Ich hätte mir diesen Film nicht anschauen dürfen. Nur zufällig bin ich auf ihn gestoßen… rumgezappt und da war er:

„KINDER DES KRIEGES“

Ich habe ihn mir angeschaut und mein Herz wurde immer schwerer und schwerer. Wie unerträglich kann ein Leben sein und wie stark der Wille, diese Unerträglichkeit zu überleben, in der Hoffnung, danach ein menschenwürdiges Leben führen zu können.

Kinder, die den Krieg überstanden haben und nun quer durch Deutschland irrten, Kinder, die in Trümmern spielten, verwahrlost und sich selbst überlassen. Nicht wenige davon fielen selbst nach dem Krieg noch explodierenden Bomben und Granatsplittern zum Opfer oder stürzten sich zu Tode in Kriegsruinen. Hunger und Obdachlosigkeit waren Alltag, während des Krieges und auch noch danach.

Mein Herz drückt mich und ich lande direkt im Zentrum der Trauer, möchte schreien und weinen. Und doch bleibt nur dieser Druck, der auch nach Tagen nicht nachlässt.

Fragen tauchen auf und wollen beantwortet werden:

„Wie konnte das nur passieren?“, „Wer waren die?“ und „Wer bin ich?“

Wie konnte das nur passieren?

Das bedeutet zurückschauen, auf Menschen, die ich ja sogar noch kenne und die ich in meiner Kindheit so geliebt habe:

Opa (mütterlicherseits), geboren 1901, war im Krieg, als Sanitäter.

Oma (mütterlicherseits), geboren 1903, kümmerte sich derweil zu hause um ihre beiden Kinder. Sie liebte das Leben in den 20er Jahren, das Tanzen in Ballhäusern... und ihre ehemalige Arbeit bei Siemens, wo sie mit vielen anderen Frauen irgend etwas zusammenbaute und dabei Musik hören durfte.

Opa (väterlicherseits), geboren ?, arbeitete nach dem Krieg als Dolmetscher bei Siemens (deutsch/russisch) und trank gerne Wodka.

Oma (väterlicherseits), geboren ?, wurde von einem Opa aus irgendeinem Waisenhaus geholt und geheiratet, und es entstanden zwei Kinder.

Also, dass sind DIE, die noch dabei waren, mitten im Krieg.

DIE, die bei Hitlers Machtergreifung (1933) schon erwachsen waren.

DIE, die bei Beginn des 2. Weltkrieges (September 1939) im mittleren Alter waren und bereits Kinder hatten.

DAS müssen also DIE gewesen sein, die die ganze Katastrophe nicht verhindert haben, nicht verhindern konnten oder nicht verhindern wollten.

DAS sind die Erzeuger der Kriegs- und Nachkriegskinder!

Diese Kriegseltern sind jetzt alle tot, aber von den traumatisierten Kriegs- und Nachkriegskindern leben noch einige, und

DAS SIND UNSERE ELTERN,

die Eltern von uns 50er-Jahre-Kindern.

Und wer sind DIE? Was sind das für Eltern?

Mein Vater, geboren 1931:

Kriegsgeschichte:

(Er wurde wohl aus Berlin weggeschickt, aufs Land, wo es für Kinder sicherer war.)

Er rannte ohne Begleitung von Erwachsenen, zusammen mit einem anderen Jungen um sein Leben und versuchte sich nach Hause durchzuschlagen, ohne von Soldaten erwischt zu werden. In seinem Tornister, der um seinen Hals hing war Milch. Als sie aufhörten zu rennen war es Butter. Mein Vater lachte, als er mir das erzählte.

Meine Mutter, geboren 1933:

Kriegsgeschichte:

(Auch sie wurde aufs Land geschickt.)

Sie war "bei einer sehr bösen Frau" untergebracht und musste neben einem Fass schlafen, in der eine eingepökelte Ziege vor sich hin stank. Meine Mutter lachte, als sie mir das erzählte.

Bei Kriegsende (September 1945) war mein Vater 14 Jahre und meine Mutter 12 Jahre alt und beide hatte schon 6 Jahre Krieg hinter sich, inklusive Bombenangriffen und Luftschutzkellern.

Mein Herz wird langsam leichter, denn meine Eltern konnten nichts dafür.

Und ‚Wer Bin ich?‘

Als ich 1958 geboren wurde, als Kind von Eltern, die die Suppe auslöffeln mussten, die ihnen „jemand“ eingebrockt hatte, war der Krieg seit 13 Jahren vorbei. Das Wirtschaftswunder war in vollem Gange und niemand wollte sich mehr zurückerinnern.

Die Vergangenheit war nicht weiter erwähnenswert, weil schmutzig, peinlich, schmerzhaft. Mit Blick nach vorn wurde angeschafft, Wohlstand vermehrt und vor allen Dingen gegessen bis die Wohlstandsbäuche platzten.

Und ich bin die, die keine Fragen stellen darf und der man schon als Kind das Eine ganz verschämt mit auf den Weg gibt:

Male niemals ein Hakenkreuz an die Wand!“

Jetzt bleibt mir nichts, als ein unendliches Mitgefühl für meine Eltern,

die soviel durchmachen mussten und uns Kindern gegeben haben, was sie konnten.

Und ich bedanke mich für die Liebe meiner Großeltern mütterlicherseits.

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