Frau Schneider stand wie jeden morgen um  6:00 Uhr in der Früh auf. Sie ging in die Küche, nahm die Butter aus dem  Kühlschrank und machte Kaffee. Dann ging sie zurück ins Schlafzimmer  und zog ihre Kleidung für den Tag an. Anschließend führte sie ihr Weg  ins Bad, wo sie ihr Haar bürstete, um es zu einem Dutt hochzustecken.  Seit nunmehr 15 Jahren trug sie ihr weißes Haar als Dutt. Ihr Ehemann  Horst war gar nicht begeistert, als sie mit dem Dutt angefangen hatte.

„Du siehst aus wie eine alte Oma“, hatte er damals gesagt.

Auch später gewöhnte er sich nicht an ihre  Frisur, immer wieder machte er abfällige Bemerkungen. Aber das gehörte  der Vergangenheit an. Horst, nunja, lebte seit bald zehn Jahren nicht  mehr. Eines Morgens wachte Frau Schneider auf, es war ein Donnerstag im  November, und ihr Mann lag tot neben ihr im Bett. Der herbeigerufene  Hausarzt machte sich keine große Mühe bei der Leichenbeschau und trug  einen Herzinfarkt als Todesursache in den Totenschein ein und leitete  die nötigen nächsten Schritte ein. Herr Schneider war schon seit Jahren  wegen einer Herzerkrankung in Behandlung.

„Ach, Horst“, sagte Frau Schneider leise zu sich selbst, „deine Isolde meistert ihr Leben auch ohne dich.“

Fertig mit den Haaren ging Isolde  Schneider wieder in die Küche und frühstückte. Es war ein Dienstag,  dienstags gab es zum Frühstück zwei Käsebrote und dazu Kaffee, schwarz.  Schwarzen Filterkaffee gab es zu jedem Frühstück, der Belag der zwei  Butterbrote variierte vom Wochentag zu Wochentag. Nach dem Frühstück  ging Frau Schneider vor die Haustüre. Ebenso verlässlich wie Isolde  Schneider kam dort auch schon Herr Vollreit auf dem Weg ins Büro vorbei.

„Guten Morgen, Herr Vollreit.“

„Guten Morgen, Frau Schneider.“

„Haben Sie es schon gehört? In der Goethestraße ist doch ein Rentner gestorben.“

„Ja, ich glaube, ich kannte ihn und seine Frau vom Sehen, aus der Kirche.“

„Halten Sie sich fest! Der Doktor hat in  den Totenschein eine natürliche Todesursache eingetragen, aber dem  Bestatter ist bei der Leichenwäsche wohl etwas aufgefallen, sie haben  dann wohl die Leiche in der Gerichtsmedizin untersucht, jetzt hat die  Polizei die Frau verhaftet, wegen Mordes!“

„Nein, so was, Sachen gibts!“

„Ja, wirklich! Ich muss dann jetzt aber  auch weiter, sonst komme ich zu spät ins Büro. Aber das wollte ich Ihnen  noch erzählen.“ Sagte es und ging weiter.

Isolde Schneider grinste innerlich, ihr  konnte nichts mehr passieren, Horsts Leiche war schon lange  eingeäschert. Wenn man herzkrank ist, sollte man darauf achten, die  richtigen Tabletten zu nehmen.