Sehr geehrte Frau Folkerts,

mein Name ist Mela Eckenfels. Ich bin eine freie Journalistin und Autorin. Studiert habe ich Geisteswissenschaften (interdisziplinär), mit Geschichte und Creative Writing. Ich erwähne das, weil zu meinen Themen im Studium Medizin- und Wissenschaftsgeschichte, als auch die sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen der Pestepidemien im 14. Jahrhundert gehörten. Diese Zeit, und die Pest, spielt auch in meiner Recherche zu einem historischen Roman eine zentrale Rolle.

Auch mit den Choleraepidemien, der Gelbsucht (im Rahmen meines Studienschwerpunkts Kolonialgeschichte) und der Spanischen Grippe habe ich mich vertieft während des Studiums und in der Zeit danach beschäftigt.

In meiner nicht-fiktionalen Arbeit beschäftige ich mich mit Wissenschaft und hier vor allem mit den Versuchen, mit einem Anschein von Wissenschaft zu lügen, mit Pseudomedizin, Scheintherapien und mit der Geschichte und der Gegenwart der Impfgegnerbewegung.

Mit diesem fachlichen Hintergrund wusste ich zu Beginn der SARS-CoV-2 Pandemie folgendes:

  1. wir wissen nicht wirklich, was auf uns zukommen wird
  2. das wird sich rasch ändern, aber wir werden dabei auch in Sackgassen laufen
  3. aber  wir müssen handeln, bevor wir sicher wissen, womit wir es zu tun haben, denn manche Entwicklungen lassen sich nicht mehr oder nicht mehr gut abfangen
  4. wir müssen unsere Kontakte auf das absolut notwendige Minimum reduzieren - und zwar bevor und ohne dass uns eine Regierung dazu auffordern oder zwingen muss
  5. wir müssen unsere Mobilität auf das absolut notwendige Minimum reduzieren - und zwar bevor und ohne dass uns eine Regierung dazu auffordern oder zwingen muss
  6. wir müssen uns solidarisch verhalten, denn eine Pandemie ist kein individuelles Problem
  7. niemand ist sicher, solange nicht alle sicher sind.

Ich gestehe, ich war zu Beginn sehr naiv.

  • Ich war nämlich überzeugt, dass wir zum Einen als Gesellschaft zusammenkommen und gemeinsam diese Zeit durchstehen.
  • Ich war überzeugt, dass wir als Staatengemeinschaft zusammenkommen und gemeinsam diese Zeit durchstehen.
  • Und ich war überzeugt, dass ein so reiches Land wie Deutschland niemanden im Stich lassen wird.
  • Ich war überzeugt, dass wir nun all die Informationen haben, die man im 14. Jahrhundert nicht hatte. Das wir deswegen wie erwachsene Menschen mit der Pandemie umgehen werden.

Ohne Panik, aber mit Weitsicht, Umsicht, Empathie, Mitgefühl und Verstand.

Ich habe mich in all diesen Punkten geirrt.

Inzwischen habe ich, bedauerlicherweise, jeden Respekt vor einem großen Teil meiner Mitbürger verloren. Ich musste meinen Glauben, dass wir als gebildete, nahezu vollständig alphabetisierten Gesellschaft, die Informationen nutzen, die wir haben, um vernunftgesteuerte Entscheidungen zu treffen, revidieren. Das schon sehr früh, als Menschen mit Klopapier und Mehl überladene Einkaufswägen aus den Supermärkten schoben und Handdesinfektionsmittel aus Krankenzimmern stahlen.

Die Vorstellung, dass zu diesem Zeitpunkt die Lieferketten zusammenbrechen konnten, war absurd. Die Lage war – global – ernst, aber – lokal – nicht bedrohlich. Wir hatten als Land frühzeitig und konsequent gehandelt und ich war weiterhin hoffnungsvoll, dass wir die Sache im Griff haben.

Dabei hätte mich meine Arbeit im Bereich des Impfgegnertums vorbereiten müssen, wie irrational Menschen bereits sein können, ohne die Furcht vor einem unsichtbaren Feind im Nacken. Auf was ich überhaupt nicht vorbereitet war, war, dass die erste konsequente Reaktion auch die einzige konsequente bleiben sollte und wir uns in eine Spirale aus Wissenschaftsleugnung, Partikularinteressen, Inkompetenz und Entscheidungsschwäche hineinmanövrieren.

Für mich war jedenfalls das eigene Handeln klar. Die Firma, für die mein Mann arbeitet, handelte ebenfalls früh und schickte alle ins Homeoffice. Wir entrǘmpelten den zweiten Arbeitsplatz im Heimbüro und lernten damit umzugehen, die unterschiedlichen Bedürfnisse unsere Arbeit unter einen Hut zu bringen.

Mit Humor, Geduld und Active Noise Cancelling Kopfhörern.

Die weitere Linie, wie gesagt geboren aus meiner Erfahrung mit Pandemien der Geschichte, war: keine – notwendigen – Dinge aufschieben oder verzögern, wie Arztbesuche. Alles andere jedoch wird unterlassen. Weil wir können, weil wir privilegiert sind, und weil wir so einen – statistischen – Ausgleich schaffen können, für Menschen, die ihre Kontakte nicht reduzieren können, wie Verkäufer im Lebensmittelhandel oder Pflegepersonal.

Weil wir uns in der glücklichen Lage befanden, die Form unserer Solidarität nicht äußeren Zwängen unterwerfen zu müssen.

Entsprechend haben wir alle Treffen, alle Familienfeiern, alle Zusammenkünfte an Feiertagen oder Geburtstagen abgesagt. Die Grenze des Bundeslandes war für mich immer die harte Grenze der Mobilität, die ich selbst zugelassen habe – die ich auch nur aus zwingenden Gründen überschreiten würde. Die 'weichere' Grenze der persönlichen Mobilität war der Stadt- bzw. Landkreis. Ich habe diese seit vergangenem März nur zu vier Gelegenheiten übertreten, davon war nur ein Ausflug nicht medizinischer Natur. Eine Wanderung im Schwarzwald um die Monotonie der Walkingrunden in Wohnungsnähe zu unterbrechen. Mein Bundesland, habe ich seit über einem Jahr nicht verlassen.

Es mag an meinem fachlichen Hintergrund liegen, aber ich nehme die Situation ernst. Nicht "Panik" ernst, aber ich sehe eine Pandemie nicht als eine Zeit, die Raum für Egoismus, Nachlässig- und Gedankenlosigkeit lässt. Und, wie gesagt, ich befinde mich in der privilegierten Lage, mir diese Zurückhaltung erlauben zu können.

Ich verstehe durchaus, wenn andere zwar ihren möglichsten Teil beitragen, aber sich in ihrem Leben an einer Stelle befinden, an der sie aus beruflichen oder persönlichen Gründen nicht auf maximale Distanz zu Mitmenschen gehen zu können. Es ist mir auch völlig klar, dass es vielen Menschen deutlich schwerer fällt, auf direkte, persönliche Kontakte zu verzichten, als mir.

Aber es gibt eine ganze Menge wo mein Verständnis und – ganz ehrlich – auch meine Toleranz, endet.

Und damit komme ich nun leider auch zu Ihnen.

Denn eines, was mir von Beginn an mächtig auf die Nerven ging, war die fehlende Bereitschaft vieler Mitmenschen, sich der Situation auf eine ruhige, sachliche Art zu nähern.

Was mir nicht nur auf die Nerven ging, sondern mich auch schockierte, war, wie dünn sich der zivilisatorische Lack auf einmal erwies.

Wie schnell die Rede von "Risikogruppen" war, die den Rest davon abhielten ihr Leben ganz normal weiterzuleben – obwohl bereits die Daten, die wir aus China hatten, diese Sichtweise überhaupt nicht zuließen. Dass Risikogruppen stärker betroffen sind, heißt nicht, dass nur Risikogruppen betroffen sind. Das Fehlen jeder Bereitschaft, sich damit auseinanderzusetzen, dass eine Pandemie nun mal kein individuelles Problem ist, sondern ein Public-Health-Konzept benötigt, an dem alle mitwirken. Und natürlich das auch direkt die ersten Heuschrecken auftauchten, die sich zu nutze machten, dass die Mehrheit der Menschen kein vertieftes Wissen in Sachen Pandemien besitzt.

Heuschrecken, die mit Falschinformationen, und nur zu gerne auf dem Rücken besagter Risikogruppen, die Hoffnung auf ein normales Leben trotz Pandemie versprochen und verkauft haben.

Fassungslos machten mich auch jene, die ihnen nicht nur zugehört haben, sondern zuhören wollten. Und die nur zu gerne einen Teil ihrer Mitmenschen im Handumdrehen als irrelevant und überflüssig definiert haben und die mit Enthusiasmus in deren Kasernierung eingewilligt hätten oder deren Tod mit einem Schulterzucken hingenommen.

Auch wie schnell die Rede war, von Diktatur, Zwang, Gängelung und 'wie ein Kind behandelt werden'.

An dieser Stelle frage ich Sie direkt, Frau Folkerts, mit ihrem launigen, 'ironischen' Gedicht über das mehr an Lockdown, auf das sie sich freuen in einer Kampagne, die den 'Lockdown' (der nie einer war) kritisiert. Einer Kampagne, die nicht wirklich kritisiert wie die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie stattfinden, sondern die kritisiert, dass es überhaupt Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie gibt:

Wie privilegienblind muss man sein, um sich nicht mal ansatzweise innezuhalten und nachzudenken? Wie kann es so vielen Menschen und auf so lange Zeit nicht auffallen, dass man sich Einschränkungen, die auf Freiwilligkeit basieren, leisten können muss?

Wie kann man ignorieren, dass es Regeln geben muss und zwar auch für Arbeitgeber, Schulen, Universitäten etc. verbindliche Regeln, die es Menschen erlauben zu Hause zu bleiben? Die es ihnen erlauben ihre Mobilität einzuschränken ohne den Job zu verlieren, Abschlüsse in Gefahr zu bringen oder auf den Kosten für eine stornierte Reise sitzen zu bleiben.

Wie kann man sich allen Ernstes hinstellen (und damit meine ich nun nicht direkt Sie, sondern vor allem 'Querdenker' oder die Initiatoren Ihrer Aktion) und verlangen, dass jegliche Pandemiemaßnahme nur auf Freiwilligkeit setzten dürfe?

Wie kann ich übersehen, wer dann nicht in der Lage ist, diese Freiwilligkeit zu nutzen, weil er am Band arbeitet, oder die am Band Arbeitenden zur Arbeit transportieren muss? Weil er den aggressiven Maskenmuffel im ICE kontrollieren muss, oder weil er zu der Mehrheit der Büroarbeiter gehört, deren Arbeitgeber leider nicht so umsichtig ist, wie der meines Mannes? Der damit zu der Mehrheit der Arbeitgeber in Deutschland gehört, die ihre Angestellten nicht ins Homeoffice geschickt haben, obwohl deren Aufgaben es erlauben würde.

Es ist eine laute, egoistische und durch und durch ignorante Minderheit, die nach Freiwilligkeit kräht, weil sie sich selbst diese Freiwilligkeit leisten kann. Ein Mittelfinger an all die, die es nicht können. "Eure Armut kotzt mich an" in der Pandemieversion.

Wussten Sie, dass man in London die Ausbreitung des Virus erschreckend deutlich verfolgen konnte? Zuerst tauchte es in den wohlhabenden Stadtteilen auf. Eingeschleppt durch gutsituierte Fernreisende.

Dann sickerte es langsam in die ärmeren Stadtviertel ein, eingetragen von denen, die in die wohlhabenden Stadtteile pendelten. Von Haushaltshilfen, Dienstleistern in 'körpernahen' Branchen, Servicemitarbeitern und allen anderen, die das Leben in der gehobenen Mittelschicht so angenehm machen.

Dort, wo Haushalte eng zusammenleben und oft auch ältere Familienmitglieder Teil eines Haushalts sind, hat das Virus dann seine hässliche Fratze am Deutlichsten gezeigt.
Enge Wohnverhältnisse. Hohe Virenlast. Schwere Verläufe. Tote.

Kummer und Leid.

Ein Drama in Zeitlupe, das mit der Tube über die ganze Stadt verbreitet wurde, bis zum - vorläufigen - Höhepunkt. Der in Schlangen von Krankenwagen, gipfelte, die für die an akuter Atemnot leidenden Menschen in ihrer Obhut kein freies Bett mehr fanden.

Wie kann man von solchen Entwicklungen den Blick abwenden, ignorant bleiben über die Opfer die Schulter zucken? Wieso vertrocknet einem beim Aussprechen von Sätzen wie "wer Angst hat, soll zu Hause bleiben" dann nicht vor Scham die Kehle?

Erneut, das frage ich nicht Sie persönlich. Aber fragen Sie es doch mal Ihre Kollegen.

Und da ist noch ein anderer Aspekt – nein, ehrlichgesagt nicht nur einer–, der mich wahnsinnig macht.

Mit meinem Hintergrund, der mich regelmässig Studien analysieren und auf Schwachstellen abklopfen lässt, beobachte ich die Forschung zu SARS-CoV-2 seit dem Auftauchen der ersten Berichte über ein neues Virus.

Was ich sehe, sind hauptsächlich zwei Seiten.

Eine Seite, die versucht das Virus und sein Verhalten zu verstehen. Sie versucht Modelle zu entwicklen, die uns zeigen, wo wir stehen und wo sich die Situation hin entwickeln wird – abhängig von unterschiedlichen Variablen.

Diese Seite versucht die Politik zu beraten, versucht Handlungsempfehlungen für die Allgemeinheit zu geben, versucht aufzuklären und Wegweiser zu sein. Sie versucht Medikamente zu entwickeln, die Behandlung zu verbessern und mehr Menschen das Überleben zu ermöglichen. Sie versucht herauszufinden, wie wir die Pandemie beenden können und das unter so geringen Opfern wie möglich. Sowohl finalen, menschlichen Opfern, aber eben auch den Opfern, die wir alle täglich bringen und dem Verzicht, den wir leisten. Forschung, die auch versucht herauszufinden, wie wir agieren können, so dass sich wirtschaftliche Kollateralschäden im Rahmen halten. Eine Seite, die es auch in Rekordzeit geschafft hat, uns Hoffnung in Form von unfassbar effektiven und wissenschaftlich hochspannenden Impfungen zu geben. Eine Seite, die in den letzten 13 Monaten Grenzen durchbrochen oder ausgeweitet und sich selbst übertroffen hat.

Und dann gibt es die andere Seite, die von Tag 1 genau wusste, was auf uns zukommt und das wir es einfach ignorieren können, weil es ist 'nur eine leichte Grippe' und mit einem 'guten Immunsystem muss man das Virus nicht fürchten'. (Ob das auch die berühmten letzten Worte der Native Americans nach dem ersten Zusammentreffen mit dem Geschenk der Siedler waren, dem Influenza Virus?)

Die Seite, die von Tag 1 an alles besser machen würde, besser gemacht hätte. Die keine Erkenntnis, keinen Mehrwert beiträgt, aber dafür beständig versucht, zu beweisen, dass Seite 1 doof ist und inkompetent.

Warum Sie sich, warum Ihr Umfeld sich entschlossen hat, die Argumente der zweiten Seite stichhaltiger zu finden, als die der Ersten, erschließt sich mir nicht.

Ebenso erschließt sich mir nicht, wie man sich im Angesicht der Hilferufe der Intensivmediziner, der Pflege, hinstellen kann und sich über die Menschen lustig machen kann, die Solidarität leben. Wie man behaupten kann, diese würden sich mehr Lockdown wünschen, litten am Stockholm Syndrom oder an Untertanengeist oder hätten schlicht Angst vor einem eigentlich in Wirklichkeit harmlosen Virus.

Ernsthaft, wie willentlich ignorant, wie abgehoben, wie privilegiert muss man die letzten Monate verbracht haben, um etwas derartiges in dieser Situation gut zu finden? Unter welchem Stein, oder in welchem Loft muss man sich verkrochen haben, um sich zynisch über zehntausendfaches Leid zu erheben und sich mit derartig schäbigen Videos über die zu stellen, die wollen, dass wir alle gut durch diese Zeit kommen?

Aber such satire, such irony, such art. Und wir Schlafschafe, die wir uns gerne Einsperren lassen, verstehen das alles nur nicht.

Ich kenne sie nicht, Frau Folkerts. Ich kenne nur das Bild, das ich von ihnen hatte. Das war eines von Integrität und Lebensfreude. Positive Vibes, sozusagen. Alleine deswegen verstehe ich nicht, wie sie sich in dieser Situation an einer Aktion beteiligen konnten, die nichts dafür tut, das etwas besser wird. Die nicht aufmuntert, nicht durchhalten lässt, die keine Kraft gibt sondern nur nimmt. Die Mut nimmt, Glauben an das Gute im Mitmenschen und Durchhaltevermögen.

Dabei ist die Notwendigkeit da. Für Kunst, für Unterhaltung, für Eskapismus und auch für Kritik.

Die Pandemiereaktion unserer Regierung war nur sehr kurz gut. Inzwischen hat sich gezeigt, wer sich alles schamlos bereichert, dass Lobbyinteressen dominieren und wir hohe persönliche Einschränkungen bei gleichzeitig hohen Opferzahlen hinnehmen müssen.

Jene, die alles immer besser wissen, haben den Diskurs vergiftet, in dem sie Märchenschlösser gebaut, irrationale Hoffnungen geweckt und Zweifel an denen gestreut haben, die tatsächlich Kompetenz besitzen.

Es sind auch die hässlichsten Aspekte des menschlichen Seins ans Tageslicht gekommen. Menschen wollen Teile der Gesellschaft zurücklassen, zucken über deren Gefährdung nur empathiefrei mit den Schultern, für die Freiheit eine Latte im vollbesetzten Café zu schlürfen.

Ja, einiges davon ist eine unglückliche Form, mit der Situation, dem Druck und der Ungewissheit, umzugehen. Aber ich stelle nun doch fest, dass ich mit sehr, sehr vielen Menschen nicht zusammen in einem sinkenden Boot sitzen wollte. Denn statt ein Floß zu bauen, damit alle überleben, würden viele erst mal alle über Bord stossen, die zu alt, zu klein oder zu schwach sind.

Frau Folkerts, Sie hätten in der aktuellen Situation viele Entscheidungen treffen können und viel leisten können. Sie hätten ihren Namen, ihre Reichweite nutzen können, um Mut zu machen, um Kraft zu geben. Sie hätten nach außen gerichtet andere aufbauen können, zum Support für Pflegekräfte aufrufen können oder für bessere, konsistentere Pandemiemaßnahmen streiten.

Es hätte auch keine großen Gesten gebraucht. Kleinigkeiten wie das tägliche Sonnet, das Sir Patrick Stewart in der Hochphase der ersten Kontaktbeschränkungen vorlas, können ein Gefühl der Zusammengehörigkeit schaffen, Menschen auch über die Zwischenräume hinweg verbinden und uns unserer Menschlichkeit erinnern.

Sie hätten für Impfungen werben können, oder generell: Sie hätten Ihren Blick nach Außen richten können, Sie hätten verbinden können.

Statt dessen haben Sie ihn – anscheinend – nach innen gerichtet, auf eine Gruppe Künstler, die sich in erster Linie selbst leid tut und die Welt und vor allem die Kontaktbeschränkungsmaßnahmen, als persönliche Beleidigung begreift.

Was sie auch immer zu ihrer Beteiligung bewogen hat – und ich hoffe wirklich, dass sie nicht wussten, was im Endeffekt bewirkt werden sollte – sie haben daran mitgewirkt zu spalten.

Ich möchte nicht klagen, Frau Folkerts. Mein vergangenes Jahr war nicht nur trotz, sondern sogar dank Pandemie großartig. So viele Events, die online gegangen sind, an denen ich im Normalfall nie hätte teil haben können. Die mir ermöglicht haben, neue Leute kennenzulernen, neue Kontakte zu knüpfen und die meine Chancen und Möglichkeiten enorm erweitert haben. Ich bin privilegiert und dankbar.

Aber auch mir geht langsam die Puste aus. Ich werde gereizter, ich schlafe schlechter. Die Situation, der Limbus, diese ewige, elende Zwischenwelt in der wir gerade alle hängen, sie geht auch mir an die Substanz.

Noch habe ich Kraft, aber das war keine Einladung, davon noch etwas wegzunehmen, in dem Sie helfen, den Diskurs noch stärker zu vergiften.

Dennoch werde ich tun, was ich seit Beginn der Pandemie tue. Ich werde mein Möglichstes tun, mich aus der Rechnung herauszunehmen. Als Ausgleich für jene, die es nicht können. Und auch als Ausgleich für jene Ihrer Kollegen, die gehässig im Aufbau der zweiten Welle von Mallorca posten, man solle auf die Insel kommen, da sei es so toll.

Weil Aufgeben keine Option ist.

Because nobody is safe until everybody is safe.


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