Dieser Artikel erschien ursprünglich auf medium.com.

Ich wollte eigentlich mehr über Astronomie und weniger über Schwurbel reden. Aber es naht mal wieder ein neues Jahr und damit die Zeit des astrologischen Clickbaits in den Medien. Und gewissermaßen als Antidot dazu schreibe ich mir das jetzt einfach mal von der Seele. Dann habe ich auch einmal alles gesagt, was ich dazu sagen wollte und kann in Zukunft darauf verlinken, wenn das Thema wieder aufkommt. Und ihr könnt es auch gerne verlinken, bringt ja nichts, wenn es nur diejenigen lesen, die mir schon zustimmen.

Von Astrologiebegeisterten hört man oft sinngemäß, Astrologie sei ein Mysterium, das die Wissenschaft nicht begreifen kann oder sogar unterdrücken möchte. Das Gegenteil ist der Fall, seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts wird die Astrologie statistisch untersucht und es ist heute recht gut belegt, dass das scheinbare Zutreffen von Horoskopen auf psychologische Effekte zurückzuführen ist. (Der bekannteste, aber nicht der einzige davon, ist der Barnum-Effekt: Allgemeine Aussagen, die auf die meisten Menschen zutreffen, treffen wahrscheinlich auch auf den Kunden des Astrologen zu.) In wissenschaftlichen Untersuchungen werden solche Effekte gezielt eliminiert und geprüft, ob trotzdem noch echte astrologische Effekte übrigbleiben. Astrologen machen das in ihrer täglichen Praxis natürlich nicht und glauben dann fälschlicherweise, sie wüssten aus Erfahrung, dass Astrologie funktioniert. Den Stand Forschung kann man hier zusammengefasst nachlesen: Is Astrology Relevant to Consciousness and Psi? Zusammengefasst: Bei Zeitzwillingen, d.h. Personen, die am selben Ort im Abstand weniger Minuten geboren wurden, sieht man keinen Effekt, Astrologen können nicht zuverlässig Geburtsdaten Persönlichkeitsprofilen zuordnen, ebensowenig können Testpersonen ihr eigenes Horoskop aus mehreren identifizieren, Astrologen können nicht besser als zufällig Persönlichkeitsmerkmale wie Extrovertiertheit vorhersagen (selbst eine altersbasierte Faustregel schnitt besser ab) und als Krönung des Ganzen: Astrologen können sich nicht einmal untereinander einigen, was ein gegebenes Horoskop bedeutet. Also genau das, was man erwartet, wenn Astrologie nur auf psychologischen Effekten basiert, die nichts mit dem Kosmos zu tun haben. Wenn wir großzügig sind, könnten wir sagen: Astrologie ist ein psychologisches Placebo. Weniger großzügig: Astrologie ist Bleigießen für Fortgeschrittene.

Astrologie ist also falsch, aber nicht alles, was falsch ist, ist auch Bullshit. Warum sage ich also, Astrologie sei Bullshit? Nun, ich bin seit meiner Kindheit vom Weltall begeistert und habe Astrologie schon früh als eine Beleidigung meines Hobbys empfunden. Im Laufe der Zeit hatte ich eine Menge Streitgespräche mit Astrologen und immer wieder kam dasselbe Argument: “Beschäftige dich doch erst einmal mit Astrologie, bevor du darüber urteilst.” Und genau das habe ich vor einigen Jahren getan. Ich habe mich mit Astrologie beschäftigt und gelernt, wie man Horoskope erstellt. (Das ist auch nicht weiter schwierig. Ein Horoskop ist nur ein Diagramm der Ekliptik mit ein paar Verzierungen und die Berechnung besteht im Wesentlichen nur aus linearer Interpolation. Jeder Hobbyastronom kann das an einem freien Nachmittag lernen. Falls es wen interessiert, kann man es zum Beispiel hier nachlesen.) Und wenn man sich damit beschäftigt, stellt man fest, dass sie sogar noch absurder und irrationaler ist, als sich die meisten Skeptiker das vorstellen. Sowohl in der Literatur als auch im Gespräch mit Astrologen bekommt man hanebüchene Aussagen zu hören. Aus dem Gedächtnis: Dass die Planeten einst aus der Sonne herausgeschleudert wurden, dass Sonnenflecken Erdbeben verursachen, dass Astrologie irgendwie mit Wünschelruten und Wiedergeburt zusammenhängt, dass Alkyone die Zentralsonne der Milchstraße sei (tatsächlich ist Alkyone ein ganz gewöhnlicher Stern in den Plejaden), dass sich der Polarstern in den Fischen befände, dass Astrologie wegen Ebbe und Flut funktioniere, und so weiter.

Ja, besser wird es nicht! Das ist der traurige intellektuelle Zustand einer Lehre, die gerne darüber jammert, dass sie von der Wissenschaft nicht ernst genommen wird. Astrologen können froh sein, dass sich die wenigsten Skeptiker genauer damit befassen, denn da fände man so viel, was man kritisieren könnte. Und wohlgemerkt, wir reden hier nicht über Zeitungshoroskope, sondern über die sogenannte “seriöse Astrologie”. Dort ist offenbar eine regelrechte Kultur der Irrationalität entstanden und ich vermute, dass das an einer Art “Brain Drain” liegt: Menschen, die auf schlüssige Argumentation Wert legen, befassen sich meist gar nicht erst mit Astrologie oder steigen irgendwann wieder aus. Übrig bleiben die Leute, die Ebbe und Flut für eine ausreichende Begründung halten. Ich würde argumentieren, dass man die Astrologie allein schon wegen dieser Irrationalität ablehnen kann, ohne dass wir uns über weitergehende Konzepte wie Falsifizierbarkeit oder Paradigmenwechsel unterhalten bräuchten. Selbst in sogenannten “weichen Wissenschaften” würde man einen so dilettantischen Umgang mit Logik und Vernunft nicht gelten lassen.

Jetzt könnte man fragen: “Was regst du dich denn so auf? Ist doch nur ein einigermaßen harmloser Schwurbel.” Und ich gebe zu: Astrologie ist nicht so gefährlich wie Pseudomedizin, die Patienten umbringt, oder braune Verschwörungsmythen, die zum Sturm auf den Reichstag aufhetzen. Völlig harmlos ist sie aber nicht. Astrologie kann süchtig machen. Genau wie bei Glücksspielsucht gibt es eine Industrie, die das ausnutzt. Menschen mit dem “falschen” Sternzeichen können Opfer von Diskriminierung werden. Für diese wird dann das Horoskop zum Horrorskop (Shoutout an jUst #Sash!). Wenn ihr einen harmlosen Schwurbel haben möchtet, gönnt euch mit ein paar Freunden (unter Beachtung der Corona-Auflagen) ein wenig Bleigießen zu Silvester. Das ist einfach nur ein netter Zeitvertreib, an den niemand wirklich glaubt. In diesem Sinne: Frohes neues Jahr 2021!