachen. Stellt Euch das verteilte Kontoführungsbuch der Blockchain wie ein großes Netzwerk vor. Jeder Knoten in diesem Netzwerk hat eine Kopie des Buches, alle kontrollieren gegenseitig die Korrektheit der hinzukommenden Daten und überprüfen ständig, ob alle die gleiche Version haben. Dadurch sind Manipulationen so gut wie unmöglich und alle teilen den gleichen Stand an Informationen. Wenn die Teilnehmer der Blockchain zustimmen, können sich kontinuierlich neue Unternehmen anschließen. Das ist zum Vorteil aller. Viele kleine Zulieferer sind noch gar nicht digitalisiert, andere größere Brands beispielsweise verwalten alle ihre eigenen Datensilos. Mit den entsprechend großen Aufwänden für Datenaustausch und -abgleich.
Nehmen wir das Beispiel einer Näherei in Bangladesch. Ist diese Teil der Blockchain, können alle anderen auf die Öko- oder FairTrade-Zertifikate zugreifen. Der Nachweis muss also nicht für jeden einzelnen Kunden der Näherei erbracht werden. Und natürlich kann auch die entsprechende Zertifizierungsstelle Teil der Blockchain sein – das vereinfacht den Prozess weiter und erhöht Transparenz und Glaubwürdigkeit. Mit der Lösung von retraced kann die Näherei Teil einer Blockchain werden ohne selber das technologische Know How haben zu müssen.
Außerdem gilt: Je mehr Teilnehmer in der Blockchain, umso besser. Freie Kapazitäten innerhalb der Lieferketten können so viel einfacher und schneller belegt werden. Die Technologie ist also ein Effizienzbooster.
Das geht noch mehr: Digitale Verträge lassen Gegenstände geschäftsfähig werden
Für die Zukunft haben die drei noch viel vor. Peter Merkert hat schon konkrete Vorstellungen, in Code gegossene Verträge (Smart Contracts) in der Blockchain abzubilden. So könnten zum Beispiel Zahlungen automatisch durchgeführt werden, wenn eine Lieferung ihren Zielort erreicht hat. Die “Economy of Things” wird Realität.
retraced ist die Geschichte über die Chancen unserer digitalen Welt
Die Gespräche mit Philipp, Lukas und Peter haben mich begeistert. Ihre Geschichte von retraced zeigt für mich die Chancen der digitalen Welt unter einem Brennglas: Wir Menschen leben in einem globalen Dorf, in dem wir nur überleben können, wenn wir unsere Art zu wirtschaften überdenken: Teilhabe muss für alle gelten.
Ideale lassen sich mit Technologie zum Leben erwecken: Es braucht nicht mehr den Großkonzern, um Hochtechnologie zu nutzen. Cloud-Services stehen für alle bereit: von der künstlichen Intelligenz bis zum Blockchain-Framework. So wird aus einer Idee ein konkretes Geschäftsmodell, das dem etwas Wunderbares entstehen kann. Und es zeigt einmal wieder auf Neue:
Digitalisierung verändert. Alles.
Wer meine Gespräche mit Lukas und Peter hören möchte: ich habe sie als Episode von Provokant Rosarot aufgezeichnet:
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