Standing Ovations, Kritik an Trump – und ein Deutschland-Witz


Es war ein Moment zwischen  Erleichterung und Spannung: Als Jimmy Kimmel am 23. September nach einer  einwöchigen Zwangspause wieder seine Late-Night-Bühne betrat, erhoben  sich die Zuschauer von ihren Plätzen. Minutenlange Standing  Ovations begleiteten den Moderator, der in den vergangenen Tagen selbst  zum Politikum geworden war.

Kimmel selbst konterte zunächst mit  einem Scherz, brach die Ironie dann aber rasch und wechselte zu einem  sehr persönlichen, ernsten Monolog. Es war der Auftakt einer Sendung,  die zwischen Satire, Selbstreflexion und politischer Kritik pendelte –  und die den Begriff „Meinungsfreiheit“ ins Zentrum rückte.


Entschuldigung und Bekenntnis

Im Mittelpunkt stand Kimmels  Kommentar zum Mord an dem rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk –  eine Pointe, die nicht nur missverstanden, sondern auch bewusst  skandalisiert worden war.

„Es war ein Witz, der kein Witz  hätte sein dürfen“, sagte Kimmel sichtlich bewegt. Er entschuldigte sich  öffentlich bei der Familie Kirk und sprach den Angehörigen sein  Mitgefühl aus. Dass er diesen Schritt ging, werteten viele Beobachter als ungewöhnlich offen für einen Satiriker.

Doch Kimmel beließ es nicht bei der  Entschuldigung. Er nahm den Vorfall zum Anlass, um über die Rolle von  Humor, Kritik und Satire in einer Demokratie zu sprechen: „Wir machen  Fehler. Aber wir machen sie in einem System, in dem wir die Freiheit  haben, Fehler zu machen. Und das ist etwas, das wir verteidigen müssen.“


Scharfe Kritik an Trump

Von hier aus führte Kimmel die  Brücke zur Politik. Mit ungewöhnlich klaren Worten griff er Präsident  Donald Trump an. Das Vorgehen gegen seine Show und gegen andere  kritische Stimmen nannte er „autoritäre Tendenzen“ und sogar  „anti-amerikanisch“.

„Wenn eine Regierung entscheidet,  welche Stimmen sie zum Schweigen bringt, dann ist das nicht Demokratie.  Das ist das Gegenteil davon“, so Kimmel.

Er warnte eindringlich davor,  Meinungsfreiheit für selbstverständlich zu halten. Auch wenn er nun auf  den Bildschirm zurückgekehrt ist, bleiben seine Sendungen bei rund 70  lokalen Sendern in den USA weiter ausgesperrt – ein Detail, das seine  Warnungen besonders eindringlich machte.


Die Deutschland-Pointe

Mitten in diesem ernsten Tonfall  lockerte Kimmel die Atmosphäre auf – mit einer überraschenden Wendung:  „Der Typ in Deutschland hat mir einen Job angeboten. Könnt ihr euch das  vorstellen? Dieses Land ist so autoritär geworden, dass sogar die  Deutschen sagen: Komm zu uns!“

Das Publikum lachte, die Pointe  saß. Für amerikanische Ohren spielt sie auf ein bekanntes Klischee an:  das Bild der „autoritären Deutschen“, das spätestens seit dem Zweiten  Weltkrieg als schneller Lacher in US-Comedy funktioniert. Für deutsche  Zuschauer wirkt die Wendung allerdings ambivalenter – gerade weil sie  zwischen Selbstironie, Vorurteil und politischem Kommentar changiert.

Tatsächlich berichtete Kimmel von  einem echten Angebot: Stefan Raab habe ihn kontaktiert, mit der Idee,  eine Show in Deutschland zu übernehmen. In der Pointe verschränkte  Kimmel Realität und Satire – und schaffte damit einen Moment, in dem  sich der amerikanische Blick auf Deutschland und die deutsche  Selbstwahrnehmung überkreuzten.


Humor, Klischees und Realität

Dass Kimmel ausgerechnet  Deutschland als Folie für einen Witz über Autoritarismus nutzt, ist kein  Zufall. In den USA gilt die Vorstellung vom „regelbesessenen, strengen  Deutschland“ noch immer als zuverlässige Pointe. Die satirische  Umkehrung – Deutschland als Zufluchtsort für freie Rede – zündet gerade  deshalb.

Für Deutschland ist dieser Blick  gleichzeitig irritierend und entlarvend. Irritierend, weil die Realität  komplizierter ist: Auch hier wird über „Cancel Culture“ und  vermeintliche „Verbotskultur“ gestritten. Entlarvend, weil die Pointe  zeigt, wie stark Klischees in der internationalen Wahrnehmung nachwirken  – und wie Humor sie immer wieder neu ins Spiel bringt.


Disney ist dann eingeknickt

Jimmy Kimmels Rückkehr war mehr als  nur die Fortsetzung einer Late-Night-Show. Sie wurde zu einem Statement  über die Rolle von Humor in einer Demokratie, über die Gefährdung der  Meinungsfreiheit – und über die Macht von Satire, politische  Entwicklungen auf den Punkt zu bringen.

Dass er am Ende ausgerechnet  Deutschland als Pointe ins Spiel brachte, mag manchem in Berlin oder  Köln schräg vorkommen. Doch in Wahrheit sagt es weniger über Deutschland  als über die amerikanische Debatte selbst: Wie absurd die Situation  geworden ist, dass ein Moderator sich entschuldigen, verteidigen und  gleichzeitig spotten muss – und dabei ein ganzes Land als Spiegel  benutzt.

Wenn also sogar Jimmy Kimmel  witzelt, die Deutschen würden ihn einladen, dann zeigt das vielleicht  nur eines: Dass Humor am schärfsten wirkt, wenn er die Widersprüche  offenlegt, in denen wir alle stecken.

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