Mit harten Maßnahmen vermag man große Übel zu bekämpfen. Der Eindruck entsteht jedenfalls, wenn man in der jüngeren Vergangenheit die Stimmen vernommen hat, die auf eine scheinbar hilflose Politik reagierten. Sei es bei der Ohnmacht russischer Außenpolitik zu begegnen oder bei der Inkompetenz der Regierung nach fast zwei Jahren der Pandemie noch immer keine Strategie entwickelt zu haben. Doch was haben Außenpolitik mit Pandemiepolitik zu tun? So wenig, wie das Geschrei des Kindes, das in den Brunnen gefallen ist, wie das des Kindes, das man mit dem Bade ausgeschüttet hat. Das Geschrei ist das Gleiche, die Ursachen ganz verschieden.

Erinnert sich jemand an den Bundestagswahlkampf 2021? Welche gesellschaftlich weitreichenden Themen wurden da nicht alle besprochen. Das Lachen eines Kandidaten und die Sprachfehler seiner Konkurentin rangierten in einer Liga mit den Herausforderungen des Klimawandels. Die Klimaschutzmaßnahmen wiederum waren häufig reduziert auf ein sogenanntes Tempolimit und etwas Blabla. Leidenschaftlich wurde über das Gendern diskutiert, über die Frage, ob Habeck und Söder nicht bessere Kandidaten gewesen wären. Ich habe viel über "Respekt" gelernt, und die Sonnenblumenkerne vom Wahlkampfstand wollte ich auch noch pflanzen. Nord Stream 2, das war als rein wirtschaftliches Projekt ja kein Thema des Wahlkampfes. Dass es Kernwaffen gibt, und illibearle fanatische Regime, die versuchen an den Besitz solcher Waffen zu kommen, das scheint viele Journalisten kaum beschäftig zu haben, Fragen dazu habe ich jedenfalls nie an Kandidaten gerichtet vernommen. Welche Rolle die NATO spielt, wie der beste Freund Deutschlands - Frankreich - bei seinen strategischen Ambitionen sicherheitspolitischer Natur unterstütz werden würde oder was man aus dem Afghanistan-Debakel gelernt hat, und welche Auswirkungen es auf den Einsatz in Mali haben würde hat ebenfalls keine nennenswerte Rolle gespielt. Es erinnert sich auch kaum noch jemand daran, das die NATO vor kurzem noch als "Hirntot" betitelt wurde.

Was hat all das nun mit der Pandemiepolitik zu tun? An sich nichts, aber das Muster damit umzugehen ist das Selbe. Man kümmert sich über den Sommer, wenn alles gut Läuft um nichts, hält ein paar Alibidiskussionen, dass es ja einen Freedom Day brauche, und man Maßnahmen abbauen müsse - tut aber an sich nichts dafür, diese Ziele auch zu erreichen. Eine Strategie die Impfquote zu erhöhen kamen erst auf, als schon längst der Ruf nach "Harten Maßnahmen" überall zu hören war. Da war es allerdings längst zu spät.

Jetzt, da Russland fakten schafft, ist auch der Ruf nach "Harten Maßnahmen" da. Ein Ausdruck der Ohnmacht, die sich daraus ergibt, dass man die Probleme zu lange ignoriert hat. Wenn das Kind mal im Brunnen liegt, bekommt man es schwer wieder heraus.

Es wird sich zeigen, ob die finanziellen Folgen der Pandemie harte Maßnahmen im Rahmen einer konsolidierenden Haushaltspolitik notwendig machen, oder ob harte Maßnahmen in den Beziehungen zur Volksrepublik China notwendig werden. Das Verhalten gegenüber Litauen jedenfalls zeigte, mit welcher Ohnmacht wir auch hier agieren. Wird es harte Maßnahmen geben, wenn Technologiekonzerne - ob aus Fernost oder dem äußersten Westen unethische Strukturen in sozialen Netzwerken schaffen? Man weiß es nicht.

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