Die Welt, wie sie ist, ist kein Produkt menschlicher Gedanken, sondern existiert unabhängig der Menschheit. Diese Erkenntnis, die sich radikal gegen den Idealismus stellt und letztlich auch die Philosophie selbst infrage stellt, erfuhr besonders im 20. Jahrhundert eine notwendige Renaissance, die über eine mechanistische Herangehensweise hinauswächst. Trotz permanenter wissenschaftlicher Entdeckungen, Messungen und Unterstreichungen wird die Annahme, dass das Wirken des Menschen nur einen sehr marginalen Einfluss auf objektive Bedingungen hat, nur schwer akzeptiert, was im Wesen des Menschen selbst verankert ist. Doch um nicht in eine vulgaristische Form zu fallen, das heißt das subjektive Handeln von den materiellen Grundlagen und Bedingungen zu spalten, ist es wichtig die Wechselbeziehung anzuerkennen: wenngleich die Umwelt auch ohne den Menschen gegeben ist, hat er dennoch in einem gesetzten Rahmen Einfluss genug, in die objektiven Bedingungen und seine Umwelt einzuwirken, die dann wieder auf den Menschen selbst zurückfallen. Damit wurde die Menschheit in seiner Geschichte permanent konfrontiert: wann immer der Mensch in die Natur, seine Umwelt eingrifft, hat es Folgewirkungen verschiedenster Intensität. So ist beispielsweise auch das Coronavirus zu verstehen und einzuordnen: als eine Reaktion des Menschen, der zu tief in die Natur eingriff.
Doch was bedeutet es eigentlich, ein handelndes und individuelles Wesen in einer Welt zu sein, deren Existenz nicht von uns abhängt? Spielt die Idee, wie sie im Idealismus tragend und zentral spielt, keine Rolle respektive wie ist die Übersetzung zu verstehen, die primär durch die sogenannten „fünf Sinne“ ermöglicht wird? Denn die Erkenntnis, dass die Welt subjektunabhängig ist und es physikalische Gesetze auch dann gibt, wenn die Menschheit ein Ende findet, muss erst gewonnen werden. Dieser Gewinn kann nur durch Reize erfolgen, sei es visuell oder auditiv, die im Gehirn in diesem Maße übersetzt werden, dass es für den Menschen als aus dem Tierreich erwachsenem, intellektuellem Lebewesen einen evolutionären Vorteil beziehungsweise Nutzen bringt. Das heißt konkret: Der einzige Sinn eines Lebewesens ist es zu sterben. Der Überlebenswille verzögert dabei lediglich den Prozess und muss folgerichtig die Frage aufwerfen, wie der Sinn definiert werden kann, diese Bedingung überhaupt aufzustellen. Um sich dieser Frage überhaupt bemächtigen zu können ist es notwendig, ein Bild der Umgebung zu erhalten, die eben diesen Rahmen ermöglicht.
Die Umwelt des Menschen besteht aus Reizen unterschiedlicher Art die auf unterschiedliche Weise übersetzt und abgebildet werden: was wir sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen ist zuvorderst eine Übersetzung von Reizen, die im Gehirn ein Ergebnis liefern. Die Problematik – sofern man das so sagen möchte – die sich hier auftut ist nun: sind die Reizübertragungen und ihre Übersetzungen vollständig oder eklektisch? Alleine der Tatsache geschuldet, dass der Mensch bestimmte Töne nicht hören und bestimmte Farben nicht sehen kann, muss davon ausgegangen werden, dass die Umwelt, wie der Mensch sie sieht, wahrnimmt und in ihr agiert, nur ein Teil einer vollkommenen Umgebung ist, die verschlossen bleiben muss. Um einen Schritt weiterzugehen ist es legitim die Frage aufzuwerfen, ob das, was übersetzt wird, so in der eigentlichen Umwelt überhaupt stattfindet. Dabei geht es nicht um die skeptizistische Auffassung, wonach alles infrage gestellt werden soll, was infrage gestellt werden kann, sondern um die Auseinandersetzung der Vorstellung einer Erkenntnis und der absolut eingeschränkten Möglichkeit, diese radikal auszuwerten.
Wenn das, was man sieht und hört, nur eine Übersetzung von Wellen sind, ist die Farbe oder der Ton dann so, wie wir es wahrnehmen, tatsächlich so, wie es ist? Ist das Spiel einer Violine, deren Klang erst im Gehirn stattfindet, auch so hörbar, wenn es keinen gibt, der es hören könnte? Dass die Violine bestimmte Wellen abgibt wird gar nicht infrage gestellt. Dass der Planet, das Sonnensystem, das Universum weiterhin bestehen, wenn der Mensch nicht mehr ist, steht außer Frage: Der Materialismus hat darauf eine ganz klare Antwort. Hört allerdings beispielsweise ein Ton auf, ein Ton zu sein, wenn es die Bedingungen nicht mehr erfüllt? Das menschliche Gehör vermag im Weltall ohne Hilfsmittel nahezu nichts hören: kann also ein Baum, der fällt, einen Ton von sich geben, wenn er nicht hörbar ist, überhaupt einen Ton von sich geben? Man möchte sagen ja, denn die Wellen, die er von sich gibt, sind weiterhin messbar, ungeachtet dessen, ob es übersetzt werden kann. Der Baum fällt, das ist ein Fakt. Dafür braucht es keine Beobachtung.
Wenn nun aber unsere Wahrnehmung eklektisch ist, muss die Frage anders gestellt werden: fällt nur der Baum? Die Vermutung liegt nahe, dass es Dinge gibt, die schlicht nicht übersetzt werden können, weil sie entweder für das Überleben des Menschen keinen Nutzen haben oder sie in Gefahr bringen. Wir können also gar nicht anders als unserer Wahrnehmung vertrauen, die eine Übersetzung von Wellen darstellt, die in einer Umgebung und Welt stattfindet, zu der wir nur einen sehr eingeschränkten Zugang haben. Jede Messung, jede Erkenntnis, jeder wissenschaftliche Fortschritt ist an die Ketten der Sinne gebunden, die uns nur einen Bruchteil dessen ersichtlich machen, wie es dem (intellektuellem) Lebewesen dient, in seiner Umgebung zu überleben. Ist der Mensch in weiter Zukunft ausgestorben, so mag zwar jeder Ton und jedes Bild, wie es eine Übersetzung findet, ausgestorben sein, wohl aber nicht die Quelle, die zu diesem Ton und diesem Bild führt. Der Mensch ist ein Produkt seiner Umwelt, er ist ein materielles Lebewesen und die Gedanken sind dabei alles andere als frei, sondern in einer Radikalität eingeschränkt, die es nicht nur verhindert, über das hinauszugehen, was nicht ist, sondern selbst daran gehindert wird, zu erkennen, was alles ist. Alles, was uns umgibt, ist real und keine Einbildung des Menschen. Die Wahrscheinlich, das es noch sehr viel mehr gibt, was für uns aber nie übersetzt wird, ist dabei ziemlich sicher.
Kommentare