oder: "Wenn einer nicht mehr mit dir redet, dann will er damit etwas sagen." (Joachim Panten)
„Man kann nicht nicht kommunizieren“ – Dieser so plastische Satz des Kommunikationswissenschaftlers und Psychotherapeuten Paul Watzlawick (1921-2007) fasst menschliche Kommunikation in allen Lebenslagen hervorragend zusammen.
Kommunikation ist nicht nur die Vermittlung von Inhalten, sondern auch die Art, wie diese Inhalte vermittelt werden. Es geht also auch um die Beziehung zwischen dem, der die Botschaft aussendet und dem, der sie aufnimmt. Insofern bedeutet auch unterlassene Kommunikation Kommunikation.
Kommunikation in Pandemiezeiten stellt eine besondere Herausforderung für die Verantwortlichen aller Ebenen dar – insbesondere für diejenigen, die unmittelbar den Betroffenen, nämlich uns Bürgern, Maßnahmen, Regeln und vor allem Einschränkungen unseres gewohnten Lebens kommunizieren müssen. Bei uns sind dies Bundes- und Landesregierungen sowie die Verantwortlichen in Städten und Gemeinden vor Ort.
Befasst man sich als Bürger, der als Laie der Pandemie ob der Informations- und Meinungsflut oft verunsichert, ja zuweilen ängstlich gegenübersteht, mit der Art und Weise, wie ihm Lagen und daraus resultierende An- und Verordnungen nahegebracht werden, fallen sehr schnell unterschiedliche „Kommunikationsstrategien“ ins Auge. Der Terminus „Strategie“ bezeichnet hier eine bewusste Wahl der Art der Kommunikation - aber auch ihr Unterlassen - zum Zwecke einer Zielerreichung. Wie läuft dies nun ab?
A. Der Inhaltsaspekt
Information des Bürgers durch die Medien, Veröffentlichung der von den Verantwortlichen jeweils für entscheidend festgelegten Pandemiezahlen. Zuerst waren das die Neuinfektionszahlen, dann die R-Zahl, anschließend wieder die Infektionszahlen, sodann der sogenannte "Inzidenzwert", bei dem insbesondere die Zahl 50 (leicht zu behalten) immer als der zu erreichende Zielwert definiert wurde - zumindest solange, wie er in nicht in Reichweite lag. Zahlen zu schweren Krankheitsverläufen, Todesfällen sowie IC-Betten (Betten zur Intensivbetreuung schwerer Coronafälle) musste sich der Bürger bis weit nach Pandemiebeginn selbst zusammensuchen. Seit die Situation in der zweiten Welle droht, vollends aus dem Ruder zu laufen, werden nun gerade diese Zahlen ständig zitiert, "upgedatet" und in den Nachrichtensendungen und Talkshows von immer denselben Gästen weiter verbreitet.
B. Der Beziehungsaspekt
Wie wird der Adressat, also wir Bürger, einbezogen? Seit Beginn der Pandemie im März 2020 informieren die Verantwortlichen aller Ebenen den Bürger mit Hilfe der Medien. Es zeigt sich dabei, dass insbesondere die Verantwortungsträger vor Ort in den Kreisen, Städten und Gemeinden dabei sehr unterschiedlich vorgehen. Expemplarisch soll daher im folgenden die Situation im Kreis Grafschaft Bentheim, Niedersachsen, unweit der Grenze zu den Niederlanden beleuchtet werden.
Die Bürgermeister von Bad Bentheim, Schüttorf und Emlichheim, später auch Neuenhaus informierten ihre jeweiligen Bürger in Abständen mit Videobotschaften in den sozialen Medien oder durch die Grafschafter Nachrichten. Teilweise posten sie Updates auf ihren eigenen Social-Media-Kanälen, so z. B. der Bürgermeister von Bad Bentheim. Auf dem Online-Angebot der jeweiligen Gemeinden kann sich der Bürger selbständig informieren.
In der Kreisstadt Nordhorn erfolgt die Kommunikation ausschließlich über das Online-Angebot der Stadtverwaltung. Der Bürgermeister richtet sich über dieses Medium an die Öffentlichkeit. Über seine private Seite in den sozialen Medien wird in Bezug auf die Pandemie selten Eigenes gepostet. Stattdessen sind dort allgemeine die Stadt betreffende Themen oder aber Verlinkungen auf das Landkreisangebot zum Themenbereich „Corona“ nachzulesen. Lediglich, nachdem die Neuinfektionszahlen den Landkreis an die Spitze Niedersachsens katapultierten, wandte sich der Bürgermeister mit einer abgelesenen Rede, welche per Video übertragen wurde, an die Bürger und mahnte sie zur Einhaltung der auf Grund der hohen Inzidenz vom Landrat angeordneten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen.
Der Landkreis seinerseits stellt aktuelle Entwicklungen zur Pandemie auf seinem Online-Angebot ein. Vom Landrat selbst war im Zuge der Pandemiemonate persönlich kaum etwas zu vernehmen. Zu Beginn der Pandemie richtete er sich einige Male per Video an die Bevölkerung, was auch noch einmal nach dem sprunghaften Anstieg der Fallzahlen und der Verkündigung und Begründung der Ausgangssperre erfolgte.
Einlassungen durch führende Persönlichkeiten der im Kreistag vertretenen Parteien erfolgen nicht, weder in Zeiten des Lockdowns, noch aktuell bei den massiv ansteigenden Infektionszahlen, noch aus Anlass der Ausgangssperre. Ähnlich sieht es in der Kreisstadt Nordhorn aus. Auch hier erfolgten keine persönlichen Statements der großen Ratsfraktionen, mit Ausnahme einer im Rat sitzenden unabhängigen Bürgerinitiative.
„Man kann nicht nicht kommunizieren“ – Legen wir diesen Eingangssatz dem beschriebenen kommunikativen Umgang der Verantwortlichen mit der Corona-Pandemie zu Grunde, ist festzustellen, dass sowohl in Bezug auf den Inhaltsaspekt (Was wird (nicht) kommuniziert?) als auch den Beziehungsaspekt (Wie wird (nicht) kommuniziert?) Unterschiede auftreten, die im Vergleich miteinander weitere Fragen aufgeben.
Zu hinterfragen, warum politisch Verantwortliche wie in unserem Beispiel eine Kreis- und Stadtverwaltung im Gegensatz zu anderen Gemeinden durch eine Strategie der unterlassenen Kommunikation kommunizieren, ist nicht nur in Pandemiezeiten berechtigt und notwendig. Sie kann nämlich mögliche Hinweise darauf geben, mit welcher Haltung dem Bürger gegenüber die jeweiligen Verantwortlichen agieren, welche ja von eben diesem Bürger, dem Souverän, beauftragt wurden und ihm gegenüber eine Fürsorgepflicht, zumindest aber eine Rechtfertigungspflicht haben.
Möge jeder Leser also aus der Art der Kommunikation oder Nichtkommunikation - die, wie wir gesehen haben, auch eine Art von Kommunikation ist - für künftig zu treffende (Wahl)Entscheidungen seine eigenen, individuellen Schlüsse ziehen.
Denn man kann eben niemals nicht kommunizieren.