Sobald ich erfuhr, dass wir ein Baby bekommen würden, fingen die Fragen an. Viele Fragen. Ganz allgemeine, die eher Sorgen ausdrückten, und sehr spezielle, die die körperliche Veränderung in der Schwangerschaft betrafen. Und das gesamte Spektrum dazwischen.

Natürlich gibt es Bücher, es gibt Internetseiten und normalerweise gibt es andere Personen, die bereits schwanger waren oder es gerade sind, die einem bei diesen Fragen helfen.

Nur: Im engeren Freundeskreis bin ich die erste Schwangere. Und die Schwangerschaften in der Familie sind dann doch schon etwas länger her. An wen also wenden, wenn man nicht wegen jedem neuen Zucken den Arzt oder die Hebamme anrufen will? An wen die Fragen stellen, die ganz praktischer Natur sind. Wie: Worauf beim Kinderwagenkauf achten? Was braucht man an Erstausstattung? …

Die für mich naheliegendste Lösung war es mir ein nettes Baby-Forum zu suchen um mich dort mit anderen Schwangeren auszutauschen. Gesagt, aber gar nicht so einfach getan. Es hätte mir ein erster Hinweis für alles noch kommende sein sollen, dass mich die meisten Foren optisch dermaßen abschreckten: Rosa und Hellblau wohin das Auge sah und Schnörkelschriften über Schnörkelschriften. Als ich dann eines fand, dass freundlich aber neutral gehalten war und eine hohe Aktivität aufwies, fühlte ich mich dort anfangs auch sehr wohl. Ich war nicht allein mit meinen Fragen, alle anderen hatten ähnliche Gedanken und dank der Erfahrungswerte von Personen, die bereits Elter waren und erneut schwanger, gab es zusätzlich handfeste Infos.

Je länger ich mich dort aufhielt, desto mehr Situationen erlebte ich allerdings, in denen mein Feministinnen-Herz sich schmerzhaft verkrampfte und mein Puls sich gefährlich beschleunigte.

Dieser Text ist als Warnung an alle Feminist:innen gedacht: Wer sich in einem Baby-Forum anmeldet sollte auf folgendes vorbereitet sein.

Geschlechterklischees beginnen früh!

Nichts scheint wichtiger zu sein, als das Geschlecht des ungeborenen Kindes zu erfahren. Bewegt es sich früh und viel wird es ein Junge, die sind schließlich aktiver. Wird die Haut der Mutter schöner wird es ein Mädchen, die will schließlich ein schönes Zuhause haben.

Ziel des Ganzen ist es sich fortan als “Mädchenmama” oder als “Jungsmama” zu definieren. Die einen basteln und lesen, die anderen toben und machen sich dreckig. Die Rosa-Hellblau-Falle ist dabei keine Warnung, sondern wird als Beispiel für gelungene Kinderzimmerdekoration und als Shoppingtipp herangezogen.

Väter sind nur zur Zeugung da (und Helden)!

Wer glaubt, das Väter 2020 irgendeinen Anteil an der Kindererziehung haben, war noch nie in einem Baby-Forum. Mal davon abgesehen, dass sich dort nur Frauen aus hetereosexuellen Normbeziehungen aufhalten (oder zu Wort melden) und Männer oder gleichgeschlechtliche Paare nicht zu existieren scheinen, ist das vorherrschende Elternbild erschreckend rückständig.

Es scheinen zwei Arten von Vätern zu existieren: Die Abwesenden oder die Helfer.

Die Abwesenden zeichnen sich dadurch aus, dass sie nur zum Schlafen nach Hause kommen und alles andere komplett ihrer Frau überlassen. Auch, wenn diese Fieber und verordnete Bettruhe während der Schwangerschaft hat, ist der Haushalt und die Betreuung der bereits vorhandenen Kinder ganz allein ihre Aufgabe. Sie muss ins Krankenhaus, weil sie Blutungen hat? Wenn sie keine Kinderbetreuung findet, ist das ihr Pech. Der Vater kann nicht nach Hause kommen und sich kümmern, der muss schließlich arbeiten.

Die Helfer hingegen kümmern sich um den Haushalt und die Kinder. Aber nur, wenn sie dafür auch ausreichend gelobt werden. Schließlich ist das ja nicht ihre Aufgabe und sie zeigen sich äußerst großzügig und sind sooo modern, wenn sie nach Aufforderung den Müll rausbringen oder sogar unaufgefordert das Kinderbett zusammenbauen. Welche Frau solch einen Helden gefunden hat muss ihn gut festhalten. Diese Exemplare sind rar und heißbegehrt und als Frau kann man sich nie ganz sicher sein, womit man ihn verdient hat.

Ärgerlich wird es nur, wenn der Helfer auf einmal Anteil an der Kindererziehung haben will. Da bildet sich so mancher Mann doch tatsächlich ein eine Meinung zum Kauf des Kinderwagens haben zu dürfen. Andere wollen in Elternzeit gehen um die ersten Monate ihres Kindes zu erleben. Schrecklich! Was soll Frau zuhause nur mit dem? Die ersten Monate werden auch ohne zusätzlichen Ballast schwer genug.

Stillen ist Macht!

Passend dazu wird die Meinung vertreten, dass Frau stillen muss. Der anscheinend wichtigste Grund: Die Abhängigkeit des Babys von der Mutter. Man stelle sich eine Welt vor, in der keine Brüste nötig wären um ein Kind zu ernähren. In der das auch Väter oder andere Bezugspersonen des Kindes könnten… Mitleid muss man mit allen Rabenmüttern haben, die nicht stillen können (wobei das ja immer Kopfsache ist und eigentlich jede stillen kann, wenn sie will) oder gar nicht wollen. Was läuft bei denen nur falsch, dass sie dieses Machtgefühl nicht auskosten wollen. Es gibt keinen besseren Weg der ganzen Welt klar zu machen, dass dieses Kind ohne einen selbst nicht existieren kann.

Schwanger sein ist traumhaft!

Damit das klar ist: Eine echte Frau will schwanger sein. Es ist ihr Lebensziel und sie genießt diesen Zustand.

Jede Person, die die Schwangerschaft nur als Mittel zum Zweck sieht; sich unwohl fühlt mit den nicht kontrollierbaren Veränderungen ihres Körpers; vielleicht sogar das Ende herbeisehnt, ist unnormal. Die Schwangerschaft ist der Einstieg in das Leben zu Hause als Ehefrau und Mutter. Die Verpflichtung des Vaters für einen und das Kind zu sorgen wird größer. Es gibt keinen Druck mehr von Außen arbeiten zu gehen oder selbst Karriere zu machen. Eingeleitet wird dieser Lebenstraum durch 40 Woche reine Glückseligkeit.

So, nicht anders, sieht die Lebensrealität aus. Jede, die etwas anderes behauptet verkennt den Lebenszweck einer jeden Frau.


Okay, ich gebe zu: So geballt klingt es schlimmer, als es tatsächlich ist. Aber nichts davon ist frei erfunden. Leider auch nicht die Frau, die nicht ins Krankenhaus ist, weil niemand ihre Kinder zu Hause betreute. Man liest schlimme Dinge in einem Baby-Forum. Dinge, die ich nicht erwartet hätte. Die Mitgliedschaft dort hat mich komplett aus meiner feministischen und emanzipierten Blase geworfen und mir gezeigt, wie “die andere Seite” die Welt sieht.

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