Ich bekomme viele Nachrichten. Meistens Fragen aller Art, aber dazwischen auch aktive und ehemalige Kolleg*innen, die über ihre Erfahrungen sprechen. Das behandle ich stets vertraulich, u.a. um ein versehentliches Outing zu vermeiden. In diesem Fall habe ich das Okay, die Nachricht anonymisiert zu teilen. (Jasmin)

Ich bin letztlich nur eines von vielen Einzelschicksalen und gehe vermutlich in der Masse unter, aber vielleicht hilft es etwas, wenn Leidtragende ihre Geschichten teilen.  

Zu meiner persönlichen Beziehung zur Politik: ich bin wohl eine von jenen, die mangels Kraft in einen Zustand der Resignation gefallen sind. In den letzten Jahren sind mehrere Schicksalsschläge durch die „politischen Hände von irgendwo da oben“ gekommen. Dass ich je eine Wahl gehabt hätte da mitzureden war mir nicht bekannt.  

Einst wollte ich einfach nur auf einer Bühne stehen oder auf einer großen Leinwand. Ich wollte Menschen begeistern. Ein Traum, ein großes Ziel, eine Bestimmung, ein Lebensinhalt… Leider bin ich krank. Die großen Bühnen die ich wollte blieben unerreichbar. In die Prostitution gelangte ich, weil ich mir meinen Traum damit finanzieren wollte, als ich noch zu träumen wagte.  

Nachdem die Träume wie Seifenblasen zerplatzt waren, versuchte man mich dazu zu drängen etwas „Normales“ zu machen und einiges in mir zerbrach. Zerbrach an den Bedingungen „normaler“ Arbeit. Aber im roten Licht gab es eine Bühne, auf der ich geschätzt war. Prostitution war nicht mein Traumberuf, aber der einzige mit dem ich glücklich war und auch der einzige, den ich trotz Krankheit ausüben konnte.  

Sie gaben mir eine Bühne, sie gaben mir Wertschätzung und Anerkennung. Klar, es sind immer welche dazwischen, an die man sich weniger gerne erinnert. Ich habe Menschen begeistert, ich habe unzählige der ehrlichsten Komplimente erhalten, die Männer geben können. An einem einzigen Abend verdiente ich mehr als man mir woanders zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen für einen ganzen Monat meiner schnell verrinnenden Lebenszeit gegeben hätte.  

Mir ging es finanziell nicht schlecht, ich war unabhängig und ich war flexibel genug kaschieren zu können, wenn ich aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten konnte. Ausfälle durch längere Pausen waren machbar, dafür konnte ich vorsorgen ohne in Existenznöte geraten zu müssen. Ich war nie unverschämt reich aber ich konnte sorglos leben. Große Ansprüche hatte ich ja nie. Und ich wusste dass ich nichts Verbotenes mache.  

Dann begann es damit, dass auf immer mehr anonymen Internetseiten auf denen man sich anbieten konnte konkrete Angaben von den sich anbietenden verlangt wurden. Das war für mich ein immenser Stressfaktor, weil ich nicht nachvollziehbar sein wollte. Ich hatte schon immer richtig Angst vor der Macht des Beamten, des Papiers, allem Behördlichem. So große Angst, dass offiziell aussehende Briefe in meinem Briefkasten schon lange vor Öffnung einen immensen Stress in mir auslösten. Der Gedanke einer offiziellen Erfassung löste derartige gesundheitliche Komplikationen aus, dass ich dann erstmal ungefähr ein halbes Jahr lang ausfiel.  

Danach, als ich wieder einstieg begann ich in einem Dominastudio. Meine Chefin nahm mich bei der Hand und kümmerte sich so um alles, sodass ich keine Angst mehr haben musste. Dadurch hatte ich zum ersten Mal Sicherheit und Regelmäßigkeit. Wir hatten ein wundervolles Miteinander in dem Studio. Es mussten pro Kunden Abgaben ans Studio geleistet werden aber dafür zahlten die Kunden halt auch sehr gut. Und es war einfach schön, unkompliziert und ich war glücklich damit wie es war. Zwei Jahre ging das gut bis das Studio schließen musste weil es sich nicht mehr finanzieren konnte, die Abgaben an den Staat waren zu hoch.  

Damit war dann auch ich raus aus dem Geschäft. Auf eigene Faust etwas zu machen war mir zu kompliziert geworden und ich habe zu große Angst vor dem damit verbundenen Papierkram. Woanders hin zu wechseln… es schien halt nirgends so zu sein wie es dort war wo ich war. Mein Leben war schon immer so fragil wie ein Kartenhaus: Never touch die Unterste Karte.  

Aktuell ist meine Situation folgende: ich bin offiziell arbeitsunfähig erkrankt, lebe von Erwerbsminderungsrente und habe eine gesetzliche Betreuerin, die meinen Papierkram für mich macht. Im Grunde falle ich dem Staat mehr zur Last als ich es jemals zuvor tat. Arbeiten kann ich aber auch nicht, weil man mir dann meine Existenzgrundlage entzieht und ich nach wie vor krank bin und deshalb nie ein konstantes Gehalt erzielen kann. In guten Phasen würde ich zu viel verdienen um unter der Grenze zu bleiben, würde der Staat die Spitzen abgreifen würden mir diese fehlen um die Durststrecken zu überbrücken in denen ich ausfalle. Wenn ich ausfalle kann ich natürlich auch keine Abgaben leisten, da habe ich ja nichts. Daher offiziell eine vollkommene Arbeitsunfähigkeit, die eigentlich gar nicht sein müsste.  

Wenn ich mir etwas wünschen könnte, so wäre es ein Modell bei dem ich nicht mehr vom Staat abhängig sein müsste. Stattdessen wird über ein Sexkaufverbot diskutiert. Ich teile es einfach mal mit dir, vielleicht hilft es ja oder es gibt einen Ort für solche Geschichten, wo die richtigen Leute sie lesen können und sich vielleicht dadurch etwas verändert. Ich habe leider keine Ahnung vor diesen Dingen - wie gesagt, Offizielles, auch Politik, macht mir Angst.