In ihren philosophischen Fragmenten über die „Dialektik der Aufklärung“ haben Max Horkheimer und Theodor W. Adorno verkündet, „Das Programm der Aufklärung war die Entzauberung der Welt“. Der Satz wird zwar gerne wiederholt und als tiefe Einsicht gepriesen, er hat aber schon länger nichts mehr mit der Art zu tun, in der sich die Welt den Menschen präsentiert. Je nachdem, aus welchem Blickwinkel man schaut, ist die Welt entweder zu komplex oder verschränkt, um verständlich dargestellt oder gar berechnet zu werden, oder die Erklärungen, mit der die Forschung die Wirklichkeit zu bändigen versucht, erweisen sich als geheimnisvoller als die Phänomene, um die es geht. Wer zum Beispiel das simple Fallen von Gegenständen verstehen will, landet zuletzt bei den Krümmungen der Raumzeit durch Masse, wie Albert Einstein es vorgeschlagen hat. Tatsächlich wird die Welt durch die Erklärungen der Wissenschaft verzaubert, auch wenn die Sozialphilosophen das noch nicht bemerkt haben, und das ist nur das erste Scheitern der großen Idee, die im 18. Jahrhundert als Aufklärung vor allem von Immanuel Kant propagiert worden ist. Kant verstand unter Aufklärung den „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“, was sagen will, dass es auf mündige Menschen ankommt, die sich ihres Verstandes „ohne Anleitung eines anderen bedienen“. Wer heute durch eine Innenstadt spaziert oder an Bahnhöfen auf den Zug wartet, wird allerdings sofort erkennen, dass davon keine Rede sein kann. Der moderne Mensch ist nicht mündig, dafür aber händig geworden. Er bedient sich schon längst nicht mehr des eigenen Verstandes und verlässt sich vielmehr auf ein Handy, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass dieses Wunder in der eigenen Hand das tut, was die Aufklärung angeblich abschaffen wollte. Das Handy verzaubert die Welt, weshalb kaum jemand in der Lage ist, seine Aufmerksamkeit von dem magischen Kasten ab- und dem Geschehen in der realen Welt zuzuwenden. Die Wirklichkeit verliert im Handy ihre Langeweile, wenn bunte Bildchen auf dem Display flimmern. Man könnte trotzdem die Aufklärung retten, wenn die Unmündigen am Handy zur Kenntnis nehmen würden, was Einstein 1930 gesagt hat. Er meinte, es sollten sich alle schämen, die sich der Wunderwerke von Wissenschaft und Technik bedienen und davon nicht mehr verstehen als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frisst. Wer ein Handy nutzt, ohne auch nur das Geringste von dem Zauberkasten zu verstehen, wird eine konsumierende Kuh, die sich weder des eigenen Verstandes bedient noch einen anderen benötigt. Kants Wunsch nach mündigen Bürgern hat zuletzt handysüchtige Menschen hervorgebracht, denen interesselose Wohlgefallen an einem Handy genügt. Eine handliche Dialektik.

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