Fridays for Future hat mit der Ausladung von Ronja Maltzhan für ihre große Klimademo in Hannover ganz tief in die Shitstorm-Schublade gegriffen. Dabei geht es um falsch verstandenen Aktionismus und politische Korrektheit - und ein tiefgreifenderes Problem. Ein Kommentar.
Darf eine Gruppe junger Menschen anderen Menschen vorschreiben, wie sie zu leben haben? Diese Frage könnte schon ohne weitere Reibungen bei Fridays for Future für Zündstoff sorgen. Einfach, weil die jungen Klimaschützer*innen an den Grundfesten etablierter wirtschaftlicher Standards rütteln. Nicht wenige von ihnen hinterfragen sogar unsere gelernten Automatismen des Kapitalismus. Oder anders gesagt: Fridays for Future formuliert Thesen und Ideen, welche vor wenigen Jahren schnell in der Ecke des Kommunismus gelandet wären. Zumindest, wenn man konservativen Lautsprechern und Medien glauben darf.
Dennoch haben die Klimaschützer*innen nicht in allen Lebensbereichen unrecht. Warum? Weil der Klimawandel, der menschengemachte Klimawandel, sehr real ist. Schon heute spüren wir die Auswirkungen eines sich schnell verändernden Temperaturhaushalts auf unserem Planeten. Küstenregionen werden überflutet, Dürren vernichten Ernten und Extremwetterlagen sorgen für Furcht und Staunen in den sozialen Medien. Mittelfristig dürften Milliarden direkt oder indirekt vom Klimawandel betroffen sein.
Darf man FFF die Zügel übergeben?
Die Frage ist nur, ob man dieses globale und so wichtige Thema in die Hände von Fridays for Future legen darf. Denn: die Gruppierung leistet sich immer wieder fatale Schnitzer. So verbreiteten sie auf Instagram 2021 zur Bundestagswahl als Kritik an der SPD den Spruch "Wer hat uns verraten" - ein Slogan aus der NS-Zeit. Zudem liebäugelt FFF auch mit der Aktion BDS, welche das Ziel hat, den Staat Israel zu isolieren. Gegründet wurde dieser von Palästinensergruppen, die die "Kolonisation der arabischen Welt" rückgängig machen wollen. Was dem Entzug der Existenzberechtigung Israels gleichkommt.
Und auch in Hannover fiel das Wort Kolonialismus. Gegen diesen wolle man nämlich gleichbedeutend wie für Klimaschutz demonstrieren. Und die Musikerin Ronja Maltzahn passt da, weiß und mit Dreadlocks, nicht ins Bild. Für Fridays for Future dürfen nämlich Menschen nicht Eigenschaften fremder Kulturen für sich beanspruchen, ohne das Leid dieser Kulturen durchlitten zu haben. In diesem Fall die Schrecken der Sklaverei. Doch muss man wirklich Vorfahren haben, die in Sklaverei leben mussten, um heute Dreadlocks tragen zu dürfen?
Kultur lebt - und das seit immer
Natürlich nicht! Kultur ist ein lebendes und atmendes Ding, welches sich durch innere und äußere Einflüsse ständig verändert. Wer so argumentiert wie Fridays for Future, lebt gedanklich noch in der Steinzeit. In der Realität nutzen sie selbstverständlich die Vorzüge vieler Jahrhunderte kultureller Revolutionen und Vermischungen, die langsam aber sicher zu neuen Standards wurden. Und um die Beleidigung perfekt zu machen, stellten die Aktivist*innen Maltzahn in Aussicht auftreten zu dürfen, sollte sie ihre Haare abschneiden.
Inzwischen hat sich Fridays for Future entschuldigt. Die Ausladung hatte jedoch bestand. Das zeigt das fehlende Fehlerbewusstsein. Und das größere Problem: Klimaschutz muss ein gesamtgesellschaftliches Projekt sein, kein Hobby einer stark links eingestellten Gruppe junger privilegierter Menschen. Mit solchen Aktionen schadet Fridays for Future nicht nur ihrer Botschaft, sondern dem Anliegen als solchem. Und dafür ist das Thema zu wichtig.