Ich habe Hunger.
Auf dem Weg in die Küche fällt mein Blick im Wohnzimmer auf etwas, das auf dem Esstisch liegt. Es ist gelb, länglich und leicht gebogen.
»Ach, guck,« denke ich »eine Banane.«
Diesem Gedanken haftet kein besonderes Interesse an, da Bananen nicht unbedingt zu meinem Lieblingsobst gehören. Plötzlich ertönt hinter mir eine ärgerlich klingende Stimme:
»Wieso liegt denn da ein Apfel?!«
Ich drehe mich langsam um. Hinter mir steht ein augenscheinlich sehr aufgebrachter, mir völlig unbekannter Mittvierziger und deutet mit ausgestrecktem Zeigefinger vorwurfsvoll auf die Banane. Dabei fixiert er mich zornig. Während ich noch hadere, mit welcher Kombination von Worten ich sowohl seiner völlig unsinnigen Frage als auch seiner plötzlichen Anwesenheit in meinem Wohnzimmer gerecht werden könnte, fragt jemand:
»Ach? Was für ein Apfel ist denn das?«
Ich blicke zum Esstisch. Dort steht ein junger Mann mit einem Notizblock und beugt sich interessiert über die Banane.
»Ist das ein Braeburn?«
»Das ist eine Banane.« antworte ich irritiert.
»Unsinn!« herrscht mich der Mittvierziger an »Das ist ein Apfel! Ein Golden Delicious!«
»Ich weiß doch, wie eine Banane aussieht.« wende ich ein.
Inzwischen bin ich mir da allerdings nicht mehr so ganz sicher. Der Mittvierziger fordert mich streitlustig auf, gefälligst eine Banane zu besorgen und sie neben den Apfel zu legen, um die beiden miteinander zu vergleichen.
Darauf hin merkt der junge Mann an, dass man Äpfel ohnehin nur mit Bananen vergleichen könne, da ein Apfel aussähe wie der andere. Diese Bemerkung versetzt seinen Gegenüber augenblicklich in blanke Raserei. Offenbar ist er Apfel-Experte und die Nuancen bei Äpfeln recht vielfältig.
Als ich verwirrt zwischen den beiden hin und her schaue, bemerke ich auf der anderen Seite des Tisches eine ältere Dame. Sie bereichert die hitzige Diskussion durch den wertvollen Hinweis, dass man Äpfel und Bananen besser nicht nebeneinander legen sollte, da die Äpfel sonst zu schnell reifen. Ihr Rat veranlasst den Mittvierziger, seinen Disput mit dem jungen Mann kurz zu unterbrechen und ihr lautstark zu erklären, dass es sich genau umgekehrt verhalte und sie eine blöde Kuh sei, die keine Ahnung habe. Dann brüllt er übergangslos wieder den jungen Mann an. Irgendwas mit Pink Lady.
Ich lasse die drei stehen und versuche herauszufinden, wie diese Leute überhaupt in meine Wohnung gekommen sind. Nachdem ich alle Türen und Fenster kontrolliert habe, kehre ich zurück ins Wohnzimmer. Der Raum hat sich inzwischen beachtlich gefüllt.
»Ameisen.« denke ich. »Wie die Ameisen.«

Einige stämmige Männer haben mehrere Kisten Äpfel gebracht und auf dem Boden ausgekippt. Der Apfel-Experte hat sich also Verstärkung angefordert. Nun werden die Äpfel nach Reife- bzw. Fäulnisgrad sortiert, um sie mit der Banane zu vergleichen. Ich habe keine Ahnung, wie sie an mir vorbeigekommen sind.
Mehrere Personen diskutieren die Frage, ob unser Esstisch möglicherweise aus Tropenholz sei. Es gibt scheinbar eine Mahagonie-, eine Eiche-, eine Fichte- und eine Bongossi-Fraktion. Jemand schlägt vor, einfach ein Bein abzusägen und die Holzdichte und die Abstände der Jahresringe zu messen.
Jemand anderes deklamiert, wer Äpfel esse könne kein Vegetarier sein, da Äpfel Bakterienkulturen enthalten und Bakterien auch Lebewesen seien. Und überhaupt wären Bananen voller Allergene. Eine Frau antwortet, gegen Allergien solle man Rosenquarz kauen. Dann verteilt sie aus einem Döschen weiße Pillen und behauptet, es seien Globuli gegen panischen Weltschmerz. Auf dem Döschen steht »tic tac«.
Eine Gruppe barbiehafter Influencerinnen rangelt am Esstisch um die besten Plätze. Sie machen Selfies mit der Banane, um sie auf Instagram unter dem Hashtag #OhWieSchönIstPanama zu posten. Jemand brüllt von hinten, dass Janosch sexistisch sei, zudem ein verlogener Kapitalist und wahrscheinlich sogar Kommunist.
Auf dem Esstisch stehend fordert ein junger Mann mit Nickelbrille Ruhe. Er hat wohl einen alten 4Chan-Post gefunden, in dem ein anonymer User versichert, er hätte mit Annalena Baerbock studiert und gesehen, wie sie in der Vorlesung eine Banane verzehrt habe, die definitiv nicht aus regionalem Anbau stammte.
Meine Frau erscheint im Türrahmen und erstarrt in der Bewegung.
»Was machen diese Leute hier?« fragt sie entgeistert.
»Auf... auf dem Tisch liegt eine... Banane?« stammle ich unsicher.
»Darüber reden wir noch.« zischt sie. In ihren Augen blitzt Mordlust. Sie geht ins Schlafzimmer und schließt geräuschvoll hinter sich ab. Ich werde heute Nacht wohl auf dem Sofa schlafen müssen. Falls ich bis dahin noch ein Sofa habe.
Eine recht normal wirkende junge Frau fragt freundlich, wo die Damentoiletten seien. Als ich ihr erkläre, dass wir nur eine Toilette für alle haben, herrscht mich ein wuchtiger Typ von der Seite an, dass genderneutrale Toiletten Männer diskriminieren würden. Dann nennt er mich eine linksliberale Schwuchtel und droht mir Schläge an.
Ein schmieriger Typ mit Hitlerbärtchen wanzt sich an mich ran und erklärt mir, dass die Bewohner dieses Hauses durch ihre mangelnde Bereitschaft, eine Banane zu besorgen, um sie mit dem Apfel zu vergleichen, nur beweisen würden, dass sie die offene Diskussion fürchten. Dann drückt er mir einen AfD-Flyer in die Hand und spricht die nächste Person an.
Jemand zupft an meinem Hosenbein. Ich sehe nach unten und dort steht meine Tochter.
»Papa,« fragt sie »kann ich die Banane haben?«. Sie liebt Bananen.
»Sicher, Süße.« sage ich.
Sie schnappt sich die Banane und verschwindet Richtung Kinderzimmer. Dann dreht sie sich noch mal um.
»Spielen wir Lego, Papa?« fragt sie.
Ich schaue zurück ins Wohnzimmer.

Es herrscht blankes Chaos. Der Tisch wurde inzwischen zersägt und ich glaube, Rauch zu riechen. Mehrere Personen sind in Schlägereien verwickelt. Jemand verlangt nach Trauben, ein anderer macht sich für Ananas stark. Obstgegner ziehen skandierend von einer Ecke des Zimmers in die andere und brüllen etwas von Apfel-Diktatur in einer Bananen-Republik. In einer Ecke steht Friedrich Merz vor der Presse und erklärt, das #Bananengate beweise Baerbocks Verlogenheit und fehlende Eignung als Kanzlerkandidatin. Er bietet an, den Verkauf der Grünen an ein chinesisches Investoren-Konglomerat zu vermitteln. Gegen eine kleine Provision.
Am Boden kniet Phillip Amthor und leckt ihm die Schuhe.

»Komme!« rufe ich. Ich schließe die Tür des Kinderzimmers. Stille kehrt ein. Meine Tochter hält mir die Banane hin.
»Willst Du mal abbeissen?«
Ich nehme einen Biss von der Banane. Sie schmeckt köstlich.

Dann spielen wir gemeinsam Lego.

...

Was hier gesagt werden soll:

Essen Sie ruhig Obst.
Obst ist sowohl nahr- als auch schmackhaft. Aber Sie sollten sich darüber im Klaren sein, was Sie da essen. Wer einen Apfel erwartet, wird von Konsistenz und Geschmack einer Banane enttäuscht sein. Dafür können weder Banane noch Apfel etwas. Oder der Tisch, auf dem sie liegen.
Und wenn etwas wie eine Banane aussieht, riecht und schmeckt, ist es ziemlich sicher eine Banane. Lassen Sie sich dann nicht weismachen, Sie äßen einen Apfel. Ganz gleich, von wem.
Und spielen Sie öfter mal mit Lego.
Zu viel Obst ist auch nicht gesund.

Behalten Sie den Überblick.
Mit Grüßen, Ihr

Herr Balsam

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Und im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Faschist Björn Höcke bei jeder sich bietenden Gelegenheit als eben solcher benannt werden muss.
Aber das habe ich Ihnen ja schon #TausendMalGesagt.

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