Wie häufig wurde es erzählt: "Die Kinder sind nicht die Treiber der Pandemie." Das ist dann missverstanden und übertrieben worden zu "Kinder können sich nicht anstecken" und "Kinder verbreiten COVID nicht".

Zu diesen Aussagen gibt es eine Geschichte, einen Hintergrund und der Treppenwitz der COVID-Pandemie ist, dass die Kinder eben doch der Treiber der Pandemie sind.

Aber mal Schritt für Schritt.

Struktur eine Grippepandemie

Bei einer pandemischen Grippe gehen wir davon aus, dass der Grippestamm neu genug ist, einen Pandemie auszulösen, aber verwandt genug ist mit den bekannten Grippestämmen, dass Teile der Bevölkerung eine (Teil-)Immunität haben.

Diese Teilimmunität beschränkt sich dann natürlich auf die Teile der Bevölkerung, die die Sonne schon ein paar Mal umrundet haben und auch schon mal mit dem einen oder anderen Stamm Kontakt hatten oder durch eine Kette von Grippeimpfungen eine breitere Immunität aufgebaut haben.

Diejenigen, die keine Immunität haben, sind die Kinder. Sie haben noch nicht lange genug gelebt, verschiedene Grippestämme zu erleben und auch die Grippeimpfung ist unter Kindern eher selten.

In so einer Situation gilt: Die Ansteckungswelle läuft über diejenigen, die keine Immunität haben. Über die Kinder. Die Ausbreitung über die (älteren) Erwachsenen ist durch die (Teil-)Immunität gebremst.

Die Grippe breitet sich also vornehmlich bei den und über die Kinder aus. Die Kinder stecken dann wieder die Erwachsenen an. Die Kinder sind die Treiber der Pandemie.

Unsere Pandemieplanung

Unsere Pandemievorbereitung ging von einer Grippepandemie aus. Natürlich nicht nur, etwas Verallgemeinerung war schon in der Vorbereitung, aber so richtig wahrscheinlich hielt man eine pandemische Grippe. Deswegen ist der Bezug zu Kindern so wichtig.

Jetzt kommt COVID um die Ecke. Mit der Grippe nicht verwandt. Und auch unter den Coronaviren so weit weg, dass es keine nennenswerten vorbestehenden Immunitäten gibt. Dazu ein Krankheitsverlauf, der um so schwerer ist, je älter die Patienten sind.

Die ersten Monate Covid

Und plötzlich ist eine andere Lage da. Es sind jetzt nicht die Kinder der Treiber des Geschehens, sondern die Erwachsenen. Und die älteren Erwachsenen sind auch die mit den schweren Verläufen und den Todesfällen.

Das wurde in den ersten Wochen und Monaten schnell klar. Dies ist anders vom Verlauf her als eine pandemisch Grippe. Die Kinder sind nicht die Verbreiter, sondern die Erwachsenen stecken sich an.

Der Altenpfleger steckt die Heimbewohnerin an, ganz ohne die Kinder.

Dazu kam: Kinder hatten viel mehr asymptomatische Verläufe und da in der Anfangsphase mit beschränkten Testkapazitäten vor allem symptomatische Fälle untersucht wurden, sind die Kinder häufig nicht entdeckt worden.

Dann haben wir auch früh in der ersten Welle die Schulen geschlossen, so dass die Kinder weitestgehend aus der Schusslinie waren.

Aus den (scheinbar) geringen Ansteckungsquoten der Kinder ist dann die Legende gestrickt worden, Kinder können COVID gar nicht übertragen oder seien weniger empfänglich oder ansteckend.

COVID nach der Impfung der Alten

Jetzt, Mitte 2021 sind die Alten mit hoher Quote geimpft. Die Impfung schützt vor allem gegen schwere Verläufe und Tod, aber sie bremst auch ganz massiv die Ausbreitung. Die Inzidenz unter den Geimpften ist nur ein Zehntel der Inzidenz der Ungeimpften.

Die Alten haben jetzt alle durch die Impfung einen Immunität.

Die Jungen Erwachsenen sind als letztes geimpft worden. Hier ist die Quote noch niedrig. Die StIKo hat die Impfung Ü12 lange nicht empfohlen, auch hier ist die Quote noch gering. Kinder U12 haben keinen zugelassenen Impfstoff. Bis auf singuläre Fälle gibt es U12 keine Geimpften.

Jetzt haben wir die Ursprungslage für die Grippepandemie dann doch: Die Alten haben eine Immunität und die Jungen haben keine oder deutlich weniger. Und Zack, breitet sich die Pandemie vor allem unter den Jungen aus. Und die stecken dann die Alten in den Familien an.

Kinder sind jetzt doch die Treiber der Pandemie

Kinder sind jetzt, nach ein-einhalb Jahren COVID-Pandemie die Treiber dieser Pandemie. Deswegen müssen sich die Maßnahmen zur Eindämmung auch auf diese Gruppe (Ungeimpfte, vor allem Schulkinder) konzentrieren. Hier ist die Inzidenz hoch, hier finden die Ansteckungen statt, hier haben die Menschen keine Immunität. Von hier erreicht die Pandemie über die Familien alle anderen Altersklassen.

Unsere Politik macht das Gegenteil. Bloß keine Maßnahmen an Schulen, Augen zu und durch, die Kinder werden ja nicht krank.

Und das stimmt zum Teil. Das Problem: Kinder werden selten krank, aber 12 Mio Kinder sind auch viele Gelegenheiten für schwere Verläufe. In Summe ist mit einer großen Zahl von Todesfällen, Schweren Verläufen, PIMS und Long-Covid zu rechnen.

Dazu kommt, wenn die Pandemie auch nur in Teilen der Gesellschaft sich stark ausbreitet, strahlt das in alle anderen Gesellschaftsbereiche aus und wir haben keine Ruhe.

Wer die Pandemie in den Griff bekommen will, muss die Ausbreitung unter Kindern in den Griff bekommen. Ohne gibt es keine vernünftige Pandemiepolitik.

Kinder haben große Kontaktflächen

Dabei ist wichtig, anzuerkennen, dass Kinder sehr enge Situationen haben, in denen sie anderen Kindern begegnen.

Das gilt für die Schule, dort sitzen die Kinder lange nebeneinander in hoher Dichte in mittelmäßig gelüfteten Räumen. COVID verbreitet sich als Aerosol über die Luft. Auch über größere Distanzen.

Eine ähnlich große Nähe ohne jeden Schutz gibt es in den Familien. In der Wohnung, in großer Nähe, lange Zeit am Stück und manchmal auch in der Nacht im gleichen Raum.

In beiden Situationen sind Ansteckungen kaum zu vermeiden. In der Schule, auch weil Lüftungen und Filter verpennt wurden, aber auch weil dogmatisch am Regelschulbetrieb festgehalten wird und nur auf oberflächlichen Aktionismus wie Einbahnstraßen und Hände waschen gesetzt wird.

Zu Hause lassen sich Ansteckungen nicht sinnvoll vermeiden. Schon gar nicht, weil COVID viel präsympotmatisch, also bevor eigenen Symptome auftauchen, übertragen wird.

Kinder haben ein eigenes Ansteckungsnetzwerk

Im Wechselspiel zwischen Klassenverband und Familie lässt sich über Klassenkameraden und Geschwister jede Familie, jede Klasse, jeder Jahrgang, jede Schule in wenigen Sprüngen erreichen.

Das Netz der Kinder ist eng und umfasst die Schulen einer ganzen Stadt oder Region.

Wir wollen die Klassen nicht knacken und wir werden die Familien nicht trennen. Dieses Netzwerk ist Fakt und muss beim Maßnahmendesign berücksichtigt werden. Aktuell hat die Politik vür dem Problem kapituliert.

Herdenimmunität ist hochgradig lokal

Es ist häufiger die Rede von der Herdenimmunität. Häufig mit Bezug zur bundesweiten Impfquote. Das ist verkürzt und fehlgeleitet.

Es hilft keinem Kind, dass mit einem infektiösen Schüler im gleichen Klassenraum in Baden-Baden sitzt überhaupt nicht, wenn alle Senioren in Hamburg geimpft sind. Der bundesweite Mittelwert ist irrelevant.

Entscheidend bei der Herdenimmunität ist nur das direkte Umfeld des Infektiösen. Wenn dieser 30 Kontakte hat, von denen 28 geimpft sind, dann können sich im wesentlichen noch zwei anstecken und einer oder keiner tut es vielleicht. Das sind gute Bedingungen, dass sich eine Pandemie ausläuft.

Wenn 30 ungeimpfte Kinder in einem Klassenzimmer sitzen ist es schlicht egal, welche Erwachsene noch so geimpft sind. Hier wird es eine größere Zahl Ansteckungen geben.

Es gibt den Coconeffekt nicht mit Schulbetrieb. Das ist, wenn die Erwachsenen geimpft sind und dadurch die Kinder schützen. Die Kinder haben ihre eigenen Ansteckungspfade.

Es gibt nur einen Weg, den Coconeffekt zu erreichen: Schulgebäude schließen. Dann sind die Kinder zu Hause und die geimpften Erwachsenen schleppen weniger in die Familien ein. Das ist aber politisch nicht gewollt. Hochwirksam, aber die Politik ist zu feige dazu.

Wir werden erst Ruhe in die Schulen bekommen, wenn der Großteil ALLER ALTERSKLASSEN geimpft ist. Vorher wird die Pandemie sich an den Schulen austoben.

Pandemiebekämpfung muss jetzt bei den Kindern ansetzen

Und weil das so ist, weil die Kinder noch nicht immun sind, weil sie ein eigenes Netzwerk haben, weil die Impfung der Erwachsenen sie nicht schützen wird, weil das so ist, kommen wir nicht daran vorbei, bei der Pandemiebekämpfung auch und gerade an den Schulen anzusetzen.

Klar das geht mit mehr oder weniger Intelligenz. Hier ist meine Strategie.