mRNA (für engl. messenger ribonucleic acid), auch Boten-RNA genannt, war vor Corona den wenigsten ein Begriff. Sicherlich hatte der ein oder andere in der Schule in Biologie beim Thema Proteinbiosynthese oder im Studium bereits davon gehört. Aber die große Mehrheit konnte mit der Abkürzung vorher nicht viel anfangen. Die Medien bezeichnen die mRNA-Impfstoffe gerne als innovative Entwicklung. Innovativ bedeutet in der Medizin so viel, wie erst seit kurzem auf dem Markt, wenig erforscht, Erfahrungsdaten sind wenige vorhanden. Das sorgt zunächst für etwas Skepsis. Je mehr ich mich jedoch mit den mRNA-Impfstoffen beschäftige, desto faszinierter bin ich.

Was fasziniert mich an den RNA-Impfstoffen?

Gehen wir zunächst auf die Vorteile ein. Während herkömmliche Vakzine abgetötete oder geschwächte Erreger beinhalten, wirken mRNA-Impfstoffe wie ein Bauplan. Nachdem der ,,Bauplan‘‘ in unseren Körper injiziert wurde, beginnen unsere Körperzellen (z.B. die quergestreiften Muskelzellen) mit der Übersetzung des Bauplans in ein Protein. Es wird z.B. das Spike-Protein gebildet. Dieses befindet sich auf der Oberfläche von Coronaviren und ist typisch für diese Viren. Unser Immunsystem erkennt diese ,,körperfremden‘‘ Proteine und fährt die Waffensysteme hoch, um dagegen anzukämpfen. Sollte der ,,Feind‘‘ erneut auftauchen, steht eine gut trainierte und effiziente Armee einsatzbereit zur Verfügung.

Herstellung

Chinesische Forscher haben den Aufbau des Sars-Cov-2-Erregers bereits im Januar 2020 entschlüsselt und veröffentlicht. Daraus konnte der ,,Bauplan‘‘ abgeleitet und die passende mRNA synthetisiert werden. Herkömmliche Impfstoffe besitzen oft langwierige Herstellungsverfahren und benötigen einen Wirt z.B. Zellkulturen oder Hühnereier, bei mRNA-Impfstoffen ist dies nicht nötig. Sie können im Labor einfach mit den richtigen Enzymen und Bausteinen hergestellt werden. Daher können RNA-Impfstoffe schnell und in großen Mengen hergestellt werden. Bei Bedarf (Mutationen) lassen sie sich, sobald der neue Bauplan bekannt ist, anpassen. Die Herstellung im Labor hat unzählige Vorteile:

- Verunreinigungen durch Hühnereiweiß, Zellkulturen oder giftige Stoffe sind nicht vorhanden

- da exogene mRNA selbst immunstimulierend wirkt, wird kein Wirkverstärker benötigt, trotz guter Immunantwort

- hohe Ausbeute bei der Produktion

Sicherheit

Die mRNA muss für die Wirkung nicht in den Zellkern gelangen. Im Zellinneren (Zytosol) wird an den Ribosomen das Protein hergestellt. Es besteht daher keine Gefahr durch die mRNA. Sie kann nicht in das menschliche Erbgut eingebaut werden und Störungen verursachen. Hierfür fehlt ein entscheidendes Enzym, die Integrase. Zudem wird die mRNA durch normale zelluläre Prozesse (Enzyme, wie die RNAsen) sehr schnell wieder abgebaut. Es bleibt also nichts erhalten.

Die bisherigen Impfdaten und die große Anzahl an bisher geimpften deuten auf eine gute Sicherheit und Verträglichkeit hin.

-Es gibt kein Infektionsrisiko durch den Impfstoff, da nur der ,,Bauplan‘‘ für ein Protein verabreicht wird und kein Virenstamm

Herausforderung der Technologie

Die Instabilität der RNA-Moleküle ist eine technische Herausforderung. Damit die RNA wirken kann, muss sie intakt in unserem Zellinneren ankommen. Dabei kann die RNA sowohl enzymatisch (z.B. durch RNAsen) aber auch auf chemischen Weg (reaktive Sauerstoffspezies, mehrwertige Metallionen) abgebaut werden. Die pharmazeutische Formulierung von mRNA-Impfstoffen ist ein aktives Forschungsgebiet und hilft die Wirkung der mRNA zu erhalten. Die mRNA wird in Lipidnanopartikel verpackt, um dorthin zu gelangen, wo sie hinmuss. Nämlich ins Zellinnere.

Lipid-Nanopartikel gehören zum Methodenschatz eines pharmazeutischen Entwicklers. Nanopartiküläre Systeme (NPS) werden auch angewendet, um z.B. Zytostatika (Krebsmedikamente) in Tumorgewebe zu bringen, hier spricht man in der pharmazeutischen Technologie von Drug Targeting.

Im Fall der Covid-Impfung sprechen wir eher vom Cell Targeting. Lipid-Partikel haben eine Größe von wenigen Nanometern. Damit können sie vielen biologischen Barrieren unseres Körpers ausweichen und die Zielzellen erreichen, ohne vorher abgebaut zu werden. Dort sind sie in der Lage in die Zellwand einzudringen oder z.B. durch Endozytose von dieser eingeschlossen zu werden.

Neben der mRNA, sind auch die Lipidnanopartikel selbst labil. Durch mechanische Kräfte (Scherung, Druck oder Erschütterung) oder Temperatur (Koaleszenz) können die Lipidnanopartikel zerfallen oder zu größeren Aggregaten (Einheiten) zusammenwachsen. Hierdurch können sie nicht mehr in die Zelle aufgenommen werden. Die Schutzwirkung für die mRNA geht verloren und es kommt zu einer geringeren Wirksamkeit oder einem Totalverlust.

Herausforderung für die Zukunft

Die Herausforderung für die Zukunft wird es sein, durch chemische Modifikationen an der mRNA oder durch Veränderung der Formulierung der nanopartikulären Systeme bessere Stabilitätsdaten und thermostabile Impfstoffe zu erreichen.

Quellen:

[1] https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2020/daz-22-2020/lichtblick-mrna-impfstoffe

[2] https://www.nature.com/articles/nrd.2017.243

[3] https://www.statnews.com/2020/12/01/how-nanotechnology-helps-mrna-covid19-vaccines-work/

[4] Lehrbuch Pharmazeutische Technologie, 9.Auflage von Bauer/Frömming/Führer, Wissenschaftliche Vertragsgesellschaft Stuttgart

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