Im Internet werden Vitamine, insbesondere Vitamin C und D als wahre Wunderwaffe gegen SARS-CoV-2 angepriesen. Die einen propagieren Vitamin C, die anderen versprechen Schutz durch die Einnahme von Vitamin D und wieder andere hypen die Kombination aus beiden.

Ein paar Basis-Infos zu Vitaminen

Vitamine sind verschiedene Stoffe, die der Körper benötigt, aber selbst nicht herstellen kann. Die Ausnahme ist Vitamin D, das bei Sonnenlicht in der Haut synthetisiert werden kann. Es handelt sich hier weniger um ein Vitamin, sondern eher um ein Hormon.

Schwerer Vitaminmangel kann Krankheiten auslösen, beispielsweise Skorbut bei anhaltendem Vitamin C-Mangel. Ein starker Vitaminmangel ist definitiv ungesund. Weniger klar ist, ob ein leicht erniedrigter Vitaminspiegel bereits riskant ist.

Vitamin C und D - Die Versprechen

Vorsorge: Schafft ein aktives Immunsystem und man wird erst gar nicht krank

Gesundmacher: hohe Dosen bei einer Covid-19-Erkrankung bringen das Immunsystem auf Trab, verhindern einen schweren Krankheitsverlauf und führen zu schneller Genesung.

Die Hypothesen sind besonders attraktiv, da viele Menschen ohnehin Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, allen voran Vitamine.[1] Wie schön, wenn man durch höhere Dosen Covid-19 den Garaus machen könnte.

Was ist dran an Vitamin C und Vitamin D als Virenkiller?

Fakt ist, dass Vitamin A, Vitamin B6 und B12, Vitamin C, Vitamin D sowie Folat das Immunsystem unterstützen. Das erreicht man in der Regel durch eine ausgewogene Ernährung verbunden mit frischer Luft und Sonne.

Einige Menschen haben kaum Symptome oder merken die Infektion überhaupt nicht. Andere Menschen hingegen entwickeln eine Lungenentzündung oder gar eine Sepsis. Ein Immunsystem auf Zack ist sicher hilfreich.

Die Risikofaktoren für Covid-19 sind hinreichend bekannt: Alter, Vorerkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes, männliches Geschlecht ua. Vitaminmangel ist auf der Liste bislang nicht zu finden.

Vitamin C

Mir sind bislang keine wissenschaftlichen Studien über die Wirkung von Vitamin C in Zusammenhang mit Covid-19 bekannt, es gibt jedoch viele Untersuchungen über Vitamin C-Einnahmen und der Anfälligkeit für Erkältungen, bei denen es sich unter anderem auch um Viren der Corona-Familie handelt.[2][3][4]

Fazit der Studien: Vitamin C-Tabletten schützen nicht vor Erkältungen.

Überdosierungen an Vitamin C können zumindest bei Männern zu Nierensteinen führen.[5]

Vitamin D

Bei zu niedrigem Vitamin D-Spiegel kann eine Vitamin D-Einnahme die Anzahl an Erkältungen senken.[6][7] Zu beachten ist, dass sich dieser Effekt lediglich auf einen Vitamin D-Mangel beziehen. Bevor ihr euren Toilettenpapier-Vorrat in Pappmaché-Engel verwandelt, um Platz für sämtliche Vitamin D-Packungen aller Drogerien in eurer Umgebung zu schaffen, macht es Sinn, euren Vitamin D-Spiegel bestimmen zu lassen. Und wer ohnehin genug Vitamin D hat, dem bringt ein Mehr an Vitamin D vermutlich nichts.

In Hinblick auf die Schwere des Krankheitsverlaufs einer Covid-19-Erkrankung gibt es zwei Studien, in denen der Vitamin D-Spiegel untersucht wurde. Beide Studien kamen zu dem Ergebnis, dass ein Vitamin D-Mangel nicht ursächlich für einen schweren Krankheitsverlauf ist und für sich keinen Risikofaktor darstellt.[8][9]

Gleichzeitig gibt es Studien, in denen Vitamin D-Gaben bei einem Vitamin D-Mangel eine Reduktion der Sterberate bei Erkrankungen des respiratorischen Systems beobachtet wurde.[10] In der deutschen Studie ESTHER wurde das Plateau bereits bei 30 ng/mL (75 nmol/L) erreicht.[11]

Eine Überdosierung von Vitamin D kann zu Nierensteinen führen. Extreme Überdosierungen können auch Nierenversagen und chronische Nierenschäden zur Folge haben.[12]

Vitamin D-Spiegel

Im Sommer bietet sich in der Regel genug Möglichkeit, Vitamin D auf natürlichem Weg zu produzieren. Ein paar Mal die Woche ca. 30 Minuten an der Sonne kurbelt die körpereigene Vitamin D-Synthese zur Genüge an.[13] Je mehr Haut dem Antlitz der Sonne entgegenblickt, umso mehr verkürzt sich sogar diese Zeit. Über 30 min bringt es allerdings nichts mehr.

Ansonsten ist es beispielsweise in fettem Fisch und Eiern in nennenswerten Dosen enthalten.[14] Dunkelhäutige Menschen produzieren weniger Vitamin D. Sie sollten in unseren Gefilden besonders auf ausreichend Sonne achten. Insbesondere, wenn sie sich vegan ernähren.

Bei pflegebedürftigen und chronisch kranken Menschen ist die Wahrscheinlichkeit eines Vitamin D-Mangels am Größten, weil sie weniger an die Sonne kommen. Auch im Winter wird vermutet, dass 40% der Bevölkerung in Deutschland einen Vitamin D-Spiegel unterhalb des normalen Bereichs aufweisen.[15] Hier können Vitamin-Tabletten angeraten sein.

Hohe Überdosierungen (40 000 - 50 000 IE)

Es gibt einzelne Prediger im Netz, die massive Überdosierungen von Vitamin D als DAS Wundermittel gegen Covid-19 und andere Krankheiten anpreisen. Immer und immer wieder.

Ich habe mir die Mühe gemacht, die Literatur anzuschauen, die sie als Referenz für ihre Weisheiten angeben. Im Wesentlichen handelt es sich um Erfolge von Vitamin D-Gaben bei Mangelerscheinungen (< 20 ng/mL bzw 50 nmol/L) und Veröffentlichungen, die idR mit deutlich geringeren Tagesdosen gearbeitet haben. Oder irgend so ein YouTube-Video. Eine wissenschaftliche Studie, die die Aussagen belegt, kann ich beim besten Wissen in diesen Veröffentlichungen nicht finden. Schade, das hätte der Welt zurzeit wirklich helfen können.

Vitamin D-Spiegel und Dosis-Richtlinien

Vitamin D ist ein Thema, das die Streithähne ganz gehörig auf Touren bringt. Was ist der optimale Level, welche Tagesdosis ist tolerierbar ... In einem sind sich alle einig: Bei einer Konzentration von 20 ng/mL (50 nmol/L) spricht man von einem Vitaminmangel. Der optimale Wert ist strittig, dennoch gibt es einen Konsens, der einen guten Vitamin D-Spiegel im Bereich von 40-60 ng/mL (100 – 150 nmol/L) ansiedelt.[16] (Nicht 50–80 ng/mL, wie anderweitig propagiert). Auch 30 ng/mL werden nicht als besorgniserregend angesehen.

In Europa ist die Einnahme von Vitamin D in Dosen von > 2000 IE/Tag verschreibungspflichtig.[17][18] Vitamin D darf als Nahrungsergänzungsmittel in Drogerien vertrieben werden, sofern der Hinweis auf die maximale Tagesdosis auf der Verpackung angebracht ist. Eine Empfehlung zur Einnahme höherer Dosen ist damit rechtlich gesehen ein wenig diskussionswürdig.

Die 2000 IE/Tag beinhalten durchaus einen Puffer. Für einen Erwachsenen durchschnittlichen Alters gilt als Höchstmenge 4000 IE/Tag (ist aber immer noch verschreibungspflichtig). Die empfohlenen Dosen bewegen sich allerdings bei ein paar hundert Einheiten/Tag, je nach Altersgruppe.[19]

In den USA hat das Institute of Medicine 4000 IE/Tag als Obergrenze empfohlen.[20] Allerdings wird darauf hingewiesen, dass sie keine Studien mit negativen Effekten bei Gaben < 10000 IE/Tag finden konnten. (Was mir gleichzeitig die Referenzen für negative Effekte bei Studien mit höheren Gaben erspart) Die Endocrine Society empfahl im gleichen Jahr 1000-4000 IE/Tag für Vitamin D-Spiegel von 30 ng/mL (75 nmol/L) oder höher.[21]

Jetzt ans Eingemachte

Ebenfalls zitiert von Vitamin-D Missionaren ist eine Studie, die positive Effekte von Vitamin D-Gaben für Influenza, Coronaviren und Pneumonie beobachten konnte.[22]

Grant et al. Journal of Medicine and Pharmacology 2020, Preprint

Auch hier geht es jedoch eher um eine Behandlung von Mangelerscheinungen. Bei Blutleveln > 60 ng/mL (150 nmol/L) konnte kein weiterer positiver Effekt beobachtet werden. Und der Effekt ist bereits bei Konzentrationen von 40 ng/mL (100 nmol/L) fast der gleiche. Konzentrationen von 50–60 erreicht man bereits mit Gaben von 3000-4000 IE/Tag, wenn eine Mangelerscheinung vorliegt. Für 40 ng/mL sind 1500–2000 IE/Tag vollkommen ausreichend, sofern der Vitamin D3-Spiegel nicht ohnehin im richtigen Bereich liegt. Die Ergebnisse stehen im Einklang mit dem Konsens über den optimalen Vitamin D-Spiegel.

Es kann also durchaus sein, dass eine Vitamin D3-Gabe bei einem Mangel hilfreich bei einer SARS-CoV-2-Infektion ist. Und das sollte mit normalen Dosen in den Griff zu bekommen sein. Fragt euren Arzt. Das Gesundungsmittel Nummer Eins ist es sicherlich nicht. Zum Glück ist nicht Winter und die meisten von uns werden ohnehin mit einem guten Vitamin D3-Spiegel gesegnet sein.

Für eine Dosierung mit gefährlichen Mengen von 40 000-50 000 IE/Tag gibt es wirklich keinen Anlass.

Auch Ärzte und Biologen warnen aufgrund solcher Heilversprechen vor Überdosierungen:

Gefahr durch Vitamin-D-Überdosierung

Vitaminpillen gegen Corona?: Biologin warnt: Wer zu viel nimmt, geht enormes Risiko ein

Vitamin D ist schwer wasserlöslich und wird deshalb weniger gut vom Körper ausgeschieden. Es kann sich im Körper anreichern. Darüber hinaus ist Vitamin D für die Calcium-Aufnahme zuständig. Daher kann ein zu hoher Blutspiegel zu Hyperkalzämie führen, wenn die Calcium-Level nicht ebenfalls beobachtet werden. Die wiederum kann zu Nierensteinen und Nirenschäden führen. Von Alleingängen ist wirklich abzuraten.

Abschließend möchte ich als Stoffwechselchemikerin noch ergänzen, dass am Vitamin D-Stoffwechsel (Cholecalciferol (Vitamin D3) -> Calcidiol-> Calcitriol (Hydroxyvitamin D3)) Enzyme beteiligt sind, die abhängig von Mineralstoffen sind. Es ist fraglich, ob eine so hohe Dosierung ohne Supplementierung des benötigten Mineralstoffs überhaupt funktioniert. Ich möchte an dieser Stelle darauf verzichten, den Mineralstoff mit Vornamen zu nennen, damit die Unbelehrbaren sich die Pillen nicht einfach zusätzlich einschmeißen.

Ich wünsche uns allen gute Gesundheit.

Quellen

[1] Trends bei Nahrungsergänzungsmitteln aus der Apotheke

[2] Douglas RM, Hemila H, Chalker E, Treacy B, Cochrane Database Syst Rev 2007, Vitamin C for preventing and treating the common cold.

[3] Heimer KA, Hart AM, Martin LG, Rubio-Wallace S, J Amm Acad Nurse Pract 2009, Examining the evidence for the use of vitamin C in the prophylaxis and treatment of the common cold.

[4] Vorilhorn P, Arpajou B, Vaillant Roussel H, Merlin E, Pereira B, Cabaillot A, Eur J Clin Pharmacol 2019, Efficacy of vitamin C for the prevention and treatment of upper respiratory tract infection. A meta-analysis in children.

[5] Ferraro PM, Curhan GC, Gambaro G, Taylor EN, Am J Kideny Dis 2016, Total, Dietary, and Supplemental Vitamin C Intake and Risk of Incident Kidney Stones

[6] Charan J, Goyal JP, Saxena D, Yadav P, J Pharmacol Pharmacother 2012, Vitamin D for prevention of respiratory tract infections: A systematic review and meta-analysis

[7] Aygencel G, Turgoglu M, Tuncel AF, Candir BA, Bildaci YD, Pasaoglu H, Crit Care Res Pract 2013, Is Vitamin D Insufficiency Associated with Mortality of Critically Ill Patients?

[8] Sanaie S, Mahmoodpoor, Hamishenhkar H, Fattahi S, Faramarzi E, Iran J Pharm Res 2019, The Relationship of Serum Vitamin D Level With the Outcome in Surgical Intensive Care Unit Patients

[9] Aygencel G, Turgoglu M, Tuncel AF, Candir BA, Bildaci YD, Pasaoglu H, Crit Care Res Pract 2013, Is Vitamin D Insufficiency Associated with Mortality of Critically Ill Patients?

[10] Vitamin D Status and Mortality: A Systematic Review of Observational Studies

[11] Brenner H, Jansen L, Saum KU, Holleczek B, Schöttker B, J Nutr 2017, Vitamin D Supplementation Trials Aimed at Reducing Mortality Have Much Higher Power When Focusing on People with Low Serum 25-Hydroxyvitamin D Concentrations

[12] BfR: Ausgewählte Fragen und Antworten zu Vitamin D

[13] RKI: Antworten des Robert Koch-Instituts auf häufig gestellte Fragen zu Vitamin D

[14] Vitamin D: Lebensmittel mit hohem Gehalt

[15] Vitamin D wird unterschätzt

[16] GrassrootHealth Nutrition Institute: Scientists’ Call to D*action for Public Health - GrassrootsHealth

[17] EFSA: Vitamin D: EFSA legt Referenzwerte für Aufnahme fest

[18] Bfarm Pharmakovigilanz - Verschreibungspflicht

[19] Vitamin-D-Dosierung

[20] Ross AC, Manson JE, Abrams SA, Aloia JF, Brannon PM, Clinton SK, Durazo-Arizu RA, Gallagher JC, Gallo RL, Jones G, Kovacs CS, Mayne ST, Rosen CJ, Shapses SA, J Clin Endocrinol Metab 2011, The 2011 Report on Dietary Reference Intakes for Calcium and Vitamin D from the Institute of Medicine: What Clinicians Need to Know

[21] Adams JS, Ren S, Liu PT, Chun RF, Lagishetty V, Gombart AF, Borregaard N, Modlin RL, Hewison M, J Immunol 2009, Vitamin d-directed rheostatic regulation of monocyte antibacterial responses.

[22] Grant WB, Lahore H, McDonnel SL, Baggerly CA, French CB, Aliano JL, Bhattoa HP, Nutritiens 2020, Vitamin D Supplementation Could Prevent and Treat Influenza, Coronavirus, and Pneumonia Infections


Dieser Beitrag ist zuerst auf Quora als Antwort auf die Frage "Helfen Vitamine gegen das Coronavirus?" erschienen.