Ein kleines Posting zum Alltag eines Kassenarztes.
Diese Woche bekam ich einen Brief der Prüfungsstelle meiner Kassenärztlichen Vereinigung (KV), darin die Androhung eines Regresses, da ich im zweiten Quartal 2019 (!)* drei Medikamente an drei PatientInnen verordnet habe, die off-label seien (off label = wenn ein Medikament nicht zugelassen ist für a) die Altersgruppe oder b) die Krankheit).
Bei allen drei Rezepten ging es um den off-label-use bei "für die Zulassung nicht indizierte Erkrankung", ich hatte schlicht und einfach in diesem speziellen Quartal die zugrundeliegende Erkrankung nicht per ICD verschlüsselt. So weit, so mein Fehler. Per Zufallsgenerator werden Rezepte random geprüft, und wenn es eine Auffälligkeit gibt, der verordnende Arzt durch die Krankenkasse zum Regress, also dem Selbstzahlen, verdonnert. Das läuft brav über die KV, man macht sich als kranke Kasse ja nicht selbst die Finger schmutzig. Lustiges Beiwerk: Die KV-Prüfstelle legt einen Vordruck bei, in dem ich per Unterschrift dem Regress stattgebe und die Kosten übernehme.
Wahlweise könne ich eine Stellungnahme abgeben.
Die Vorwürfe im Einzelnen (verfremdet und verfälscht wegen Schweigepflicht und so, aber sinngemäß richtig):
- Verordnung von Salbutamol Dosieraerosol für einen Siebenjährigen mit Nussallergie - übrigens Teil seines Notfallsets. Das bekommt der Junge seit sechs (!) Jahren rezeptiert. Die Diagnose ist der Krankenkasse bekannt, schließlich haben wir von Allergietests, Adrenalin-Pens, Cortison oral, Antiallergika bis hin zu Notfalleinsätzen und -einweisungen alles durch.
- Verordnung eines zu inhalierenden lang wirksamen Betamimetikum mit Cortison bei einer Vierzehnjährigen (!) mit Asthma bronchiale, das ich seit ca. vier (!) Jahren verordnet habe, völlig lege artis, entlang der Asthmaleitlinien, jährlich überprüft mittels Lungenfunktion, wiederholt reduziert und wieder angesetzt bei mangelndem Erfolg. Die Diagnose ist der Krankenkasse bekannt, wurde sie doch als Dauer(!)diagnose verschlüsselt. Aber eben in bewusstem Quartal nicht *nochmal*.
- Bestes: Verordnung von Captopril (ACE-Hemmer) für einen Jungen mit schwerem Herzfehler. Mehrmals operiert, mehrmals kardiovertiert, jedes Quartal vorstellig bei seiner Kardiologin. Der Junge ist 11 (!) Jahre alt, der Herzfehler ist angeboren, das Captropril ist für seine Herzinsuffizienz, und er bekommt das seit... mannomannomann... der Geburt!
Übrigens: Wir sprechen von einer Gesamtsumme von 132,60 Euro Regress ("wird bequem von Ihrer Quartalsauszahlung abgezogen").
Die Stellungnahme zu schreiben, hat mich anderthalb Stunden nach der alltäglichen Sprechstunde gekostet, und nun noch einmal eine halbe Stunde für diesen Blogpost (das habe ich aber gerne getan).
Nur damit Ihr mal seht, mit was sich KassenärztInnen noch so beschäftigen, wenn sie nicht gerade PatientInnen behandeln. Schönen Abend, Ihr Lieben!
*sorry für die vielen "(!)", keine Sorge, es kommen noch mehr.
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