Im Jahr 2020 verschwand eine Rekordfläche von rund 4,2 Millionen Hektar Tropischen Regenwalds auf der ganzen Erde, was in hohem Maße CO2 freisetzt und zum Klimawandel beiträgt. Eine andere Folge, die Zerschneidung der Wälder, ist ein zusätzliches Problem. Denn dabei entstehen immer mehr Waldränder mit erhöhter Baumsterblichkeit, die nach jüngsten Auswertungen große Mengen Kohlenstoff freisetzen und damit den Klimaschutz zusätzlich gefährden. Auch die Artenvielfalt leidet.
Darauf weisen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig hin. Nach jüngsten Auswertungen von Satellitendaten stieg die sogenannte Fragmentierung auf fast ein Drittel der Waldfläche an, schreiben sie im Fachblatt „Science Advances“. Modellsimulationen zeigten zudem, dass die so bedingten Emissionen in Zukunft zunehmen könnten. Nur durch weniger Abholzung könne der Prozess gebremst werden.
Mehr als zwanzig Millionen neue Waldfragmente zwischen 2000 und 2010
Das UFZ nutzte Satellitendaten mit einer Auflösung von dreißig Metern für die beiden Jahre 2000 und 2010. So konnten sie vergleichen, wo in Mittel- und Südamerika, Afrika und Südostasien noch zusammenhängende tropische Wälder vorhanden oder verschwunden sind. Mit einem komplexen Clusteralgorithmus und Hochleistungsrechnern stellten sie fest, dass die Zahl von Waldfragmenten zwischen 2000 und 2010 um mehr als zwanzig Millionen auf 152 Millionen zugenommen hat.
Von Bedeutung ist dieser Anstieg laut UFZ, weil sich dadurch auch der Flächenanteil der Waldränder an der gesamten Waldfläche erhöht habe. Als Waldrand gilt dabei der Waldbereich, der vom Offenland hundert Meter in den Wald hineinreicht. Dieser Randbereich nahm zwischen 2000 und 2010 um vier Prozentpunkte von 27 auf 31 Prozent zu, also von 517 auf 589 Millionen Hektar Fläche. „Die Situation hat sich deutlich verschlechtert, so dass mittlerweile weltweit fast ein Drittel der tropischen Waldflächen in Randbereichen liegt“, meint UFZ-Modellierungsexperte Rico Fischer: „Wenn die Abholzung nicht gestoppt wird, setzt sich dieser Trend fort.“
Der Effekt der beschleunigten Fragmentierung trat vor allem in den Tropen Afrikas auf: Dort nahm die Zahl der Waldstücke innerhalb von zehn Jahren von 45 auf 64 Millionen zu. Der Anteil des Waldrands am Gesamtwald erhöhte sich von 30 auf 37 Prozent, von 172 auf 212 Millionen Hektar. Im Vergleich dazu stieg der Anteil der Waldränder beispielsweise in Mittel- und Südamerika nur um zwei Prozentpunkte auf 25 Prozent.
Randbereiche tropischer Wälder setzen große Mengen Kohlenstoff frei
Bislang wurde die Kohlenstoffbilanz tropischer Waldränder kaum detailliert untersucht. Nach Ansicht des UFZ verändert die Fragmentierung aber verschiedene ökologische Prozesse in den Randbereichen. „Der Rand unterliegt im Unterschied zum Waldinnern der direkten Sonneneinstrahlung, er ist stärker dem Wind ausgesetzt und die Luftfeuchtigkeit geht in den Randbereichen zurück“, argumentiert Rico Fischer. Das veränderte Mikroklima schädige zum Beispiel die großen Bäume, die auf eine gute Wasserversorgung angewiesen sind. In der Folge würden die Gehölze am Waldrand absterben, weil sie dort gestresster sind als im geschützten Innern eines Waldstücks.
Das wirkt sich auch auf die Kohlenstoffbilanzen aus: Mikroorganismen emittieren beim Zersetzen der toten Bäume Kohlendioxid, das den Klimawandel antreibt. Und weil weniger Bäume überleben, die für das Wachstum von Baumkrone, Stamm und Wurzeln Kohlenstoff aufnehmen müssen, wird weniger Kohlendioxid aus der Atmosphäre gebunden. „Damit werden an den Randbereichen tropischer Wälder insgesamt große Mengen Kohlenstoff in die Atmosphäre freigesetzt“, bilanziert der UFZ-Forscher.
Wie hoch diese Kohlenstoffemissionen genau sind und wie sich der Ausstoß in den kommenden Jahrzehnten entwickeln könnte, konnte man am UFZ erstmals genauer modellieren. Aus den hoch aufgelösten Fernerkundungsdaten berechneten die Forschenden, wie viel Biomasse in jedem Randbereich eines Waldfragments in den Tropen vorhanden ist. Daraus ermittelten sie die durch eine erhöhte Baumsterblichkeit verursachten Kohlenstoffemissionen für alle Waldränder.
Zusätzlicher Effekt der Waldränder besorgniserregender Befund für Klimaschutz
Ergebnis: Während im Jahr 2000 rund 420 Millionen Tonnen Kohlenstoff emittiert wurden, waren es 2010 schon 450 Millionen. „In den Tropen werden allein durch Abholzung jährlich rund 1000 bis 1500 Millionen Tonnen Kohlenstoff freigesetzt“, erklärt Andreas Huth, Biophysiker am UFZ: „Berücksichtigt man jetzt noch den zusätzlichen Effekt der Waldränder, ist das ein besorgniserregender Befund, weil der tropische Regenwald eigentlich eine Kohlenstoffsenke und keine Kohlenstoffquelle sein sollte.“
Auch der Blick in die Zukunft verheißt wenig Gutes für den Klimaschutz. „Dafür nutzten wir ein Fragmentierungsmodell aus der Physik und simulierten die Zukunft jedes einzelnen tropischen Waldfragments“, erklärt Franziska Taubert vom UFZ. Gehe man davon aus, dass die bisherige Abholzung der tropischen Wälder nicht reduziert wird, werde der Anteil der Waldrandflächen am Gesamtwald von 31 Prozent im Jahr 2010 auf knapp 50 Prozent im Jahr 2100 steigen. Selbst bei einem Rückgang der Abholzungsraten in den Tropen um die Hälfte steige der Randanteil noch auf knapp 40 Prozent.
Lässt sich der Prozess noch bremsen? Nach Ansicht der UFZ-Forschenden nur, wenn ab dem Jahr 2050 die Entwaldung der Tropen gestoppt wird. In diesem Fall verharre der Anteil der Waldränder im Jahr 2100 auf dem aktuellen Niveau von etwa 30 Prozent. Entsprechende Folgen hätte die Zunahme der Waldfragmentierung auch für die Kohlenstoffemissionen: „Setzt sich die aktuelle Zerschneidung konstant fort, werden durch die Waldränder bis zum Jahr 2100 jährlich 530 Millionen Tonnen Kohlenstoff freigesetzt“, sagt Rico Fischer: „Nur wenn die Abholzung des Regenwaldes ab dem Jahr 2050 gestoppt wird, kann der Ausstoß auf maximal 480 Millionen Tonnen Kohlenstoff begrenzt werden.“
Die Zersplitterung der tropischen Waldflächen hat aber nicht nur Folgen für den Klimaschutz. Auch die Biodiversität, also die Artenvielfalt, leidet. Denn die Auswertungen am UFZ zeigen auch, dass die Abstände zwischen den Waldfragmenten zunehmend größer werden. „Dies erschwert das langfristige Überleben von Tierarten wie etwa dem Jaguar, der auf große, zusammenhängende Waldflächen angewiesen ist“, erklärt Franziska Taubert.
Foto: Paul Macallan auf Pixabay
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