“Das ist ein Jobhopper”, sagt der einstellende Manager des Fachbereichs mit Blick auf einen Lebenslauf. Die Biografie der Kandidatin oder des Kandidaten zeigt alle zwei Jahre einen Wechsel. Und wir Arbeitgeber goutieren ihre Dynamik und diversifizierte Lernkurve meist mit Ablehnung. Häufige Jobwechsel werden immer noch äußerst kritisch gesehen! Drehen wir mal die Kommentare um. Der gleiche Manager beklagt hingegen im Leistungsbeurteilungsgespräch einen antriebslosen und kaum Ehrgeiz zeigenden Kollegen, den er mit “meets expectation” rated. Und es ist doch die gleiche Biografie! Oder noch schlimmer: jemanden, der seit sieben Jahren den gleichen Job erledigt, rated man mit “reached potential” und segnet damit das Ende seiner Karriere ab. Diese Pluralität in der Bewertung von Menschen mit ihren Biografien ist alltäglich und wir nennen dies Unconscious Bias, also die kognitiv verzerrte Bewertung von Menschen aufgrund vorhandener Effekte. Genau dies passiert auch mit Blick auf Menschen und die Entscheidung, diese mit einem lauten Plonk in die Schublade “Job Hopper” fallen zu lassen.
Mir persönlich begegnet die Sorge vor zu vielen Wechseln sehr häufig. Das hat mit meiner Vita auf der einen, mit meiner Rolle als Personalleiter auf der anderen Seite zu tun. Da wir auf einen aktuell immer dynamischer werdenden Arbeitsmarkt schauen, möchte ich dieses Thema gerne aufgreifen: Wie viele Arbeitgeberwechsel verträgt meine Karriere? Problematisch finde ich, dass wir aus Angst vor einem Job-Hopper gegebenenfalls die beste Kandidatin oder den besten Kandidaten nicht berücksichtigen und aussortieren, obwohl die Biografien keine lebenslangen Karriereentscheidungen mehr bestätigen. Die meisten Menschen aus den Generationen der heute 20-30-Jährigen kommen ins Unternehmen und bleiben dort für irgendwas zwischen 2-5 Jahren, wechseln innerhalb des Unternehmens horizontal oder steigen sogar vertikal auf. Manche wechseln auch einfach den Arbeitgeber und nutzen dies für eine Verbreiterung ihrer Expertise und Kompetenz.
Arbeitgeberwechsel sind Normalität
Beziehungen funktionieren immer gleich. Man beginnt euphorisch, kommt in die Routinen, es können Zufriedenheit, Harmonie, Sicherheit und Geborgenheit folgen, aber eben auch Ernüchterung und Resignation. Das gilt nicht nur für die Beziehung zu seinem Partner, sondern auch für die Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen. Große Unterschiede gibt es dort nicht. Wir müssen sowieso feststellen, dass die Loyalität und Bindung zum Arbeitgeber erodierte. 20-, 25- oder 30-jährige Betriebszugehörigkeiten werden kaum noch gefeiert, weil die Arbeitgeberwechsel dazwischen kommen.
Dennoch ist unser Recruiting bei den meisten Unternehmen ausgelegt, die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für eine langfristig ausgelegte Unternehmenskarriere zu gewinnen. Das entspricht allerdings nicht mehr der Karrierewirklichkeit auf dem Arbeitsmarkt!
Arbeitgebertreue erodiert
Die Loyalität von Absolventen zu ihrem ersten Arbeitgeber wird mit 550 Tagen angegeben. Laut der Young-Professional-Studie 2016 möchte fast ein Drittel der befragten jungen Berufstätigen den Job wechseln – und zwar schon innerhalb der nächsten zwölf Monate. Hier sind besonders die Führungskräfte gefragt. Denn in der direkten Führung liegt der größte Hebel, die perspektivische Loyalität auszudehnen.– Universum Communications, Young-Professional-Studie
Ab wann ist man ein Job-Hopper?
Das ist die zentrale Frage und die richtige Antwort ist: kommt darauf an! Jeder definiert doch für sich die Anzahl an Arbeitgebern oder die Länge der Verweildauer völlig unterschiedlich. Der eine ist mit 2,5 Jahren bei einem Arbeitgeber schon als Job-Hopper gewertet, für andere ist es der, der nach 9 Monaten zu neuen Ufern aufbricht. Mancher sieht sogar in 5 Jahren Arbeitgebertreue eine zu hohe Dynamik der Verweildauer. Es kommt immer darauf an, aus welchem Wertemodell man auf diese Biografien schaut. Jemand im Consulting, im Banking wird das anders einschätzen als der Mittelständler auf dem Land mit einer Fluktuation im Promillebereich.
Für mich ist es auch eine wesentliche Frage, ob vertikale oder horizontale Wechsel das Bild eines Job-Hoppers prägen. Das horizontale Wechseln – gleiche Rolle, mehrere Arbeitgeber – oder vertikale Wechseln – im Unternehmen oder bei einem anderen die Karriereleiter nach oben gehen – hat unterschiedliche Qualitäten. Der erste Fall spricht eindeutig für valide Fragezeichen, die man gezielt hinterfragen sollte. Die Gefahr eines Job-Hoppers ist dort gegeben.
Weshalb wird man nur bei Arbeitgeberwechseln als Job-Hopper gesehen, aber nicht bei internen Rollenwechseln?
Ich habe eine These: Man wird mit häufigen Wechseln des Arbeitgebers als Job-Hopper gesehen, nicht aber bei häufigen Wechseln der Rollen bei einem Arbeitgeber. Liegt es daran, dass man die Bewertungsfähigkeit des Mitarbeiters durch den Arbeitgeber als Ganzes als Qualitätskriterium betrachtet?
In meinem Duktus ist ein Job-Hopper jemand, der in 20 Jahren mehr als 10 Arbeitgeber hatte. Wenn es gute Gründe gibt, bspw. die Firma ist pleite oder verlagert ihren Standort irgendwohin, sollte das im Lebenslauf angegeben werden. Das sind einfache und zutiefst nachvollziehbare Gründe. Jedenfalls deutliche bessere als die Vermutung, die Person hätte kein Durchhaltevermögen, keine Stressresistenz, Unzuverlässigkeit oder man vermutet gar Gründe für eine fristlose Trennung.
Chancen, die in häufigen Arbeitgeberwechseln stecken können
Menschen mit mehreren Arbeitgebern haben diese verschiedenen Systeme von innen kennengelernt. Das unterstreicht eine gewissen Flexibilität, Varianten- und Facettenfähigkeit in der Anpassung, dem Umgang in unterschiedlichen Systemen und Unternehmenskulturen und natürlich mit unterschiedlichen Führungskulturen. Das ist im Grundsatz ein Gewinn für einen Menschen auf der Softskill-Ebene. Die Problemlösungskompetenz kann hierbei stark wachsen, weil man unterschiedliche Ansätze in den diversen Systemen direkt einbringen kann. Diese Perspektivenvielfalt ist ein Gewinn!
Und natürlich sollten Sie die Motive der Menschen hinterfragen, weshalb sie wechselten. Und oftmals erwischt man sich dabei, dass man in der Situation vermutlich ähnlich gehandelt hätte. Verständnis hat man nicht, Verständnis erlangt man, in dem man sich in die Situation des anderen hineinversetzt und versucht, durch die Perspektive des anderen die Situation zu bewerten – nicht aus dem eigenen Wertesystem heraus!
Wie oft sollte man den Job wechseln?
Ich hatte mich mit dieser Frage mal in einem Beitrag (Wechseln Sie alle fünf bis sieben Jahre den Job) beschäftigt. Guter Rat ist teuer, es gibt valide Argumente für einen Wechsel des Jobs alle fünf bis sieben Jahre. Aber diese sind kein Zwang, wenn jemand glücklich und zufrieden ist, der Arbeitgeber einen fördert und es keine wesentlichen Gründe für einen Wechsel gibt, kann man auch einfach bleiben wo man ist.
Fazit (tl;dr)
Die Einschätzung, dass jemand ein Job-Hopper ist, ist immer noch fest in den Köpfen der Personalentscheider. Eine fixe Größe für diese Einschätzung gibt es nicht. Ob es jemand ist, der zwei mal in der Probezeit weiterzog oder zwei Wechsel nach 4-5 Jahren Unternehmenszugehörigkeit. Es kommt immer auf die Sicht des Personalentscheiders an, ob er die Vita einer Person entsprechend würdigt.
Job-Hopping sehe ich prinzipiell nicht als Makel, man kann sogar die Chancen darin sehen, wenn jemand unterschiedliche Facetten und verschiedene Systeme kennenlernt. Eine steile Lernkurve kann das Ergebnis sein. Haben Sie als Hiring-Manager keine vorschnelle Sorge vor Biografien, die Sie gestern vielleicht noch als Job-Hopper vom A-Stapel genommen haben. Geben Sie auch diesen Menschen eine Chance, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.
Beste Grüße
Ihr Marcus K. Reif