In den Nachrichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird den  Bürgern vermittelt, dass die Zahl der antisemitischen Vorfälle in  Deutschland stark angestiegen sei. Allein eine solche Meldung vermittelt  den Eindruck, dass hier etwas gesellschaftlich aus dem Ruder läuft,  weil auch nur der Anschein eines antisemitischen Verhaltens zu einem  sofortigen Aufschrei der Gesellschaft zu führen hat und auf keinen Fall  geduldet werden darf.

Nun wäre es durchaus auch einmal sehr sinnvoll, das Phänomen des  Antisemitismus unter einer weltweiten Betrachtung zu untersuchen und  sich nicht nur auf Deutschland, das natürlich aufgrund der historischen  Ereignisse der Nazizeit in einer besonderen Verantwortung und für viele  nach wie vor in einer Schuld, die auch nach achtzig Jahren noch immer  aktuell zu sein scheint, steht.

Wie massiv den deutschen Bürgern immer wieder in das Bewusstsein  gerufen werden soll, dass die Verbrechen der Nazizeit auch von der  gegenwärtigen Generation ihr Verhalten zu bestimmen hat, wird in dem  ausgesprochen problematischen Satz auf den Punkt gebracht: Die  Sicherheit Israels sei Staatsraison für Deutschland. Offensichtlich  haben diejenigen Politiker, die eine solche Forderung erheben, noch  nicht wahrgenommen, dass sie kein Recht haben, von ihren Mitbürgern zu  verlangen, dass ihre Verpflichtung das eigene Leben einzusetzen auch für  fremde Staaten gelten soll. Eine Staatsraison für Staatsbürger kann es  nur gegenüber ihrem eigenen Staat, dessen Staatsbürgerschaft sie  innehaben, geben. Übrigens wird hier auch die Problematik einer  Doppelstaatsbürgerschaft erkennbar. Es könnte im Einzelfall die Frage  relevant werden, für welchen Staat man ggf. auch mit seinem eigenen  Leben einzutreten hat.

Gerade aufgrund der bewegten Geschichte des jüdischen Volkes und dem  großen Leid, mit denen dieses Volk immer wieder konfrontiert wurde,  könnte man annehmen, dass es im Umgang mit anderen Völkern eine  besondere Sensibilität entwickelt hätte. Die besondere Einstellung zum  deutschen Volk ist damit nicht gemeint, da die Verbrechen der Nazis auch  nach achtzig Jahren im aktuellen Bewusstsein sind, zumal es noch immer  Menschen gibt, die als Zeitzeugen selbst erlebt hatten, was sich während  der Nazizeit abspielte. Auch der Verfasser dieser Zeilen ist als Kind,  das 1943 geboren wurde, sehr konkret und direkt von den Auswirkungen der  Nazizeit betroffen worden, so dass er selbst weiß, welche Folgen die  Verbrechen einer Regierung, die ihr Volk mit in den Untergang reißt,  haben kann.

Um so erschreckender ist der Umgang des jüdischen Volkes mit seinen  palästinensischen Nachbarn, wobei hier die jeweiligen Machthaber auf  beiden Seiten für die aktuelle Situation Verantwortung tragen. Nach der  Gründung des Staates Israel auf palästinensischem Boden war die  Zielsetzung, dass es zwei souveräne Staaten geben sollte. Es ist müßig  an dieser Stelle aufzudröseln, warum es immer wieder zum Krieg zwischen  Israel und Palästina gekommen ist und Israel im Laufe der  Auseinandersetzungen immer mehr palästinensisches Staatsgebiet für sich  selbst reklamierte. Der Konflikt, der aktuell blutige Ausuferungen, mit  tausenden Toten unschuldiger Menschen, wurde eigentlich bereits mit der  Staatsgründung Israels 1948 gelegt. Im Mai 1948 rief David Ben Gurion  die Unabhängigkeit Israels aus. Einem Staat, der aus einem Teil des  britischen Mandatsgebiets Palästina hervorging.

Bereits mit dem Zeitpunkt der Staatsgründung Israels kam es zu  kriegerischen Auseinandersetzungen, bei denen Israel immer weitere  Gebiete der Palästinenser für sich in Anspruch nahm.

Die Siedlungspolitik der Regierung Israels führte dazu, dass die  vorgesehene Zweistaatlichkeit von Israel ad absurdum geführt wurde.  Natürlich rechtfertigt dies auch keinen Terror von palästinensischen  Organisationen. Aber es darf wohl die Frage gestellt werden, warum  Israel auf seine eigene Souveränität als Staat besteht, dies aber dem  palästinensischen Volk aberkennt. Wenn Völker unterdrück werden, ist es  bisher immer zu gewaltsamen Ausbrüchen gekommen. Der brutale Überfall  der Hamas auf Israel, von dem 2.500 israelische Bürger betroffen waren,  muss auch als Folge einer massiven Unterdrückung gesehen werden.  Natürlich hatte die Regierung Israels das Recht, sich gegen diesen  Überfall zur Wehr zu setzen. Was sich jedoch aus dieser „Abwehr“  entwickelt hat, kann nur noch als völkerrechtswidriges Verbrechen  gegenüber der Zivilbevölkerung betrachtet werden. Gegenwärtig sieht es  so aus, als sei es das Ziel der Regierung von Israel die gesamte  palästinensische Zivilbevölkerung zu eliminieren.

Das Morden von Menschen, die hoffen, etwas zum Essen zu bekommen  durch israelische Soldaten ist inakzeptabel und in keiner Weise zu  rechtfertigen. Es ist unverständlich, dass die deutsche Regierung unter  solchen Umständen weiter Waffen an Israel liefert, so dass sie sich  damit an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die israelische  Regierung mit schuldig macht.

Die weltweiten Proteste gegen ein solches Regierungshandeln der  israelischen Regierung hat mit Antisemitismus nichts zu tun. Es geht  nicht um einen Angriff gegen das jüdische Volk – übrigens, wenn in  Deutschland der gleiche Volksbegriff wie in Israel gefordert wird, ist  es rassistisch und menschenverachtend – sondern um die möglicherweise  praktizierten Kriegsverbrechen der gegenwärtigen israelischen Regierung.

Es wäre gut, wenn endlich auch die israelische Regierung zur  Besinnung kommen würde. Sie sollte erkennen, dass aus Hass nur Hass  entsteht und Gewalt nur eine weitere Gewalt auslöst. Zur Staatsräson in  Deutschland sollte es gehören, seinen Verbündeten und Freunden klar  erkennen geben, dass sich Deutschland an Kriegsverbrechen nicht  beteiligt und dafür eintritt, dass das Ziel einer jeden Regierung ein  friedliches Miteinander mit seinen Nachbarn sein muss. Ein solches  Miteinander setzt voraus, dass ein Partner nicht meint, alles Recht auf  seiner Seite zu haben, sondern dem Nachbarn auch die Luft zum Atmen  lässt. Nur dann ist es möglich, dass ein friedliches Miteinander  zwischen zwei kulturell unterschiedlichen Völkern möglich ist.

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