Rezension Roman Jasmin Thoma „Der Ungläubige“


Lydia und Amir sind ein Paar. Zwischen den Fronten. Amir hat sich nach langem inneren Kampf vom Islam losgesagt. Für seine Familie völlig inakzeptabel. Und noch weniger wird Lydia als sogenannte Ungläubige als seine Freundin akzeptiert. Deren Vater wiederum seine Tochter davor warnt, Amir könnte seine Wandlung nur als Vorwand benutzen um Lydia zu gewinnen.

Dies ist der Ausgangspunkt für eine turbulente Geschichte, in deren Verlauf sich die Situation für das verliebte Paar immer weiter zuspitzt. Spannung erzeugend erzählt Jasmin Thoma in ihrem zweiten Roman, wie sich Lydias beste Freundin, eine Aktivistin der linken Szene, von ihr mit dem Argument abwendet, Amir würde im Internet Hass gegen seine ehemaligen Glaubensgenossen erzeugen. Was sich persönlich gegen die Mehrheit der Muslime im eigenen Land richte und damit rassistisch sei. Auf der anderen Seite werden Amirs Postings von Rechtsextremen als Beweis der Rückständigkeit des Islams und seines Nichtpassens in die westliche Welt gewertet. Bei einer toleranten muslimischen Familie finden die beiden Protagonisten der Geschichte zeitweilig Unterschlupf, werden aber von Amirs Familie ausfindig gemacht. Immer gefährlicherer Drohungen richten sich gegen den Abtrünnigen, aber auch gegen Lydia, von der sie Amir schon getrennt geglaubt hatten. Als sie von einem Familienmitglied ihres Freundes auf offener Straße physisch attackiert wird, fällt sie beinahe in Ohnmacht. Nur mit Mühe schafft sie den Weg nach Hause. Lydias Vater fühlt sich in all seinen Vorurteilen bestätigt und möchte seiner Tochter den weiteren Umgang mit Amir verbieten. Aber trotz zeitweise wochenlanger Abwesenheit mit nur sporadischen Anrufen ihres Freundes hält Lydia eisern zu ihrem Partner, der mehrmals eine Trennung vorschlägt, um sie zu schützen...

Wie schon beim ersten Roman der Autorin nimmt auch diese Geschichte ein wenn auch nur angedeutetes gutes Ende.

Jasmin Thoma hat das brisante Thema der Apostasie, also des Abfallens von einer bestimmten Glaubensrichtung, in diesem Fall vom Islam, zum Thema ihrer Bachelorarbeit gemacht. Aus den vielen Recherchen, die sie in diesem Zusammenhang führte, entstand dann die Idee, die Resultate in einem Roman zu verarbeiten. Wenig Fachliteratur stand ihr zu diesem gesellschaftlich verdrängten Thema zur Verfügung. Vielen Personen ist die mehrfache Problematik die sich für Aussteiger aus dem Islam ergeben, nämlich die versuchte politische Vereinnahmung von Links und Rechts, aber auch die zum Teil lebensbedrohenden Aktionen aus dem eigenen familiären Umfeld, unbekannt oder kaum bewusst. In einem sehr ausführlichen Nachwort geht die Autorin auf viele Zusammenhänge diese Problematik betreffend ein, auch ganz konkret mit Fallbeispielen und Beiträgen von Apostat*innen, auf deren Erfahrungen der Roman mit aufbaut.


Chris Peterka