Zum einen: Das seit 1965 existierende „Kursbuch“ bekommt eine neue Mitherausgeberin, die Astrophysikerin, Buchautorin und FAZ-Redakteurin Sibylle Anderl.  Das alte Herausgebergremium schreibt zur Begründung dieser sicher guten Erweiterung: "Wir stehen derzeit vor einer Reihe gesellschaftlicher Herausforderungen, die ganz entscheidend den Transfer wissenschaftlichen Wissens in die Öffentlichkeit verlangen.“. Ach du meine Güte. Das versucht man seit mehr als 20 Jahren und ist dabei kläglich gescheitert, weil immer dieselben alten Leute immer dieselben alten Wege gehen. Und jetzt stapft alles weiter in die falsche Richtung. Es ist zum Heulen und Zähneklappern.

Zum zweiten: In der SZ vom 2./3. Oktober 2021 beklagt sich der Lyriker, Romancier und Verleger Michael Krüger darüber, dass es im Bundestagswahlkampf an keiner Stelle um Bildung und Kultur ging. Für mich gehört in besonderer Weise die Wissenschaft zu diesem Duo, da nicht nur ihre Produkte (Chips, iPhones), sondern auch die dazugehörigen Weltanschauungen die Gegenwart und das Denken der sich darin auslebenden Gesellschaft prägen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat eine eigene Abteilung für „Bildung und Wissenschaft“, die am 1. Oktober zur Vorstellung einer Studie geladen hat, in der es um die Frage „Wissenschaft für das Allgemeinwohl, die Wirtschaft oder die Politik?“ ging. Wem das schon ziemlich ungebildet vorkam, wurde bei dem begleitenden Text noch verzweifelter. Hier war nämlich zu lesen: „Wissenschaft hat Konjunktur“, und zwar deshalb, weil nur sie „einen Ausweg aus der Jahrhundertkrise der Corona-Pandemie“ zeigen kann, die die Stiftung meint. „Ach!“, würde Loriot sagen, ohne zu ahnen, dass nach diesem lächerlichen Auftakt ein erschreckender Satz kommt: „Gleichzeitig ist Wissenschaft für viele ein unbekanntes Terrain“, wie zu lesen ist, und die meisten Menschen „wissen wenig darüber, wie sie funktioniert.“ Das stimmt leider, doch es stimmt zugleich unendlich traurig, dass solch ein Satz noch mehr als 20 Jahre nach der Gründung einer bestens finanzierten Initiative mit Namen „Public Understanding of Science“ geschrieben werden kann, aus der eine mit viel Personal bestückte und als GmbH organisierte Arbeitstruppe hervorgegangen ist, die sich für „Wissenschaft im Dialog“ zuständig fühlt, wobei die Öffentlichkeit ausgeschlossen bleibt. Jedenfalls habe ich noch niemanden getroffen, der zum Dialog aufgefordert worden ist – und das zeigen das oben zitierte Kursbuch und der Wahlkampf. Bildung und Wissenschaft haben es in Deutschland schwer, in dem Ethikräte das Sagen habe, die nicht auf die Idee kommen, zu überlegen, welche Wissenschaft die Gesellschaft braucht – dazu fehlt den Mitgliedern die Bildung, die sie mit der Kompetenz verwechseln, die sie sich selbst zuschreiben –, sondern in dem Ethikräte mit Rätinnen sich verbissen in der Kunst üben, es nicht gewesen zu sein. Bildung zählt nichts mehr im einstigen Land der Dichter und Denker. Und eines Tages werden alle Menschen dafür zahlen müssen, ganz gleich, ob sie das verstehen oder nicht.

Zum Dritten ein vergnügliches Zitat von Gustave Flaubert: „Ich habe immer versucht, in einem Elfenbeinturm zu leben, aber ein Meer von Scheiße schlägt an seine Mauern, genug, um ihn zum Einsturz zu bringen.“ In solch einem Elfenbeinturm sitzen Bildung und Wissenschaft. Und es ist nicht zu übersehen, wer da mit der Scheiße schmeißt.

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