Was ist in Israel los? In den Nachrichten wird sachlich über eine Justizreform in Israel berichtet, als ginge es nur darum, dass kleinere Veränderungen vorgenommen werden, die offensichtlich von einigen politischen Kräften als falsch angesehen werden.
Parallel zu den Veränderungen des israelischen Rechtssystems finden erhebliche Eingriffe des Israelischen Staates in die sogenannte Siedlungspolitik statt, die bereits allein für sich betrachtet, erhebliche Fragestellungen eines rechtmäßigen Handelns aufwerfen.
Nun könnte man vielleicht zur Tagesordnung übergehen, weil politische Auseinandersetzungen jeden Tag geschehen und viele Bürger gar nicht mehr hinhören wollen, weil sie es leid sind, jeden Tag mit neuen Katastrophenmeldungen behelligt zu werden. Sie gehen davon aus, dass sie ohnehin keinen Einfluss auf die jeweiligen politischen Entwicklungen haben, weil die Politiker, die zwar immer wieder davon reden, dass sie die Bürger mitnehmen wollen, in Wahrheit sich um die Meinung der Bürger gar nicht mehr kümmern, sondern ihre eigenen Vorstellungen einfach durchsetzen.
Wenn es aber um Israel geht, dann sollte man vielleicht doch etwas mehr Sensibilität entwickeln und genauer hinsehen, was sich dort zur Zeit ereignet. Den Bürgern in unserem Land wird immer wieder gesagt, dass Deutschland um jeden Preis hinter Israel steht und dies sogar Staatsräson sein soll. Nimmt man diese Forderung ernst, dann bedeutet dies, dass Deutschland Israel um jeden Preis, notfalls auch mit militärischen Konsequenzen unterstützen muss, wobei in diesem Zusammenhang auf die historische Schuld Deutschlands gegenüber Israel hingewiesen wird, die jetzt von Deutschland eine besondere Unterstützung für Israel erfordert. Das kann aber anderseits auch nicht dazu führen, dass Israel jegliche Rechtsstaatlichkeit über Bord wirft.
Natürlich sind Fragen der Sicherheit für ein Land wichtig, aber solche Fragen dürfen auch nicht dazu herhalten, dass man glaubt, sich über alle Rechtsgrundsätze hinwegsetzen zu können. Der Umbau des Rechtssystems in Israel, der gegenwärtig vom Premier-Minister Netangahu vorangetrieben wird, hat mit der Sicherheit des Staates nichts zu tun, sondern scheint mehr dazu dienen, dass sich die israelische Regierung einen Blanco-Scheck ausstellen möchte, um nach Gutdünken schalten und walten zu können. Es ist ja bezeichnend, dass große Teile der israelischen Bevölkerung dieser Regierung nicht folgen wollen und dies durch massive Demonstrationen zum Ausdruck bringen.
Wo bleiben jetzt die kritischen Hinweise des Westens, der doch auch sehr schnell Ungarn und Polen vorgeworfen hat, sich nicht an sogenannte Rechtsstaatsprinzipien zu halten. Vergleicht man deren Rechtsreformen mit der Rechtsdemontage in Israel, dann sind die Vorwürfe der EU gegenüber Polen und Ungarn geradezu lächerlich. In Israel wird gegenwärtig angestrebt, die Gewaltenteilung zwischen der Legislative und der Judikative zu beseitigen. Wenn Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in Israel durch einfache Mehrheit im israelischen Parlament überstimmt werden können, ist dies ein Beispiel, wie man ein Rechtssystem aushebelt und die Weichen für eine Diktatur stellt. Ein solches Vorgehen kann auch nicht mit einer religiösen Notwendigkeit begründet werden. Die Regierung Israels schadet durch ein solches Vorgehen dem Ansehen ihres Landes und gibt denjenigen Argumenten in die Hand, die schon immer gegen Israel eingestellt waren und es wohl auch immer sein werden.
Aber auch die Politik Israels gegenüber den Palästinensern ist keinesfalls geeignet, eine positive Einstellung gegenüber Israel zu erhalten. Die Besetzungen großer Teile des palästinensischen Gebiets durch israelische Siedler sind völkerrechtswidrig und führen zu weiteren Konflikten, die der Sicherheit Israels nicht dienlich sein können. Vielleicht glaubte man bisher, dass Kritik gegenüber Israel gar nicht möglich sei, weil sie mit Antisemitismus gleichgesetzt wurde. Hier muss aber darauf hingewiesen werden, dass dieses Argument immer weniger durchschlagend ist, weil man sehr wohl eine Unterscheidung zwischen einem Antisemitismus und der Kritik gegenüber der Israelischen Regierung vornimmt. Es wäre dringend erforderlich, dass die Regierung von Israel mehr auf die Stimmung ihrer eigenen Bürger eingeht und ihre Politik ändert, um nicht Gefahr zu laufen, dass den Gegnern Israels Argumente gegeben werden, mit denen sie eine negative Stimmung gegen Israel in der Welt schüren können.
Mich macht die gegenwärtige Entwicklung in Israel nicht wütend, sondern traurig. Traurig deshalb, weil es einem immer schwerer wird, sich für Israel und dessen Fortbestand einzusetzen. Man kann nur hoffen, dass die Kräfte in Israel, die sich gegen die derzeitige Regierungspolitik wehren, erfolgreich sind, denn das wäre für den Fortbestand des Staates Israels unverzichtbar.
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